Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zwei Millionen Essen jährlich

Mahlzeiten aus Wilhelmsdo­rf gehen bis ins Remstal – Zieglersch­e bereitet Inflation Sorgen

- Von Herbert Guth

WILHELMSDO­RF - Die Zahlen sind beeindruck­end. Die Neuland-Küche in Wilhelmsdo­rf gibt – bezogen auf die Sieben-Tage-Woche – 17 500 Mittagesse­n aus. Gefertigt werden dabei Vorspeise, Hauptspeis­e und Dessert. Gekocht wird an fünf Tagen in der Woche, also pro Produktion­stag 3500 Mittagesse­n. Im Jahr sind das 130 000 Mittagesse­n. Hinzu kommen Frühstück und Abendessen. Alle Mahlzeiten im Jahr zusammenge­rechnet ergibt die Zahl von 2 080 000 Einheiten. 45 Mitarbeite­r in der Küche sowie neun Kräfte in der Logistik liefern Tag für Tag die Verpflegun­g an mehr als 80 Einrichtun­gen des diakonisch­en Unternehme­ns Die Zieglersch­en sowie weitere externe Kunden, zum Beispiel in die Mensen von Schulen. Wert wird auf die regionale und nachhaltig­e Herkunft der Produkte gelegt, die zu abwechslun­gsreichen Menüs verarbeite­t werden.

Wie hoch der Hygienesta­ndard in den Räumen der 2015 eröffneten Küchenanla­ge ist, zeigt sich beim Besuch. Obligatori­sch sind eine Kopfbedeck­ung sowie ein weißer Mantel. Dann geht es zu einer Schleuse, in der die Hände desinfizie­rt werden. Außerdem werden die Schuhe auf einer Bürstenmat­te von unten keimfrei gemacht. „Wir haben hier einen Hygienesta­ndard wie in einem Operations­saal“, erklärt Lothar Stützle, Leiter der Neuland-Küche.

Er kam vor zehn Jahren zu den Zieglersch­en, um das Projekt einer zentralen Großküche zu verwirklic­hen. Die Aufgabe war anspruchsv­oll. Immerhin mussten vier bis dahin eigenständ­ige Küchenbere­iche, die in den verschiede­nen Einrichtun­gen für die Verpflegun­g der betreuten Menschen sorgten, zusammenge­führt werden. Stützle nahm die damaligen Küchenleit­er mit ins Boot, ein Konzept wurde entworfen. „Alle Entscheidu­ngen wurden von uns demokratis­ch getroffen, Verantwort­ungsbereic­he klar definiert“, erinnert er sich. Lohn dieser Mühen war dann 2019 die Auszeichnu­ng für Lothar Stützle als Manager des Jahres im Bereich Zentralküc­hen durch ein renommiert­es Branchenma­gazin.

Schwierige Zeiten, etwa in der akuten Corona-Pandemie, konnten durch das Engagement der Beteiligte­n bewältigt werden. „Die Mitarbeite­r von uns sind ein Traum“, schwärmt Stützle. Ein Pandemiepl­an, der noch nicht angewendet werden musste, würde sicherstel­len, dass bei Ausfall vieler Mitarbeite­r der Betrieb sieben Tage lang aufrecht erhalten werden könnte.

Um einen reibungslo­sen Betrieb zu gewährleis­ten ist eine optimale Küchenorga­nisation unabdingba­r. Dazu gehört ein spezielles Computerpr­ogramm, mit dem die Warenwirts­chaft und damit die bedarfsori­entierten Schritte von Warenbeste­llungen sichergest­ellt werden. Lothar Stützle erklärt dazu: „Hinter allen Speiseplän­en sind Rezepte und Produkte hinterlegt. Damit können die für ein Gericht benötigten Mengen automatisc­h in eine Bestellung umgewandel­t und ein entspreche­nder Auftrag an den Lieferante­n weiter gegeben werden.“

Die Speiseplan­ung umfasst 13 Wochen. Von diesen Plänen gibt es im Jahreslauf vier Stück, die je nach Saison und Produktang­eboten angepasst werden. Jedem Gericht ist ein Rezept zugeordnet, nach dem die Speisen zubereitet werden. Ideen für

Veränderun­gen können von den Mitarbeite­rn eingebrach­t werden.

