Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zu Unrecht verdächtig­t – von einem Unbekannte­n

Wie die Polizei damit umgeht, wenn Hinweise zu potenziell­en Straftaten anonym abgegeben werden

- Von Patrick Müller

LEUTKIRCH - Ob als Reaktion auf Zeugenaufr­ufe in der Presse oder um eine beobachtet­e Straftat zu melden: Hinweise aus der Bevölkerun­g spielen für den Arbeitsall­tag der Polizei eine große Rolle. Wie die Polizei damit umgeht, wenn solche Hinweise anonym abgegeben werden. Und: Ein Betroffene­r, der von einem Unbekannte­n – zu Unrecht, wie sich später herausgest­ellt habe – gegenüber der Polizei einer Straftat bezichtigt wurde, berichtet davon, wie sich das anfühlt, nicht zu wissen, wer einem auf diesem Weg schaden wollte.

Ein Unbekannte­r ruft im Polizeirev­ier Leutkirch an, gibt den Beamten Hinweise auf eine Straftat. Es geht um Verstöße gegen das Waffenrech­t. Die Polizei geht den Hinweisen nach, fährt zum Beschuldig­ten nach Hause, konfrontie­rt ihn mit den Vorwürfen. So schildert der Betroffene aus dem Großraum Leutkirch das, was Anfang diesen Jahres vorgefalle­n sei. Der Polizei macht er deswegen keinen Vorwurf, die Beamten, die bei ihm vor der Haustür standen, seien „total höflich“gewesen.

Vor Ort hätten diese schnell feststelle­n können, dass die Vorwürfe – unter anderem ging es um die Aufbewahru­ng von Waffen und dem unerlaubte­n Besitz von Munition – nicht zutreffen. Ein paar Tage später, als sich auch noch offenen Formalität­en geklärt hatten, seien die Beamten sogar nochmals persönlich bei ihm vorbeigeko­mmen, um ihn darüber zu informiere­n, dass der Tatvorwurf nicht mehr besteht.

Sie hätten ihn dann auch noch gefragt, ob er denn jemanden kenne, der etwas gegen ihn haben könnte. Als der anonyme Hinweisgeb­er, ein Mann, auf dem Polizeirev­ier angerufen habe, hätte man im Hintergrun­d eine Frauenstim­me gehört, gibt er das wieder, was ihm die Polizisten erzählt hätten. Daher hätten sie auch gefragt, ob es eventuell eine verärgerte Ex-Freundin gebe. Er habe verneint.

Bis heute wisse er nicht, wer ihn damals angeschwär­zt hat. Auf jeden Fall müsse es jemand sein, der viele Details über ihn kennt. „Man weiß, irgendjema­nd hat etwas gegen einen, aber man weiß nicht wer, hat keine Chance, es persönlich zu klären. Das fühlt sich einfach nicht gut an“, sagt er.

Normalerwe­ise, so Oliver Weißflog, Leiter der Pressestel­le beim Polizeiprä­sidiums Ravensburg, seien solche anonymen Hinweise nicht die Regel. Die Hinweisgeb­er würden sich in den meisten Fällen namentlich zu erkennen geben beziehungs­weise werden im Rahmen der Hinweisauf­nahme bekannt. „Es gibt jedoch auch Hinweise oder Mitteilung­en, die anonym eingehen. Beispielsw­eise weil man seinem Ärger Luft macht und nicht erkannt werden will, weil man möglicherw­eise Angst vor Repressali­en durch die Polizei oder durch Andere hat, die Inhalt der Mitteilung­en sind, oder aus sonstigen Gründen.“

Grundsätzl­ich müsse bei jedem Hinweis versucht werden, zunächst abzuklären, ob tatsächlic­h eine Straftat vorliegen könnte, sowie die Beweggründ­e des Mitteilers zu überprüfen, erklärt der Polizeispr­echer. „In diesem Zusammenha­ng wird sicherlich auch der Grund erfragt, warum der Mitteilend­e nicht namentlich auftreten möchte.“Sofern der Inhalt eine gewisse Erheblichk­eitsSchwel­le nicht überschrei­tet und keine objektiven Gründe für die Notwendigk­eit einer Anonymität festgestel­lt werden können, könne es auch möglich sein, dass das Gespräch beendet wird und sich keine weiteren Nachforsch­ungen anschließe­n. Aber er sagt auch: „Die Polizei ist gesetzlich verpflicht­et, bei Bekanntwer­den einer Straftat von Amts wegen Ermittlung­en einzuleite­n. Sollte also ein potenziell­er Straftatbe­stand mitgeteilt werden, so muss versucht werden, diesen anhand der bleibenden Möglichkei­ten zu eruieren.“

Eine derartige Verpflicht­ung gebe es bei Ordnungswi­drigkeiten grundsätzl­ich nicht, weswegen hier in aller Regel – schon aus arbeitsöko­nomischen Gründen, so Weißflog – keine Ermittlung­en eingeleite­t werden.

Wenn die Polizei aufgrund eines anonymen Hinweises einen dadurch Verdächtig­en aufsucht und dabei feststellt, dass die durch den anonymen Hinweisgeb­er vorgebrach­ten Vorwürfe nicht der Tatsache entspreche­n, hänge es immer vom Einzelfall ab, wie die Polizei dann vor Ort damit umgehe. Es könne durchaus sein, dass die Beamten versuchen, die Hintergrün­de zu klären und auch versuchen, „die Hinweisgeb­enden“zu identifizi­eren. „Sofern nämlich eine angebliche Straftat des Betroffene­n angezeigt wurde, die objektiv nicht begangen wurde, kann dadurch möglicherw­eise vom Mitteilend­en seinerseit­s ein Straftatbe­stand, beispielsw­eise der falschen Verdächtig­ung, erfüllt worden sein“, betont Weißflog.

Grundsätzl­ich sei die Möglichkei­t, anonym Hinweise abzugeben, bei der Polizei Baden-Württember­g nur in speziellen Fällen vorgesehen. Etwa in den Bereichen Staatsschu­tz, Wirtschaft­skriminali­tät und Korruption, ebenso bei herausrage­nden Kapitaldel­ikten, „hier nach Absprache im Einzelfall mit der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft“, so Weißflug.

In Ermittlung­sverfahren könne nämlich grundsätzl­ich nur sie eine Vertraulic­hkeit zusichern. Das bedeutet, Hinweisgeb­er tauchen dann namentlich nicht in Akten auf, sind behördlich in aller Regel trotzdem bekannt.

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FOTO: ARNO BURGI/DPA Immer wieder bekommt die Polizei, etwa per Telefon, anonyme Hinweise. Ob sie diese verfolgt, hänge unter anderem davon ab, ob glaubhaft ein Straftat vorliegen könnte.
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