Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Berlin diskutiert über Sicherheit am Ku’damm
Ermittlungen zu Tathergang und Gesundheitszustand des Beschuldigten gehen in Kleinarbeit weiter
BERLIN (dpa) - Die Ermittlungen zu der Todesfahrt am Ku'damm in Berlin werden nach Angaben der Staatsanwaltschaft umfangreich gestaltet und einige Zeit in Anspruch nehmen. Der 29 Jahre alte Fahrer hat bislang keine Angaben zur Tat gemacht. Er befindet sich auf Antrag der Staatsanwaltschaft in einem psychiatrischen Krankenhaus. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat eine psychische Erkrankung des Mannes zu der Todesfahrt geführt, bei der eine Frau getötet und mehr als 30 Menschen verletzt wurden. Bereits zuvor ist der Mann mehrfach psychologisch auffällig gewesen.
Der sozialpsychiatrische Dienst des Bezirkes Charlottenburg-Wilmersdorf habe seit 2014 mehrfach eingreifen müssen, sagte der Bezirksstadtrat für Jugend und Gesundheit, Detlef Wagner (CDU). Das letzte Mal sei dies Anfang 2020 der Fall gewesen. Eine konkrete Anzahl der Einsätze nannte Wagner mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht.
Nach RBB-Informationen ist der Deutsch-Armenier 2020 an eine psychiatrische Klinik überstellt worden, wo eine Einweisung geprüft werden sollte. Was dann geschah, ist nicht bekannt. „Wir sind immer die Erstintervenierenden“, erklärte Wagner. „Danach sind wir raus.“Dies sei auch im Fall des 29-Jährigen so. Nach 2020 gebe es keine weiteren Eintragungen.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Mord in einem Fall und versuchten Mord in 17 Fällen vor. Er war am Mittwoch auf dem Ku'damm und der Tauentzienstraße in zwei Menschengruppen gefahren. Besonders getroffen von der Tat ist eine Schulklasse aus dem hessischen Bad Arolsen.
Die Lehrerin starb, ein Lehrer und sieben Schüler kamen mit schweren Verletzungen in Krankenhäuser, weitere Menschen wurden verletzt.
Nun gilt es, den Tathergang zu rekonstruieren und den Gesundheitszustand des Beschuldigten zu beleuchten. Hierzu sollen Sachverständige – sowohl für die psychiatrische Expertise als auch für den Hergang des Geschehens – beauftragt und Zeugen vernommen werden. Auch Handyvideos und -fotos sowie Aufnahmen von Videokameras sollen helfen. Über den Umfang des Materials machte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft zunächst keine Angaben.
Unterdessen ist in der Hauptstadt erneut eine Diskussion entbrannt um die Gestaltung des Areals rund um Ku'damm und Gedächtniskirche. 2016 war dort ein islamistischer Attentäter auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gefahren. Rund um den Platz wurden danach schwere Absperrungen aufgestellt. Genau gegenüber ereignete sich nun die tödliche Autofahrt.
Der Bezirk will dort nun Pläne für reduzierten Autoverkehr schnell umsetzen. Auf beiden Seiten des Breitscheidplatzes sollten Autospuren entfernt oder umgelenkt werden, um eine direkte und gerade Fahrt in Richtung des Platzes zu verhindern, sagte die Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch (Grüne).
Kritik kam von der Berliner CDU. Der Vorfall dürfe nicht für eine „ideologische Verkehrspolitik“missbraucht werden, hieß es in einer Mitteilung. „Die Tränen der Opfer sind noch nicht getrocknet, da wollen die Grünen im Bezirk aus der entsetzlichen Amokfahrt politisches Kapital schlagen“, so der verkehrspolitische Sprecher Oliver Friederici.