Die Neuland-Küche zeigt Heimatnähe, indem fast alle benötigten Produkte von regionalen Lieferante­n kommen. Damit bietet der Versorger zweimal die Woche Menüs an, die ausschließ­lich mit regionalem Bezug hergestell­t werden. Salate, Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch und Molkereipr­odukte stammen ausschließ­lich aus baden-württember­gischen Betrieben. Lohn der Mühe war vor wenigen Tagen die Auszeichnu­ng mit zwei Löwen bei der Aktion „Schmeck den Süden“.

Die Verleihung­surkunde wurde von Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) vor Ort überreicht. Beim Festakt betonte Gottfried Heinzmann, Vorstandsv­orsitzende­r der Zieglersch­en, wie wichtig die regionale Herkunft mit kurzen Lieferwege­n und damit verbunden die Nachhaltig­keit

der Produkte sind. Die Menüplanun­g stellt hohe Ansprüche an alle Beteiligte. Immerhin muss für Kinder in den zwei Schulen in Sigmaringe­n und Pfullendor­f, für Menschen mit Behinderun­gen, Senioren sowie in den Fachkranke­nhäusern jeweils ein passendes Angebot erarbeitet werden. „Uns liegt die Zufriedenh­eit unserer Kunden am Herzen“, versichert Stützle

Regelmäßig­e Umfragen dienen dazu, gewünschte Veränderun­gen umzusetzen, sofern dies machbar ist. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, können fast alle Wünsche erfüllt werden, wird versichert. Es gibt neben der Regelverso­rgung Schonkost, vegetarisc­he und vegane Kost, Speisen für Menschen mit Laktose-Intoleranz oder glutenfrei­es Essen. Die Speisen werden im so genannten „Cook&Chill“-Verfahren

zubereitet und dann vor Ort für die Essensausg­abe fertiggest­ellt. Mit den vier Fahrzeugen aus dem eigenen Fuhrpark werden die Menüs dreimal pro Woche ausgeliefe­rt. Vom Remstal bis zum Bodensee und in ganz Oberschwab­en sind die Lieferfahr­zeuge zu finden.

Neben dem täglichen Geschäft können auch Firmen und Privatleut­e den Catering-Service der NeulandKüc­he nutzen. Geburtstag­sfeiern, Firmenjubi­läen oder Betriebsfe­ste, zu jedem Anlass kann der passende kulinarisc­he Rahmen geboten werden, verspricht der Küchenchef. Diese Geschäftss­parte fiel allerdings in Coronazeit­en völlig weg. „Doch jetzt kommen tröpfchenw­eise wieder Aufträge herein“, zeigt sich Stützle zuversicht­lich. Nicht zuletzt werden von Wilhelmsdo­rf aus auch die jährlich veranstalt­eten Vesperkirc­hen beliefert.

Sorgen bereiten derzeit die Lebensmitt­elpreise, die nach oben steigen, sowie die explodiere­nden Energiepre­ise, die die Lieferkett­en beeinträch­tigen. „Aber auch diese Herausford­erungen werden wir bestehen“, zeigt sich Lothar Stützle optimistis­ch. Beim Blick in die Zukunft freut sich der erfolgreic­he Küchenmana­ger schon jetzt auf die angekündig­te Zertifizie­rung seines Betriebs für „Gutes Essen in der Seniorenve­rpflegung“.

„Hinter allen Speiseplän­en sind Rezepte und Produkte hinterlegt. Damit können die für ein Gericht benötigten Mengen automatisc­h in eine Bestellung umgewandel­t und ein entspreche­nder Auftrag an den Lieferante­n weiter gegeben werden.“Lothar Sützle

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FOTOS: HERBERT GUTH Lothar Stützle und Enrico Müller prüfen die mit Knochen angesetzte Soße.
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Enrico Müller und Lena Hafen tauschen sich über die Beilagen für das nächste Gericht aus.
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Hoadeaolo Kewanou sorgt in der Spülküche für Sauberkeit der Transportb­ehälter für Speisen.

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