Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Corona als Schub für Kultur unter freiem Himmel
Zum Teil aus der Not geborene Formate bewähren sich – Hirschgrabenfestival bekommt letzten Versuch
RAVENSBURG (len) - Während der Pandemie wurden Kulturformate umgemodelt und oft an die frische Luft verlegt. Solche aus der Not geborenen Formate bleiben jetzt erhalten und bescheren Ravensburg einen belebten Sommer.
Eine lange Sommerpause im Kulturbetrieb ist passé, sagt Kulturamtsleiterin Verena Müller. „Es gibt durch Corona einen Trend hin zur OpenAir-Kultur“, so Müller. „Die Veranstalter mussten erfinderisch werden, als die Corona-Schutzmaßnahmen nachließen.“Sie schätze sehr, dass verschiedene Akteure sich für das Bespielen der Stadt entschieden hätten. Alle Veranstaltungen unter freiem Himmel habe die Stadt zusammengeführt unter www.ravensburg.de/openair.
Das Stadtorchester hat seine Auftritte im Freien ausgeweitet. Nach einem Konzert am Marienplatz stehe noch die Sommermusik an, statt zweier Termine stehen nun fünf auf dem Plan: Neben Flappach (25. Juni) gebe es dieses Jahr zwei Termine auf der Veitsburg (7. und 13. Juli), einen Auftritt am Heilig-Geist-Spital (20. Juli) und am 3. August mit der BigBand auf dem Gespinstmarkt.
Ab 2. Juli spielt außerdem an jedem ersten Samstag im Monat Musik in der Stadt, die Organisation laufe aber noch. Weitere Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen und Kinderveranstaltungen sind im Veranstaltungskalender der Stadt zu finden.
Das Hirschgraben-Festival ist auch eine der Corona-Ideen, von denen Müller sprach – ob es aber zur Dauereinrichtung in Ravensburg wird, muss sich 2022 erweisen. Bei der dritten Auflage der Veranstaltungsreihe in dem Park an der Stadtmauer müssten mehr Besucher als in den beiden Corona-Jahren kommen, sagt Müller, sonst könne man es nicht dauerhaft organisieren. „Für 100 Besucher machen wir es nicht zehn Jahre lang“, sagt die Kulturamtsleiterin überspitzt. „Die Acts dieses Jahr, die müssen jetzt ziehen, deshalb suchen wir noch.“
Dass die Stadt durch Kultur belebt wird, sei gerade diesen Sommer besonders wichtig. Müller sagt, sie erschrecke derzeit ab und an wegen der vielen Baustellen und Leerstände in der Altstadt. Die Baustellen seien nicht zu vermeiden. „Aber da droht Flair verloren zu gehen“, sagt sie. Sie hoffe, durch die vielen Kulturveranstaltungen ein freundliches Ambiente zu bieten und Gäste anzulocken, so Müller.
Besonders sei, dass nicht ein großer Veranstalter ein Programm auf die Beine stelle, sondern eine Vielfalt an Akteuren aus der Stadt daran beteiligt seien.
Allein beim Hirschgraben-Festival sind Zehntscheuer, der Verein Jazztime, die Buchhandlung Ravensbuch, die Stadtbücherei, das Kapuziner Kreativzentrum und vielleicht wieder das Stadtorchester dabei. Und das sind noch nicht alle, die zum Open-Air-Programm beitragen.
Für Samstag, 18. Juni, ist außerdem von Stadt und Wirtschaftsforum Ravensburg ein Straßenfest in der Eisenbahn- und Rosenstraße geplant.
Darüber hinaus wird aus den Pandemiejahren auch Pop-Up-Kunst in die Innenstadt geholt. In der Vergangenheit waren die Rathausverhüllung unter dem Titel „Big Picture“oder das Graffiti-Projekt „Blauer Bach“auf dem Asphalt des alten Gespinstmarkts gute Beispiele dafür. Ein Ort steht schon fest: Das Baugerüst an der Bauhütte in Richtung Frauentorkreuzung wird künstlerisch verhüllt.
Dieses Jahr ist das Motto der Popup-Kunst „Spielen“. Und die „Spielwiesen“für verschiedene Künstler und Kreativ-Schaffende sollen sich vor allem in der Unterstadt befinden, „weil dort so viel Leerstand ist“, erklärt Müller. Für dieses Projekt ist erneut Berhard Gögler von der GrafikDesign-Agentur „Zone für Gestaltung“Partner an der Seite des Kulturamtes. Außerdem sind weitere Gruppen und Vereine an der Planung beteiligt, was von Juli bis in den Herbst hinein an Kunst im Stadtraum zu sehen sein wird. „Bernhard Gögler ist als Partner extrem wichtig“, sagt Müller. „Er hat Enormes vollbracht in den vergangenen zwei Jahren.“
Dafür wurde Gögler kürzlich auch beim Ravensburger InnenstadtWettbewerb in der Kategorie „Volles Engagement für Ravensburg“ausgezeichnet. Die Kulturamtsleiterin lobt: „Er probiert viel aus und sieht die Winkel der Stadt, die man nutzen kann.“Im vergangenen Jahr sei die Pop-up-Kunst, für die wieder ein Budget von 40 000 Euro zur Verfügung steht, ein Erfolg gewesen. Daran will Müller mit ihren Partnern anknüpfen.