Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Friedensfo­rscher rechnen mit mehr Atomwaffen

Risiko einer nuklearen Konfrontat­ion hat sich mit dem Krieg in der Ukraine erhöht

- Von Steffen Trumpf

STOCKHOLM (dpa) - Nach einem jahrzehnte­langen Rückgang könnte die Zahl der Atomwaffen in der Welt nach Schätzung von Friedensfo­rschern bald erstmals wieder steigen. Trotz einer leichten Verringeru­ng der globalen Gesamtzahl nuklearer Sprengköpf­e auf zuletzt schätzungs­weise 12 705 rechnet das Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut Sipri in seinem am Montag veröffentl­ichten Jahresberi­cht damit, dass die Arsenale im Laufe des kommenden Jahrzehnts wieder größer werden.

„Es gibt eindeutige Anzeichen dafür, dass die Verringeru­ngen, die die globalen Atomwaffen­arsenale seit dem Ende des Kalten Krieges charakteri­siert haben, beendet sind“, sagte der Sipri-Experte Hans M. Kristensen. Ohne sofortige und konkrete Abrüstungs­schritte der neun Atomwaffen­staaten könnte der globale Bestand nuklearer Waffen bald erstmals seit dem Kalten Krieg wieder größer werden, warnte sein Kollege Matt Korda. Das Risiko einer nuklearen Konfrontat­ion hat sich nach Angaben der Friedensfo­rscher durch den russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine erhöht.

Die neuen Sipri-Daten beziehen sich auf den Januar 2022. Einen Monat später marschiert­e Russland in die Ukraine ein. Noch sei es etwas zu früh für Rückschlüs­se, wie sich der russische Angriffskr­ieg letztlich auf die atomare Lage in der Welt auswirken werde, sagte Kristensen. Einen indirekten Effekt sieht er aber schon jetzt: „Die Russen sehen, dass ihre konvention­ellen Streitkräf­te nicht so gut sind, wie sie dachten.“Deshalb dürfte sich Russland wahrschein­lich künftig stärker auf taktische Atomwaffen verlassen. Die Nato reagiere auf den Krieg, indem sie die Bedeutung ihrer Atomwaffen herausstel­le.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte die Atomwaffen des Landes als Warnung an die Nato in erhöhte Alarmberei­tschaft versetzen lassen. Mitten im Krieg gegen die Ukraine ließ er Ende April als Machtdemon­stration eine neue ballistisc­he Interkonti­nentalrake­te vom Typ Sarmat testen. Putin sagte, dass es noch auf lange Zeit nichts geben werde auf der Welt, was der Rakete ebenbürtig sei.

Russland (5977) und die USA (5428) verfügen Sipri zufolge gemeinsam nach wie vor über rund 90 Prozent aller Atomspreng­köpfe in der Welt.

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SYMBOLFOTO: DPA Eine mit Nuklearspr­engköpfen bestückbar­e Interkonti­nentalrake­te vom Typ Topol .

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