Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die FIFA hat die Fans um ein Sommermärchen betrogen
Damit wir uns direkt richtig verstehen: Ich bin einer dieser Menschen, die der WinterWM nicht nur Schlechtes abgewinnen können. Eine Winterpause habe ich noch nie gebraucht. Wenn man schon zu Hause sitzt, dann kann durchaus auch Fußball im Fernsehen laufen. Doch da wären wir genau an dem größten Kritikpunkt des Glühwein-Turniers: Eine EM, eine WM ist eben kein Spektakel, das man still und stoisch allein am TV verfolgen möchte. Selbst wer nicht der Typ Mensch zum riesigen Rudelgucken ist, der schaut doch die Kracherspiele gern mit Freunden zusammen. Deutschland gegen Spanien? Kommt vorbei, ich schmeiß den Grill an! England gegen Italien? Wir haben zwar eine Feier, aber ich stelle einen Fernseher raus! Genau solche Momente machen doch ein Großturnier aus. Zusammen mit dem deutschen Team mitfiebern, mit wildfremden Menschen im Biergarten ins Gespräch kommen und über die Aufstellung meckern, gemeinschaftlicher Jubel und ein Toooor-Schrei aus vielen Kehlen – alls das hat uns die FIFA in diesem Jahr genommen und verdirbt allen Fans nach der Corona-EM im Vorjahr das nächste Großereignis. Stattdessen herrscht zweieinhalb Monate gähnende FußballLangeweile – und nein, ich habe die vier Nations-League-Spiele nicht vergessen. Wo wir gerade beim Thema Corona waren: Aktuell wären die Chancen auf ein normales Fanerlebnis während der WM so hoch wie nie lange nicht. Im Winter könnte es dagegen sein, dass wieder unfreiwilliges Sologucken angesagt ist. Danke FIFA.
Keine Frage, auch mir wäre eine Sommer-WM viel lieber als Winterspiele in einem Wüstenstaat. Fanmeilen, Autokorsos, gemeinsame Grillfeste – all das ist während einer Winter-WM nur schwer vorstellbar. Dennoch: Ein weitgehend fußballfreier Sommer hat auch viele Vorteile. Nach zwei Jahren unter Corona-Einschränkungen haben wir endlich wieder alle Freiheiten. Urlaub mit der Familie, Geburtstagsfeiern, Freunde treffen, endlich wieder Volksfeste besuchen – das gilt es zu genießen. Nach zwei Jahren Pause hat man sich dabei sicher viel zu erzählen, parallel in einen Bildschirm zu starren, um ein ein Fußballspiel zu sehen, würde nur stören. Und für diejenigen, die dennoch nicht darauf verzichten möchten, gibt es eine attraktive Alternative. Vom 6. bis 31. Juli findet in England die Fußball-EM der Frauen statt. Mit den leider immer noch sehr verbreiteten Vorurteilen vom langsamen, zweikampflosen Rumpelfußball hat das schon lange nichts mehr zu tun. Und Deutschland möchte um den Titel mitspielen.
Von solchen Träumen ist die Männer-Auswahl aktuell weit entfernt. In der Form, wie sich das DFBTeam momentan in der Nations League präsentiert, wäre es nur ein kurzes WM-Abenteuer geworden. An ein Sommermärchen ist nicht zu denken. So sollten zumindest die deutschen Fans froh sein, dass ihre Nationalmannschaft noch ein halbes Jahr zusätzlich zur Vorbereitung bekommt – um uns dann im November und Dezember hoffentlich ein Wintermärchen zu schenken. Bis dahin heißt es: Sommer genießen und ab in den Biergarten.
„All die schönen Fanfreuden fallen weg.“Von Felix Alex
„Die DFB-Elf ist eh noch nicht in WM-Form.“Von Martin Deck