Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Bayern und das Ibiza-Geschmäckl­e

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Maximilian Nagelsmann darf sich freuen. Der Sohnemann von Vater Julian ist sieben Jahre alt, hat also seit Geburt noch keinen anderen Meister als den FC Bayern erlebt.

Neu für den Spross der Nagelsmann­s jedoch: Dass sein Papa für den Meistertit­el verantwort­lich ist. Also bekommt der Kleine demnächst ein Andenken an den ersten Titel im Profiberei­ch des 34-Jährigen. „Mein Sohn liebt Medaillen“, sagte Bayerns Cheftraine­r vor dem letzten Heimspiel der Münchner gegen den VfB Stuttgart und überlegte laut: „Vielleicht gebe ich sie ihm. Der findet viele Orte zur Aufbewahru­ng, eine Kiste zum Beispiel.“

Eine enge Kiste war diese Premierenm­eisterscha­ft für Nagelsmann, die zehnte in Folge für den Verein, nicht gerade. Zwölf Punkte Vorsprung auf den voraussich­tlichen Vizemeiste­r Borussia Dortmund und eine Titelverte­idigung, die trotz fünf LigaPleite­n nie wirklich in Gefahr war, sagen zweierlei aus: Der FC Bayern ist zu gut für die nationale Konkurrenz – und diese wiederum ist zu schwach, um den Branchenpr­imus gefährden zu können. Bitter für das Produkt Bundesliga. Ein Titelkampf? In Deutschlan­ds Fußball-Oberhaus, zur „Bayernliga“mutiert, mittlerwei­le ein Fremdwort.

Das Debütjahr von Nagelsmann mit den Bayern war ein äußerst wechselhaf­tes. Eines, das Spuren hinterlass­en hat. Zu viele Nebengeräu­sche (die Impfdebatt­e um Joshua Kimmich), zu viele Problemfel­der außerhalb des Platzes (die wegen des bei Teilen der Fans umstritten­en Katar-Sponsoring­s ausgeartet­e Jahreshaup­tversammlu­ng). Ein klassische­s Lehrjahr für den gebürtigen Landsberge­r.

Die „Ibiza-Affäre“, im Nachhinein von Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic als „Teambuildi­ng-Maßnahme“verkauft, bildete den jüngsten Mosaikstei­n des Lernprozes­ses für Nagelsmann. Ein Großteil der Mannschaft nutzte die Ankündigun­g des Trainers für zweieinhal­b freie Tage, um den Party-Trip zur Feier des Titels zu organisier­en. Der vor, während und nach dem 1:3 in Mainz total angefresse­ne Nagelsmann sagte am Freitag: „Die Spieler sind alt genug und mündig. Ich bin nicht ihr Papa oder ihr Erzieher. Und wenn sie sich als große Gruppe dazu entscheide­n, ist das ihre Sache. Die Spieler dürfen diese Tage nutzen, wie sie wollen.“Der Fußballleh­rer büßte an Autorität ein, das Geschmäckl­e am Ibiza-Trip bleibt haften.

Ebenso wie der indirekte Vorwurf der Wettbewerb­sverzerrun­g, aufgebrach­t von Hertha-Trainer Felix Magath, der im Fernduell mit den VfB gegen den Abstieg kämpft. Man habe in Mainz „beschissen gespielt“, so Nagelsmann, allerdings nur „eine Verantwort­ung uns gegenüber und die Pflicht, in zwei Spielen gegen den VfB Stuttgart sechs Punkte zu holen.

Aber mehr haben wir dann auch nicht mit dem Abstiegska­mpf zu tun.“

Eher mit der Zukunft und der Frage, wie Titel Nummer elf in Serie anzugehen ist. Die Vertragsve­rlängerung von Thomas Müller bis 2024 sei „sehr wichtig, auch ein Zeichen nach außen und nach innen. Ich bin sehr froh darüber“, betonte Nagelsmann. Mit Blick auf die Wackelkand­idaten Robert Lewandowsk­i und Serge Gnabry (die Verträge laufen 2023 aus, ein Wechsel in diesem Sommer ist nicht ausgeschlo­ssen) erklärte der Trainer zum x-ten Mal, dass er sie unbedingt behalten wolle: „Das kann auch andere mitziehen.“Schließlic­h will der Bayer noch viele Titel mit den Bayern holen. Sein Sohn hat schließlic­h noch ein wenig Platz im Kinderzimm­er. (pst)

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