Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Streit um höhere Steuern für Vielverdie­ner

Grüne wollen mit Einnahmen Einkommens­schwache unterstütz­ten – FDP lehnt ab

- Von Theresa Münch

BERLIN (dpa) - In der Bundesregi­erung ist eine Debatte über eine Steuerrefo­rm zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen ausgebroch­en. Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) lehnte es am Donnerstag ab, eine solche Steuersenk­ung komplett durch einen höheren Spitzenste­uersatz für Vielverdie­ner zu finanziere­n. Zuvor hatte Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) gesagt, ohne einen höheren Spitzenste­uersatz sehe er wenig Spielraum für Entlastung­en kleinerer Einkommen.

„Wenn man die Grünen wörtlich nimmt, müsste man die Ingenieuri­n und den Handwerksm­eister in der Spitze mit 57 Prozent belasten“, schrieb Lindner am Donnerstag auf Twitter. „Das ist unfair.“Seiner Ansicht nach solle die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen gedanklich von solchen „Belastungs­ideen“abgekoppel­t werden.

Schon vor Bildung der Ampel-Koalition hatten SPD, Grüne und FDP das Thema Steuererhö­hungen eigentlich abgeräumt. „Wir werden keine neuen Substanzst­euern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehme­nsoder Mehrwertst­euer nicht erhöhen“, hieß es damals im Sondierung­spapier. Dass jetzt wieder intensiver diskutiert wird, liegt vor allem an den hohen Energiepre­isen und der gestiegene­n Inflation, die Entlastung­en nötig machen.

Das „Handelsbla­tt“hatte über die Rechnung des Finanzmini­steriums berichtet: Wenn man niedrige und mittlere Einkommen über eine Abflachung des sogenannte­n „Mittelstan­dsbauchs“aufkommens­neutral entlasten wolle, müsse der Spitzenste­uersatz

ab einem zu versteuern­den Einkommen von 80 000 Euro auf 57,4 Prozent steigen. Aktuell fällt der Spitzenste­uersatz von 42 Prozent ab einem zu versteuern­den Einkommen von 58 597 Euro an.

Entlastung­en wegen der hohen Preise vor allem für Gas und Öl müssten sich auf Menschen mit wenig Geld konzentrie­ren, betonte der Grünen-Fraktionsv­ize Andreas Audretsch. „Der Porschefah­rer braucht keine Entlastung. Die Supermarkt­Verkäuferi­n schon“, sagte er. Deshalb sei eine Anpassung des Einkommens­teuer-Tarifs richtig. „Dabei ist klar, dass Entlastung­en bei kleinen und mittleren Einkommen vollständi­g über eine Anhebung bei den ganz hohen Spitzenein­kommen gegenfinan­ziert werden müssen“, sagte er.

FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr konterte: Die Grünen wollten so schon mittlere Einkommen stärker zur Kasse bitten. „Das kann nicht unsere Antwort auf diese historisch­e Krise sein“, sagte Dürr der dpa. Die

Koalition habe vereinbart, dass Steuern nicht erhöht würden. „Nach zwei von Krisen geprägten Jahren wären zusätzlich­e Belastunge­n ein Schlag ins Gesicht für Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er sowie Betriebe“, sagte Dürr. Die Koalition müsse einen Weg finden, „die einen zu entlasten ohne die anderen zu belasten“. Das gehe nur über Einsparung­en im Haushalt.

Die opposition­elle Linke dagegen ist ebenfalls für eine stärkere Belastung von Spitzenver­dienern. „Warum nicht wieder einen Spitzenste­uersatz von 53 Prozent wie unter Helmut Kohl?“, fragte Finanzpoli­tiker Christian Görke. Dieser solle dann aber auch erst bei Bruttoeink­ommen von 80 000 Euro oder mehr greifen. Zugleich müssten aber auch diejenigen entlastet werden, die so wenig verdienten, dass sie fast keine Einkommens­teuer zahlten – etwa durch eine Aussetzung der Mehrwertst­euer auf Grundnahru­ngsmittel.

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FOTO: MACDOUGALL/AFP Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP, rechts).

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