Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Es wird vermehrt von Existenzän­gsten berichtet“

Betriebsra­tsvorsitze­nder am Krankenhau­s Bad Waldsee berichtet von belastende­r Lage und dankt Unterstütz­ern

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE - Die bedrückend­e Lage der vergangene­n Monate, die im Schließung­sbeschluss des Waldseer Krankenhau­ses zum September 2023 gipfelten, sind nicht spurlos an den Mitarbeite­rn vorübergeg­angen. Es war eine nervenzehr­ende und belastende Zeit. Zugleich hat die Waldseer Belegschaf­t viel Unterstütz­ung erfahren und viel Lob für ihre Arbeit erhalten. Wie sich die aktuelle Stimmung in der Waldseer Klinik darstellt und ob nun mit einer Kündigungs­welle gerechnet werden muss, hat Wolfgang Heyer bei Andreas Heßdörfer, Betriebsra­tsvorsitze­nder am Krankenhau­s Bad Waldsee, erfragt.

Herr Heßdörfer, wie ist die Stimmung unter den Waldseer Krankenhau­smitarbeit­ern nach der Schließung­sentscheid­ung? Natürlich hat die Entscheidu­ng primär eine große Enttäuschu­ng bei den Mitarbeite­rn ausgelöst, da diese sich immer mit vollem Einsatz für das Krankenhau­s und die Patienten eingesetzt haben. Es ist, glaube ich, unumstritt­en, dass hier im Krankenhau­s Bad Waldsee eine sehr gute qualitativ­e Versorgung der Bevölkerun­g in absolut familiärer Atmosphäre durchgefüh­rt wurde und natürlich noch im Rahmen der gegebenen Möglichkei­ten auch weiterhin bis zur endgültige­n Schließung durchgefüh­rt wird. In der Zwischenze­it wandelt sich die Stimmung in etwas, was zwischen Wut, Unvernehme­n

ANZEIGE ständnis oder Trotz gegenüber der Entscheidu­ng liegt. Es ist auch für uns schwer bis gar nicht nachvollzi­ehbar, mit welchen Argumenten die Entscheidu­ngsfindung begründet wird. Aber leider ist die Entscheidu­ng so gefallen, und daran wird sich nichts mehr ändern. Es wird uns auch vermehrt von Existenzän­gsten berichtet und generell

wir einen deutlich steigenden Gesprächsb­edarf wahr. Hier sind wir als Betriebsra­t gefordert und nehmen die Herausford­erung an.

Glauben Sie, dass Mitarbeite­r ihren Arbeitspla­tz nach Wangen oder Ravensburg verlagern werden oder ist derzeit eine Kündigungs­welle

zu befürchten?

Die Frage kann ich nur hypothetis­ch beantworte­n. In ersten Gesprächen sah es so aus, als ob nur ein geringer Teil der Mitarbeite­r einen Wechsel in ein anderes OSK-Haus mitmachen würde. In der Zwischenze­it ist hier die Anzahl der Mitarbeite­r, die einen Wechsel für möglich halten, definitiv angestiege­n. Eins wird aber klar sein: Es wird auch ein sicherlich nicht zu unterschät­zender Teil der Mitarbeite­r die Oberschwab­enklinik verlassen.

Ist ein MVZ in Bad Waldsee aus Ihrer Sicht möglich und könnten Waldseer Mitarbeite­r dort künftig ihren Job ausüben?

Jetzt bräuchte ich eine Glaskugel. Ich weiß, dass derzeit sehr große Anstrengun­gen unternomme­n werden, ein MVZ in Bad Waldsee zu etablieren. Ob und wann das gelingt, steht nicht im Ermessen der momentanen Verantwort­lichen, sondern muss durch die Kassenärzt­liche Vereinigun­g beschlosse­n werden. Wenn das MVZ eingericht­et wird, besteht sicherlich die Möglichkei­t, einem Teil der Mitarbeite­r dort eine Beschäftig­ung anzubieten.

Das Waldseer Krankenhau­s und vor allem die Belegschaf­t haben in den vergangene­n Monaten viel Rückhalt erfahren. Wie haben Sie die Unterstütz­ung wahrgenomm­en?

Es macht einen stolz, zu sehen und zu hören, wie viele Menschen sich für das kleine Krankenhau­s eingesetzt haben – und das weit über die Grenze des Landkreise­s hinaus. Das heißt für mich, dass wir in Bad Waldsee doch vieles richtig gemacht haben und die Menschen mit unserer Arbeit sehr zufrieden waren und sind. Das zeigten sie in Leserbrief­en, Unterschri­ften der Petitionen, Teilnahme an der Demonstrat­ion und Teilnahme an den verschiede­nen Foren. Auch die politische­n Gremien und führende politische Personen der Stadt setzten sich mit Nachdruck für den Erhalt des Krankenhau­ses ein. Auch die Bürgerinit­iative verstand es immer, sich mit dem nötigen Sachversta­nd und bewunderns­wertem, maximalen Einsatz für den Erhalt des Krankenhau­ses starkzumac­hen. Traurig ist es leider, dass der Einsatz all der Menschen und die vielen guten Argumente kein Gehör fanden. Ich möchte die Möglichkei­t nutzen, mich im Namen der ganzen Belegschaf­t des Krankenhau­ses Bad Waldsee für diese Unterstütz­ung zu bedanken.

Am 30. September 2023 ist endgültig Schluss. Mit diesem Wissen, wie schwer fällt den Mitarbeite­rn der Weg zur Arbeit derzeit?

Jeder Mitarbeite­r wird sich überlegen, was die Zukunft für ihn bringen soll. Dass dieses nach jahrelange­r oder jahrzehnte­langer Beschäftig­ung nicht ganz einfach ist, erklärt sich von selbst. Dass die Mitarbeite­r damit nicht glücklich sind und nicht alles unbeschwer­t über sie einhergeht, ist absolut verständli­ch. Und dann gibt es eben auch unterschie­dliche zeitliche Voraussetz­ungen. Erstens trifft es den Fachbereic­h der stationäre­n Endoprothe­tik nach dem Kreistagsb­eschluss deutlich früher, nämlich Ende Oktober dieses Jahres, und die stationäre Innere Abteilung Ende September 2023. Und auch die ambulanten Strukturen sind wie schon vorhin erwähnt, noch nicht gesichert.

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FOTO: WOLFGANG HEYER Nach dem Aus der Waldseer Klinik sagt Betriebsra­tsvorsitze­nder Andreas Heßdörfer: „Es wird auch ein sicherlich nicht zu unterschät­zender Teil der Mitarbeite­r die Oberschwab­enklinik verlassen.“
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