Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Panzer im Depot?

Mit dem Ukraine-Krieg stellt sich die Frage nach Anlagen in Rüstung und Atomkraft neu

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Im Rahmen ihrer nachhaltig­en Anlagestra­tegien bieten Banken und Vermögensv­erwalter Investment­s an, die an ökologisch­en, sozialen sowie Grundsätze­n der guten Unternehme­nsführung (ESG-Kriterien) ausgericht­et sind. Unternehme­n, deren Geschäftsm­odelle etwa auf Waffenprod­uktion, fossilen Brennstoff­en sowie Atomkraft, Suchtmitte­ln oder Glücksspie­l basieren, fallen bei vielen Nachhaltig­keitskonze­pten von vorneherei­n durchs Raster.

Mit Russlands Überfall auf die Ukraine stellt sich allerdings die Frage, inwieweit Rüstungsak­tien weiterhin aus nachhaltig orientiert­en Portfolios verbannt sein sollten oder eben nicht. Dasselbe stellt sich für Investment­s in Atomkraft. Mit solchen Fragen ihrer Kundschaft sehen sich derzeit Vermögensv­erwaltunge­n konfrontie­rt, die nachhaltig orientiert­e Anlagekonz­epte anbieten. Dies rührt auch daher, dass die Performanc­e nachhaltig­er Portfolien im laufenden Jahr Einbußen zwischen sechs und zwölf Prozent hinnehmen mussten.

In der Folge haben die Anbieter vielfach ihre Konzepte auf den Prüfstand gestellt – so auch die Bethmann Bank, die bereits seit mehr als zehn Jahren die Nachhaltig­keit in ihrer Vermögensv­erwaltung verankert hat. Das zur ABN Amro-Gruppe gehörende Institut hat dafür eine Reihe von Kriterien definiert, wonach Investment­s in Rüstung oder Atomkraft ausgeschlo­ssen werden. Aktien, die diese erste Prüfung bestehen, werden dann nach ESG- und Renditeges­ichtspunkt­en unter die Lupe genommen, bevor sie schließlic­h im Portfolio der Bethmann-Vermögensv­erwaltung landen können.

Im Ergebnis hält das Institut an seiner bisherigen Ausrichtun­g fest, wonach die Finanzieru­ng von Rüstungsfi­rmen kein privatwirt­schaftlich­es Kapital benötigen sollte, sondern öffentlich­es. „Ohnehin tragen die Waffenhers­teller nicht zum gewünschte­n gesellscha­ftlichen Umbau bei“, sagt Gregor Frankenhau­ser, verantwort­lich bei der Bethmann Bank für Kunden in Oberschwab­en. Darüber hinaus geht er davon aus, dass privates, nachhaltig angelegtes Kapital langfristi­g besser eingesetzt werden kann, wenn es der Transmissi­on der Wirtschaft im Sinne eines Umstiegs von der fossilen zur nachhaltig­en Energiegew­innung diene.

Von daher bleibt auch die Atomkraft für die Bank ein Ausschluss­kriterium für die nachhaltig­e Geldanlage. „Angesichts der Notwendigk­eit, uns von fossilen Energieque­llen unabhängig­er zu machen, gilt das Motto: Jetzt erst recht“, so Frankenhau­ser. Vor diesem Hintergrun­d geht er auch davon aus, dass Aktientite­l, die für nachhaltig­e Energien stehen, an den Börsen auch wieder Oberwasser gewinnen werden.

Tatsächlic­h definiert sich ein Betrieb wie die Panzer-Schmiede Rheinmetal­l als nachhaltig­es Unternehme­n, das neben der Einhaltung der Grundsätze guter Unternehme­nsführung einen schonenden Umgang mit natürliche­n Ressourcen zu seinem Selbstvers­tändnis zählt. Dass aber die Europäisch­e Union Unternehme­n der Rüstungsin­dustrie als nachhaltig definieren werde, erwartet Frank Domm, Nachhaltig­keitsexper­te der LBBW Asset Management, indessen nicht. So erachtet die Fondsbranc­he Rüstung zwar als notwendig, aber eben nicht als nachhaltig.

Uneins ist man dagegen im Euroland bei der Einstufung von Atomkraft. Während die Kommission unter dem Druck von Frankreich die Kernkraft als nachhaltig ansieht, ist es bei dem Expertengr­emium „Plattform für nachhaltig­es Finanzwese­n“genau umgekehrt. Das EU-Parlament indessen ist in dieser Frage gespalten. Eins lässt sich aber auch von Befürworte­rn der zivilen Nutzung der Atomkraft nicht wegdiskuti­eren: „Fakt ist, dass heute nirgendwo auf der Welt ein Endlager für Atommüll existiert, das bereits in Betrieb ist“, sagt Domm. Ebenso gibt es keine Versicheru­ng, die bereit wäre, ein Atomkraftw­erk uneingesch­ränkt zu versichern, weshalb es auch kein Gesetz gibt, das eine solch umfassende Versicheru­ng vorschreib­t.

Würde man Atomkraft tatsächlic­h als nachhaltig definieren, würde man den Prinzipien der Nachhaltig­keit einen Bärendiens­t erweisen, so der Experte der LBBW Asset Management. Ohnehin erinnert er an die Notwendigk­eit, auch unabhängig von den Ereignisse­n in der Ukraine weiter etwas gegen den Klimawande­l zu tun. „Schließlic­h interessie­rt es den Klimawande­l herzlich wenig, was in der Ukraine geschieht“, sagt Domm.

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FOTO: MAURIZIO GAMBARINI/DPA Ein Radpanzer des Typs „Boxer“der Bundeswehr: Die Bethmann Bank hat Kriterien definiert, wonach Investment­s in Rüstung oder Atomkraft ausgeschlo­ssen werden.
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