Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Start-up will Minihäuser aus Silos bauen
Das erste Haus soll schon im September in Vogt-Grund stehen
VOGT - Die Politik verhandelt über Bauen mit möglichst wenig Flächenversiegelung, er will es schon jetzt angehen: Armin Claar ist Bauingenieur mit über 30 Jahren Erfahrung und möchte mit seinem Start-up „upTrulli“aus alten Silos Minihäuser bauen.
Das erste Haus soll schon im September auf dem idyllisch gelegenen Hof Linz in Vogt-Grund stehen.
Eigentlich wollte Claar nur mal eben vor einer Dorfkapelle halten. Es ist Herbst im Jahr 2020. Als er aussteigt, fällt sein Blick jedoch auf den alten Hof, der direkt gegenüber steht. Er sieht ein altes Bauernhaus mit Fensterläden, die schon etwas schief hingen und an Farbe verloren haben. Zum Haus gehören auch ein Stadel sowie eine Lagerhalle – der ideale Ort, altes Holz für seine Restaurierungsarbeiten zu lagern, denkt sich Claar. Was er in dem Moment noch nicht weiß: Hier in Grund zwischen Vogt und Wolfegg soll einmal der erste „upTrulli“gebaut werden.
Die Idee, Häuser aus Silos zu bauen, kommt Claar ein paar Monate später. Auf seinen Fahrten durch die Gegend nimmt er immer mehr alte landwirtschaftliche Betriebe wahr. Oftmals direkt daneben stehen Silos, die nicht mehr genutzt werden. „Aus denen könnte man noch was machen“, meint der 64-Jährige. Ein befreundeter Architekt bringt die Idee schließlich auf Papier. In enger Zusammenarbeit entstehen fünf Typen der Silohäuser in unterschiedlichen Größen, auch „upTrulli“genannt. Der Plan: Ein oder zwei Holzsilos mit Höhen von bis zu sieben Metern werden durch Anbauten aus Vollholz ergänzt. Sie sollen ihren zwei bis vier Bewohnern einmal Wohnfläche von 45 bis 125 Quadratmetern bieten. Die Inneneinrichtung soll kompakt und intelligent gestaltet werden wie bei sogenannten Tiny Houses. Das Team wächst um Irmgard Joos, die die Geschäfte des Start-ups führt. Im Sommer 2021 gründen sie „upTrulli“mit Sitz in Bodnegg.
Trulli werden die Rundhäuser in der italienischen Region Apulien genannt. Sie sind bekannt für ihre weißen Fassaden und die kegelförmigen Steindächer. Das „up“im Namen des Start-ups kommt von Upcycling. Dabei werden scheinbar nutzlose Stoffe für neue Produkte genutzt. Auch das Unternehmen möchte so viel altes Material wie möglich für den Bau der oberschwäbischen Trulli wieder verwenden.
Silos seien aus einem stabilen Material gefertigt wie beispielsweise Beton oder Holz. Sie hätten zum Teil 30 bis 40 Jahre gestanden. „Warum soll etwas, wenn es in Ordnung und schadstofffrei ist, nicht noch weiterhin gute Dienste leisten“, sagt Claar. Doch der Abbau eines Silos sei nicht einfach – besonders dann, wenn sie recht hoch sind. „Das bedarf eines gewissen Geschickes“, so Claar.
Der Geruch des Silos ist durch jahrelangem Leerstand verloren gegangen, sagt Claar. Außerdem werden die Silos nach dem Abbau gereinigt.
Vor die Innenwand sollen Lehmsteine vorgemauert und mit einer eingeputzten Wandheizung versehen werden. Wichtig sei dabei, dass die Materialien miteinander harmonieren und aus einem natürlichen Stoffkreislauf stammen. „Wir werden keine Kunststofffenster einbauen. Das würde unserer Philosophie widersprechen“, erklärt er.
„Wir versiegeln keine Flächen“, sagt Claar. Deshalb sollen die Silohäuser mit sogenannten Schraubfundamenten im Boden verankert werden. Diese würden einfach in die Erde gedreht. Somit brauche es auch keine Baugrube. Regenwasser könne unter den Gebäuden durchlaufen und versickern. Kleinlebewesen würde Schutz geboten. Wasser- und Stromleitungen sowie Glasfaserkabel würden in einem schmalen Graben zum Gebäude verlegt.
Wie der Trulli mit Energie versorgt werde, hänge vom Standort ab, sagt Claar. Grundsätzlich setze man hierbei auf die Sonne, sagt er. In einem Neubaugebiet würde sich zum Beispiel eine zentrale Versorgungsstation über erneuerbare Energien eignen, mit der gleich mehrere Häuser versorgt werden könnten. Das sei ressourcenschonend und würde die laufenden Kosten des Einzelnen reduzieren.
„Wir werden nicht alle Gewerke übernehmen“, sagt Claar. Das Unternehmen werde in erster Linie die
Planung sowie den Bauantrag übernehmen, das Grundgerüst bauen und für die Materialien sorgen. Für alle weitere Tätigkeiten wolle das Startup mit regionalen Handwerksbetrieben zusammenarbeiten und junge Selbstständige mit ins Team nehmen. „Ich möchte mein gesammeltes Wissen aus dem gesunden Wohnungsbau weitergeben“, sagt er.
Mit dem Hof Linz in Grund hat das Start-up einen Ort gefunden, an dem sie die gesammelten Materialien lagern können. Nach seinem ersten Besuch auf dem Hof, stellte Claar Kontakt zur Besitzerin her. Marianne Linz lebt alleine auf dem Hof. Sie wohnt in dem angrenzenden Neubau aus den 1970er-Jahren. Dem jungen Unternehmen verpachtet sie einen Großteil ihres Grundstückes. Linz sei froh um die neuen Nachbarn. Sie werde immer älter und schaffe die Arbeit nicht mehr, die trotz des stillgelegten Betriebes anfalle, sagt die 68-Jährige. „In dem denkmalgeschützten Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert könnte sogar irgendwann neuer Wohnraum entstehen“, träumt Claar. Dieses stehe seit rund 50 Jahren leer. Auch die alte Mosterei werde nicht mehr genutzt. In dieser sieht der Bauingenieur Potenzial für eine schöne kleine zweistöckige Wohnung.
Auf dem Linzhof soll schon Mitte September das erste Musterhaus von „upTrulli“stehen. An einem Tag der offenen Tür sollen Interessierte das Haus, während der Innenausbau noch zugange ist, besichtigen können. Der Plan hänge aber noch von der Genehmigung ab.