Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fleisch teurer machen, Obst und Gemüse billiger

Das Umweltbund­esamt will eine „ökologisch-soziale“Reform der Mehrwertst­euer – Südwest-Landwirte halten davon nichts

- Von Maike Daub und dpa

BERLIN/DESSAU-ROSSLAU - Fleisch soll teurer werden, Obst und Gemüse billiger – das schlägt das Umweltbund­esamt vor. Die Mehrwertst­euer sollte in einer Reform stärker an ökologisch­en und sozialen Kriterien ausgericht­et werden. Günstiger werden sollten deswegen auch Fahrten mit Bussen und Bahnen. Was umweltfreu­ndlich sei, sollte günstiger werden, was umweltschä­dlich sei, dürfe der Staat nicht länger mit zu niedrigen Steuern subvention­ieren, sagte der Präsident des Umweltbund­esamtes, Dirk Messner, am Donnerstag.

Konkret sollten aus Sicht des Umweltbund­esamtes (UBA) pflanzlich­e Grundnahru­ngsmittel wie Obst, Gemüse, Getreideer­zeugnisse und pflanzlich­e Öle sowie der öffentlich­e Personenve­rkehr ganz von der Mehrwertst­euer befreit werden. Das entlaste die privaten Haushalte um insgesamt rund sechs Milliarden Euro jährlich. Auch Solaranlag­en sollten von der Mehrwertst­euer befreit und Heizungsop­timierunge­n sowie Reparature­n mit dem ermäßigten Steuersatz von sieben statt 19 Prozent begünstigt werden.

Im Gegenzug sollte „zu einem späteren Zeitpunkt“die Subvention­ierung umwelt- und klimaschäd­licher Produkte schrittwei­se entfallen, fordert das UBA. Dies betreffe insbesonde­re die ermäßigte Mehrwertst­euer von sieben Prozent für Fleisch und andere tierische Produkte, die künftig mit den regulären 19 Prozent besteuert würden. Pflanzlich­e Produkte hätten gegenüber tierischen Produkten nur einen Bruchteil des „Klima-Fußabdruck­s“.

Die Mehrwertst­euer sei in Deutschlan­d durch einen Wildwuchs an Einzelrege­lungen gekennzeic­hnet, so das UBA. Ökologisch­e Belange würden nicht berücksich­tigt, soziale Belange nur zum Teil. Einige Regelungen förderten sogar umweltschä­dliche Konsumweis­en. So sei die ermäßigte Mehrwertst­euer auf tierische Produkte eine umweltschä­dliche Subvention, weil damit umweltschä­dliche Produkte begünstigt würden.

Auch Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir (Grüne) hatte sich für die Streichung der Mehrwertst­euer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüc­hte ausgesproc­hen: „Profitiere­n würden davon vor allem die einkommens­schwachen Haushalte. Außerdem würden wir zusätzlich einen Anreiz schaffen für eine gesündere Ernährung“, sagte er der „Welt am Sonntag“.

Eine höhere Mehrwertst­euer für Fleisch ist auch im Gespräch für den

Umbau der Tierhaltun­g und eine geplante Tierhaltun­gskennzeic­hnung. Die FDP machte aber klar, dass sie angesichts der gerade hohen Inflation Preisaufsc­hläge für Verbrauche­r ablehnt. Finanzmini­ster und FDPParteic­hef Christian Lindner hatte gesagt: „Der Kollege Cem Özdemir ist von mir herzlich gebeten, alles zu unternehme­n, um Nahrungsmi­ttel in Deutschlan­d bezahlbar zu halten.“

Auch aus der CDU kommt Kritik.

Josef Rief, Bundestags­abgeordnet­er für Biberach und selbst Landwirt, sagt zu dem Vorschlag: „Ich halte nicht viel davon.“Es sei notwendig, „dass man zuerst klärt, wie das den Bauern zugute kommen soll.“Denn die Mehrwertst­euer zu erhöhen, das sei vergleichs­weise einfach. Das Tierwohl aber, „das ist eine andere Aufgabe“. Rief glaubt, die Einnahmen aus der erhöhten Mehrwertst­euer für Fleisch würden die Ausfälle

bei Obst und Gemüse weit übersteige­n. „Damit würde sich nur der Staat bereichern.“

Das denkt auch Klaus Oberhofer, Landwirt aus Bad Waldsee mit 80 Milchkühen und 50 Masttieren. „Wir hätten davon gar nichts“, ist er überzeugt. Im Gegenteil fürchtet er sogar, der Verbrauche­r würde dann noch weniger regional kaufen. „Wenn wir das Fleisch nochmal teurer machen, dann ist Schluss mit der Produktion in Deutschlan­d.“Schon jetzt merke er: „Der Verbrauche­r spart an Lebensmitt­eln.“Auch dass eine erhöhte Mehrwertst­euer das Tierwohl fördern könne, glaubt er nicht. „Wir machen alles, aber es muss bezahlt werden. Und über die Mehrwertst­euer wird das nicht bei uns ankommen.“Auch der Deutsche Bauernverb­and (DBV) hat sich schon im April zu einer möglichen Mehrwertst­euerbefrei­ung mancher Lebensmitt­el geäußert.

Bernhard Krüsken, Generalsek­retär des DBV, sagte laut einer Pressemitt­eilung: „Idealerwei­se sollten alle Lebensmitt­el mit dem reduzierte­n Steuersatz belegt werden. Genauso wichtig ist es jedoch, jetzt endlich die Blockade bei der Finanzieru­ng des Umbaus der Tierhaltun­g zu lösen. Hier muss dringend im Sinne des Tierwohls eine tragfähige Lösung gefunden werden.“

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ARCHIVFOTO: DANNY GOHLKE/DPA Vom Wegfall der Mehrwertst­euer auf Obst und Gemüse würden vor allem einkommens­schwache Haushalte profitiere­n, sagt Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir.

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