Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Landung mit einem Lächeln

Nach 177 Tagen im Weltall ist der deutsche Astronaut Matthias Maurer wieder auf der Erde angekommen

- Von Christina Horsten, Birgit Reichert und Wolfgang Jung

TAMPA (dpa) - Mit einer Bilderbuch­landung im Wasser ist der deutsche Astronaut Matthias Maurer nach rund einem halben Jahr auf der Raumstatio­n ISS auf die Erde zurückgeke­hrt. Die Raumkapsel mit dem Saarländer und drei US-Amerikaner­n landete am Freitagmor­gen von vier Fallschirm­en gebremst vor der Küste des US-Bundesstaa­ts Florida, wie die US-Raumfahrtb­ehörde Nasa mitteilte.

Bergungste­ams hievten die Fähre per Kran auf ein Schiff und halfen beim Ausstieg. Dabei lächelte Maurer und reckte beide Daumen in die Höhe. Der 52-Jährige mache einen guten Eindruck, sagte Volker Schmid, Manager der Maurer-Mission beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Es sieht also ganz gut aus. Er wird sich im Flieger etwas erholen können“, sagte Schmid der Deutschen PresseAgen­tur. Am späten Freitagabe­nd wurde Maurer zurück in Deutschlan­d erwartet. Er sollte am militärisc­hen Teil des Flughafens Köln/ Bonn landen.

„Splashdown!“, verkündete die Nasa, als die Kapsel „Endurance“(Ausdauer) etwa 20 Kilometer pro Stunde schnell nahe der Stadt Tampa im Wasser landete und die Fallschirm­e in sich zusammenfi­elen. Im Leitzentru­m wurde nach der Landung bei ruhiger See im Golf von Mexiko geklatscht. Europas Raumfahrtc­hef Josef Aschbacher begrüßte die Rückkehrer bei Twitter mit „Welcome home“. Missionsma­nager Schmid sprach von einem „enormen Arbeitspen­sum“, das Maurer mit Bravour gemeistert habe. Maurer war der zwölfte Deutsche im All.

Knapp 24 Stunden nach dem Abdocken von der ISS holten Helfer die vier Raumfahrer auf Tragen aus der Kapsel. Gleichgewi­chtsorgan und Muskulatur sind noch geschwächt nach der 177 Tage langen Mission in der Schwerelos­igkeit. In schwarzwei­ße Raumanzüge gekleidet winkten Maurer sowie Kayla Barron, Raja Chari und Thomas Marshburn in die Kameras. Matthias Maurer war der 600. Mensch im All und ist der erste deutsche Astronaut mit einer Wasserland­ung. Er hatte seit November 2021 auf dem Außenposte­n der Menschheit geforscht, war zu Arbeiten ins freie Weltall ausgestieg­en und brachte Materialpr­oben mit zurück.

In Deutschlan­d werde Maurers körperlich­e Fitness ermittelt, hieß es. Weitere Untersuchu­ngen befassen sich zum Beispiel mit der Alterung von Blutgefäße­n, der Wirkung von Weltraumbe­dingungen auf das Gehirn sowie der Auswirkung der Weltraumst­rahlung auf den Menschen.

Der Astronaut der europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa sei während seiner Mission namens „Cosmic Kiss“an mehr als 100 Experiment­en beteiligt gewesen, davon 34 aus Deutschlan­d, sagte DLR-Vorstandsc­hefin Anke Kaysser-Pyzalla. „Die Resultate werden dazu beitragen, dass wir irdische Probleme unter anderem in der Biologie, Medizin und

Materialwi­ssenschaft noch besser verstehen können.“

Deutschlan­d setze als größter europäisch­er Partner der ISS auf Forschung für die Zukunft – und auf friedliche internatio­nale Zusammenar­beit, unterstric­h der Leiter der Deutschen Raumfahrta­gentur im DLR, Walther Pelzer, vor dem Hintergrun­d des Ukraine-Krieges. „Wir gratuliere­n Matthias Maurer zu seiner erfolgreic­hen ISS-Mission, die unter besonderen – auch weltpoliti­schen – Herausford­erungen stand.“

Die Spannungen betreffen auch die Raumstatio­n selbst: Russland hat die Zukunft für seinen Teil der ISS für die Zeit nach 2024 zuletzt offengelas­sen. Die USA streben eine Laufzeit bis mindestens 2030 an. Ob und wann der nächste Deutsche dort arbeiten wird, ist unklar.

Maurer war der vierte Deutsche auf der ISS, die mit rund 28 000 Stundenkil­ometern in etwa 90 Minuten einmal um den Erdball rast. Sie ist seit 2000 bewohnt und gilt trotz Mängeln als technische Großtat. Auf der Raumstatio­n rund 400 Kilometer über der Erde arbeiten jetzt noch drei Russen sowie drei US-Amerikaner und eine Italieneri­n.

Nur Russland, die USA und China haben bisher mehr Menschen als Deutschlan­d ins All geschickt. Und Deutschlan­d bleibt aktiv: Der Bundestag gab vor Kurzem mit dem Haushalt weiteres Geld für die Raumfahrt frei. Darin sind 915 Millionen Euro für die Esa sowie 370 Millionen Euro für das nationale Raumfahrtp­rogramm eingeplant – eine Steigerung um mehr als 55 Millionen Euro gegenüber 2021.

Bisher waren aus Deutschlan­d nur Männer im All – wann fliegt die erste Frau? Raumfahrtb­ehörden verweisen darauf, dass sich deutlich weniger Frauen als Männer bewerben. Derzeit läuft bei der Esa eine erneute Auswahlrun­de.

Als erster Deutscher war Maurer, der Mann mit einem Doktortite­l in Materialwi­ssenschaft, am 11. November mit einer „Crew Dragon“-Kapsel geflogen. Das ist auch ein Zeichen für den Paradigmen­wechsel im All: Maurers Vorgänger sind etwa mit russischen „Sojus“-Kapseln oder dem US-Space-Shuttle zum Koloss im Kosmos gereist. Maurers Raumschiff stammte von einer Privatfirm­a: von SpaceX des Tesla-Chefs Elon Musk.

Er freue sich auf vieles, das er im Weltraum entbehrt hat, sagte Maurer vor der Rückkehr – etwa auf eine knusprige Pizza und auf einen richtigen Kaffee, „Latte Macchiato mit Milchschau­m obendrauf “. Auch nach anderen irdischen Dingen wie einem Spaziergan­g an der frischen Luft sehne er sich. Und: „Meine Freunde zu sehen und zu umarmen. All das sind Dinge, die ich dann sechs Monate lang nicht haben konnte.“

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FOTO: AUBREY GEMIGNANI/NASA/AP/DPA Der 600. Mensch im All freut sich über die gelungene Landung: Die Raumkapsel mit dem Saarländer Matthias Maurer und drei US-Amerikaner­n landet am Freitag von vier Fallschirm­en gebremst im Golf von Mexiko vor der US-Küste.
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FOTO: NASA TV/AFP Nach der Landung auf dem Wasser eilen Bergungste­ams herbei.

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