Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Es ist nicht einfach, die CSU im Bund als Oppositionspartei aufzubauen“
MÜNCHEN - Ursula
Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing (Archivfoto: Flemming), erklärt im Gespräch mit Patrick Guyton, warum die CSU keine Säulenheiligen mehr hat und wann es für Markus Söder kritisch wird.
Frau Münch, täuscht der Eindruck, dass es bei Markus Söder seit der verlorenen Bundestagswahl im Herbst nicht gut läuft? Die Niederlage war ein ziemlicher Schock. Es ist nicht einfach für ihn, die CSU im Bund als Oppositionspartei aufzubauen. Das ist sie nicht gewohnt. Hinzu kommen die verschiedenen Affären in Bayern – die jüngste mit dem zurückgetretenen
Generalsekretär Stephan Mayer, der sein Aggressionspotenzial nicht im Griff hatte.
Zu Zeiten von Franz Josef Strauß haben der CSU Skandale und krumme Touren nichts anhaben können. Da hieß es gar anerkennend: „Hund sans scho.“
Das war eine andere Zeit, da hat sich viel verändert. Strauß war ein Säulenheiliger, und damals herrschte große Autoritätsgläubigkeit. Die
CSU galt als Staatspartei. Die eigene Klientel brachte Strauß und der CSU unkritische Bewunderung entgegen.
Und heute?
Das Publikum ist selbstbewusst geworden. Die Bevölkerung setzt sich anders zusammen, viele Menschen sind zugewandert. Man erkennt schon an, dass Bayern ein besonderes, leistungsstarkes Land der Republik ist, verbindet das aber nicht mehr automatisch mit der CSU. Die Zahl der Wechselwähler steigt. Die Medien sind kritischer geworden, auch der Bayerische Rundfunk leistet schon lange keine CSU-Hofberichterstattung mehr. Und die digitalen Netzwerke sorgen für eine Totalausleuchtung der Politik.
Söder wollte die CSU auch zur modernen Großstadtpartei machen. Was ist daraus geworden? Ich habe den Eindruck, dass er das abgeschrieben hat. Die Wähler nehmen der Partei den Spagat nicht ab, zugleich konservativ das
Land zu bedienen und sich in den Städten jung und modern zu geben. Das zerreißt die CSU, deshalb will sie schauen, in den erfolgreichen ländlichen Regionen zu punkten und dort keine Stimmen an die Freien Wähler oder die AfD zu verlieren.
Was passiert mit Markus Söder, wenn er bei der Landtagswahl im Herbst 2023 bei 37 oder 38 Prozent liegt?
Dann hat er womöglich sogar noch Glück gehabt. Kritisch wird es, wenn er neben den Freien Wählern einen weiteren Koalitionspartner braucht. Er würde zwar nicht akut in Gefahr stehen. Aber allen wäre klar, dass sein Dominanzstreben und die Fokussierung auf ihn als alleinigen Chef sich nicht auszahlen.