Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fernsehen auf der Autobahn

Mercedes bringt als erster deutscher Hersteller ein System zum autonomen Fahren an den Start, das komplett die Kontrolle übernehmen darf

- Von Andrej Sokolow

STUTTGART (dpa) - Im Stau auf deutschen Autobahnen könnte man bald erstmals ein Auto neben sich haben, bei dem das Fahrzeug und nicht der Mensch am Steuer die Verantwort­ung trägt. Mercedes startet als erster Hersteller den Verkauf eines Systems zum hochautoma­tisierten Fahren, das komplett die Kontrolle übernehmen darf. Für die S-Klasse kostet das 5000 Euro plus Mehrwertst­euer. Beim Elektromod­ell EQS werden gut 7400 Euro vor Mehrwertst­euer fällig, weil noch ein Fahrassist­enzpaket

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dazugebuch­t werden muss. Während die Bestellung­en am 17. Mai anlaufen, dürften erste Fahrzeuge mit dem System laut Mercedes im Sommer ausgeliefe­rt werden.

Bisher sind in Autos Fahrassist­enzsysteme üblich, die dem Fahrer zwar verschiede­ne Aufgaben wie das Halten der Spur oder des Abstands abnehmen können. Der Mensch bleibt dabei aber in der Verantwort­ung und muss die Hände am Steuer lassen. Das gilt zum Beispiel für Teslas Assistenzs­ystem „Autopilot“– selbst wenn die Software sich wie aktuell in den USA am Stadtverke­hr versucht.

Mercedes bekam in Deutschlan­d dagegen als erster Autoherste­ller die Zulassung für den Betrieb eines Systems, bei dem der Fahrer in bestimmten Situatione­n offiziell die Kontrolle an das Fahrzeug abgeben und zum Beispiel fernsehen darf. Selbst ein Handy kann man dann im Fahrersitz ganz legal nutzen – auch wenn Mercedes-Manager darauf verweisen, dass es keine gute Idee sei, ein Gerät zwischen den Airbag und sein Gesicht zu bringen. Der Fahrer muss zugleich jederzeit bereit sein, wieder die Steuerung zu übernehmen. Der Einsatz des Systems mit dem Namen

„Drive Pilot“ist auch durch rechtliche Vorgaben auf sehr konkrete Situatione­n beschränkt. So funktionie­rt es nur auf Autobahnen, bei Geschwindi­gkeiten bis zu 60 Kilometern pro Stunde und nur im stockenden Verkehr, solange der Abstand zum davor fahrenden Fahrzeug nicht zu groß wird. Erkennt das System, dass die Voraussetz­ungen da sind, lässt es sich vom Fahrer per Knopfdruck am Lenkrad aktivieren.

Das System ist geschult, sich als ein umsichtige­r Autofahrer zu verhalten. An Auffahrten lässt es genügend Abstand, damit sich Fahrzeuge von rechts einfädeln können – und ein Sattelschl­epper bekommt mehr Platz als ein Auto. Bei niedrigem Tempo hält es sich am Rand der Spur, um wie vorgeschri­eben Platz für eine Rettungsga­sse zu lassen. Eine Kamera an der Heckscheib­e soll das Blaulicht von Rettungsfa­hrzeugen oder Polizei erkennen.

Während „Drive Pilot“das Auto steuert, liegt die Verantwort­ung bei Mercedes. Wenn das System den Fahrer auffordert, wieder die Kontrolle zu übernehmen, muss er das so schnell wie möglich tun – hat aber bis zu zehn Sekunden Zeit dafür.

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