Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
RKI-Chef setzt auf Eigenverantwortung
Behörde senkt Corona-Warnstufe ab – Stiko-Chef für vierte Impfung bei Risikopatienten
BERLIN/FRANKFURT/STUTTGART (dpa) - Angesichts des Krieges in der Ukraine ist die Corona-Pandemie etwas aus dem Fokus geraten. Tatsächlich war das Infektionsgeschehen zuletzt klar rückläufig. Das RobertKoch-Institut (RKI) vermeldete in seinem Wochenbericht, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in der vergangenen Woche im Vergleich zur Vorwoche um 19 Prozent gesunken ist. Auch die Zahl der auf einer Intensivstation behandelten Covid-19-Patienten ist demnach weiter gesunken, die Zahl der Todesfälle ebenso. Entsprechend habe das Institut zu Recht das pandemische Risiko von „sehr hoch“auf „hoch“heruntergestuft, erklärte RKI-Präsident Lothar Wieler am Freitagnachmittag bei einem Kongress der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Wieler hält die Pandemie zwar nicht für beendet, traut den Bürgern inzwischen aber mehr Eigenverantwortung zu. „Nein, die Pandemie ist natürlich nicht vorbei“, sagte er. Jedoch entwickelten sich alle Faktoren, die bei der Entscheidung über die Risikostufe herangezogen werden, gut: die Infektionsdynamik, die Krankheitsschwere und die Belastung des Gesundheitssystems. „All diese Signale sind positiv.“
Auch die Verkürzung der Isolationsdauer nach einer Infektion auf fünf Tage sei verantwortbar, sagte Wieler. Empfehlungen müssten sich der Situation anpassen – und diese habe sich durch die verfügbaren Medikamente, die Impfstoffe und das Wissen über das Virus verändert. Inzwischen sei es in Ordnung, manche Maßnahmen weniger stringent durchzuführen als zuvor. „Nicht nur weil wir müde sind, sondern weil wir alle wissen, wie wir uns schützen können und mit dem Risiko besser umgehen können“, sagte Wieler.
Dennoch betonte das RKI einen weiter „beträchtlichen Infektionsdruck“und unterstrich den Nutzen der Corona-Schutzimpfung. Sie habe nach wie vor „aufgrund ihrer hohen Schutzwirkung vor einem schweren Verlauf auch bei Erkrankungen durch die Omikron-Variante nicht an Bedeutung verloren“. Zur Impfkampagne erklärten die Experten, dass die Mehrzahl der aktuell verabreichten Impfungen zweite Auffrischimpfungen seien. Damit sollen sich laut Ständiger Impfkommission (Stiko) insbesondere Risikogruppen schützen. Stiko-Chef Thomas Mertens hob am Freitag den Nutzen der vierten Impfung hervor. Menschen über 70 Jahre und andere mit besonderem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf rief der Ulmer Virologe dazu auf, ihren Schutz durch eine vierte Impfung zu verbessern.
Derweil begrenzt die US-Arzneimittelbehörde FDA den Einsatz des Impfstoffes von Johnson & Johnson. Nach einer FDA-Untersuchung zur Wahrscheinlichkeit von Blutgerinnseln nach der Injektion hält die Behörde es für gerechtfertigt, die Zulassung zu limitieren. Nur Menschen, für die andere Corona-Impfstoffe nicht zugänglich oder verträglich sind, oder jene, die sich sonst nicht impfen lassen würden, solle das Mittel noch verabreicht werden. Hierzulande empfiehlt die Stiko das Vakzin von Johnson & Johnson nur noch für Menschen ab 60 Jahren.