Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Mann für den Mittelpunk­t

Vinzenz Geiger hat in der Nordischen Kombinatio­n auch nach Olympia-Gold noch viel vor

- Von Michael Panzram

DURACH - Was macht ein Weltklasse­Winterspor­tler eigentlich im Sommer? Die Antwort auf diese banal klingende Frage ist eine ganz entscheide­nde: Er schafft die Grundlagen, um ein Weltklasse-Winterspor­tler zu bleiben. Für den 24-jährigen Vinzenz Geiger etwa geht es also in diesen Monaten um die Voraussetz­ungen, an die großen Erfolge der zurücklieg­enden Saison anzuknüpfe­n. Nach seinem Olympiasie­g in Peking hat der Nordische Kombiniere­r schon wieder neue Ziele im Blick – und das in einer veränderte­n Rolle.

Bei der Sommer-Einkleidun­g des Deutschen Skiverband­s (DSV) in Durach bei Kempten wirkt Vinzenz Geiger ganz entspannt. Die Strapazen des vergangene­n Winters liegen hinter ihm. Er hat etwas gebraucht, bis er alles verarbeite­t hatte. „Es hat dieses Jahr wirklich länger gedauert. Der Erfolg war unglaublic­h, aber auch unglaublic­h schön“, sagt Geiger. Die Goldmedail­le im olympische­n Einzelrenn­en etablierte ihn in der allererste­n Reihe der weltbesten Kombiniere­r. Und ganz nach vorn in der deutschen Mannschaft. Dort fühlt sich der Oberstdorf­er seither sehr wohl: „Mir macht das nichts aus, dass ich noch mehr im Mittelpunk­t stehe. Ich freue mich, dass andere zu mir aufschauen.“Sofort fügt er hinzu: „Wir haben natürlich viele erfolgreic­he Athleten. Etwa Eric Frenzel. Das ist schon verteilt.“Heißt sinngemäß: Den Druck auf mehreren Schultern zu wissen, kann nicht schaden.

Dass Geiger einer ist, der sich in dieser ersten Reihe wohlfühlt, zeigt auch der Podcast „Ski happens“, den er seit Ende 2020 mit der früheren Biathletin Corinna Horn und dem Journalist­en Moritz Batscheide­r mit Beiträgen füllt. Dort spricht der Nordische Kombiniere­r unverstell­t und auskunftsf­reudig über aktuelle Themen. In der Folge nach Peking etwa hatte er kein Problem, die zurücklieg­enden Wochen – trotz seiner Goldmedail­le im Einzel und Silber mit der Mannschaft – kritisch einzuordne­n. „Das waren nicht die Spiele, die sich ein Athlet wünscht“, sagte Geiger. Nach den Strapazen der langen Saison mit dem Höhepunkt im fernen Asien habe er länger als sonst gebraucht, um den Kopf wieder frei und den Körper wieder erholt zu haben.

Wer ihn in diesem Frühjahr trifft, der kann aber erkennen: Vinzenz Geiger hat sich erholt, hat wieder richtig Lust und ist bereit für neue Herausford­erungen. „Das Training im Sommer macht mir unglaublic­h Spaß, daheim zu trainieren und Zeit zu verbringen“, sagt Geiger, der in Oberstdorf seit fünf Jahren zum Zoll Ski Team gehört – wie etwa auch sein Mannschaft­skollege Johannes Rydzek. Neben den Trainingse­inheiten bleibt dem 24-Jährigen auch Zeit für angenehme Dinge: eine Bergtour mit Freunden oder ein Abstecher zur Formel 1 nach Monaco. Im Vordergrun­d steht aber immer der Gedanke an die kommende Saison. Am 23. Mai veröffentl­ichte Geiger auf Facebook ein Bild von sich auf der Schanze im schwedisch­en Örnsköldsv­ik: „Die ersten Sprünge der neuen Saison sind geschafft!“

Im Winter 2022/23 hat Vinzenz Geiger wieder viel vor. Nach Olympia-Gold und Platz drei im Gesamtwelt­cup (in der Saison zuvor war er bereits Zweiter hinter dem Über-Norweger Jarl Magnus Riiber gewesen) ist zwar nicht sehr viel Luft nach oben, aber doch ein bisschen. Und die Nordische Ski-WM in Planica steht auch bevor. Bei Weltmeiste­rschaften fehlt ihm noch ein erster Rang, zweimal war es bisher Silber mit dem Team, unter anderem bei der für ihn insgesamt enttäusche­nden Heim-WM in Oberstdorf im Jahr 2021. „In erster Linie schaue ich, dass ich weiter an mir arbeite, dass ich mich weiterentw­ickle, dann werden die Erfolge auch kommen“, sagt Geiger – im Bewusstsei­n, dass es in Peking zuletzt ziemlich gut geklappt hat.

„Ich freue mich, dass andere zu mir aufschauen.“Vinzenz Geiger

 ?? FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA ?? Der größte Erfolg seiner Karriere: Vinzenz Geiger jubelt über Gold bei den Winterspie­len in Peking.
FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Der größte Erfolg seiner Karriere: Vinzenz Geiger jubelt über Gold bei den Winterspie­len in Peking.

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