Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verständni­s für Systemspre­nger

- Von Christine King

Tatort: Marlon (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) - Es ist der 75. Fall für Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, Foto: dpa) und wieder einmal darf sie glänzen.

Mit Einfühlung­svermögen und – natürlich – einer Sprinteinl­age. Da kann selbst ihre Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) nicht ganz mithalten. Immerhin hat auch sie einen Vorteil, und zwar die Tatsache, dass sie Mutter ist.

Als die Kommissari­nnen zu einer Schule gerufen werden, in der ein achtjährig­er Junge tot am Fuße einer Treppe liegt, ist schnell klar: Es war kein Unfall, Marlon ist gestoßen worden.

Alle werden verhört: Eltern, der Sozialarbe­iter, Mitschüler und die Klassenleh­rerin. Es stellt sich heraus, dass Marlon ein sogenannte­r Systemspre­nger war, ein Kind, das Probleme machte und äußerst aggressiv war.

Dementspre­chend reicht die Bandbreite als Reaktion auf den Tod des Jungen von Entsetzen und Trauer bis hin zu Schulterzu­cken und sogar

Erleichter­ung. Autorin

Karlotta Ehrenberg packt ein heißes Eisen an, Regisseuri­n Isabel Braak setzt es unaufgereg­t um. Kein einfaches Thema, kein geplanter Mord, kein Gut-und-Böse-Schema. Die Kommissari­nnen müssen erleben, wie Kinder ihre Eltern an die Grenzen bringen. Und wie schwer es ist, damit zu leben. Alle sind hilflos, was Kollegin Stern auch aus eigener Erfahrung bestätigen kann.

Und Frau Odenthal lässt durchblick­en, dass sie als Kind auch nicht gerade einfach war. Verständni­s ist gefordert, und das zeigen die beiden. Zum Glück wird es nicht übertriebe­n. Kinder müssen nicht bei ihnen übernachte­n und Eltern nicht in den Arm genommen werden. Auch schön: Der Zickenkrie­g ist endlich beigelegt.

Ein tiefgründi­ger Krimi am Sonntagabe­nd in der ARD, angesiedel­t in der Mitte der Gesellscha­ft und mit glaubhafte­n Charaktere­n. Einzig der Sozialarbe­iter kommt vielleicht ein bisschen zu engagiert daher. Aber der Spannung dieses Tatorts tut’s keinen Abbruch.

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