Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wer etwas vom Rathaus will, der muss aufs Amt
Digitale Dienstleisungsangebote auf Behörden kommen nur schleppend voran
RAVENSBURG - Nach wie vor ist vieles kompliziert bei bürgernahen Dienstleistungen der kommunalen Verwaltungen in Deutschland. In Ravensburg muss, wer aufs Bürgeramt will, um zum Beispiel einen neuen Personalausweis zu beantragen, vorab einen Termin vereinbaren und dann natürlich persönlich erscheinen. Andere Staaten sind da viel weiter. Aber auch den Kommunen wird das Umsetzen digitaler Angebote nicht einfach gemacht. Und manchmal wollen sie das auch nicht.
Wer die Ehre hat, als Gast der Stadt Ravensburg zu einer Veranstaltung rund ums Rutenfest eingeladen zu werden, der bekommt erst einmal Post. Die liegt nicht in der Mailbox, sondern im Briefkasten. Und die Zuoder Absage wird per Postkarte verlangt. Die muss der auserlesene Gast natürlich selbst frankieren. Es zieht sich durch. Deutschlands Behörden hängen in Europa in Sachen digitaler Angebote schwer hinterher. EU-weit steht die Bundesrepublik bei der behördlichen Digitalisierung auf Platz 17. Selbst wenn die 86-jährige Mutter ganz selbstverständlich WhatsApps schreibt und im Internet nach Bahnverbindungen sucht: Im Amtsalltag in Deutschland ist die neue Welt des Internets vielfach noch nicht angekommen.
Die „Zeit“formulierte es Anfang Juni so: Die Umstellung auf eine digitale Verwaltung sei „das größte Modernisierungsprojekt der deutschen Bürokratiegeschichte“.
Aber kommen wir zurück nach Ravensburg. Warum gibt es Einladungen zu Rutenfest-Veranstaltungen nur per Post und warum ist es nicht möglich, sich zumindest per EMail an- oder abzumelden? „Was die
Einladungen zu städtischen Veranstaltungen betrifft, sind wir momentan in einer Umstellungsphase“, sagt
Christa Kohler-Jungwirth von der städtischen Pressestelle. Es gebe zwar Überlegungen, in Zukunft mehr
Einladungen per E-Mail zu verschicken und entsprechende Online-Anmeldungen anzubieten. Aber man müsse auch berücksichtigen, „dass einige Adressaten, die der älteren Generation angehören, nach wie vor nur auf dem klassischen postalischen Weg und nicht online zu erreichen sind.“
Und dann gibt es da noch einen anderen Punkt: Eine Einladung über den Postweg gelte vielfach als wertvoller als eine per E-Mail. Christa Kohler-Jungwirth: „Bei den Einladungen für Ehrengäste zu den Veranstaltungen des Rutenfestes haben wir uns auch dieses Jahr bewusst für eine wertige Einladung per Brief entschieden – im Sinne eines stilvollen und haptischen Mittels der Repräsentation, das eine E-Mail nicht in diesem Maße ersetzen kann.“
Dennoch plane die Stadt, künftig auch eine Rückmeldung per Mail oder über ein Online-Formular anzubieten.
Das sogenannte Onlinezugangsgesetz, vor fünf Jahren vom Deutschen Bundestag beschlossen, verpflichtet die Behörden im Land, Stück um Stück alle Dienstleistungen auch online anzubieten. Doch das ist gar nicht so einfach, denn es herrscht Wildwuchs. Manchmal dürfen kommunale Behörden nicht aktiver werden, zum Beispiel weil der Datenschutz infrage gestellt wird.
Oder jede Stadt und jeder Kreis legt ein eigenes Modell auf, das mit anderen nicht kompatibel ist. Derzeit sind nur rund ein Sechstel aller Behördenleistungen in Deutschland auf dem Online-Weg zu erledigen. In Ravensburg wird diese Zahl höher angegeben, sie liegt aber auch noch bei der Schwelle von rund 50 Prozent.