Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das „Judensau“-Relief hat eine wichtige Debatte angestoßen

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Die „Judensau“an der Stadtkirch­e Wittenberg darf bleiben. Dieses Urteil des Bundesgeri­chtshofs in dem seit Jahren dauernden Rechtsstre­it mag für den Kläger Dietrich Düllmann enttäusche­nd sein. Doch wenn er sich nun an das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe wendet, ist es für die Sache umso besser.

Der von ihm geführte Kampf gegen das judenfeind­liche Relief, von denen es in Deutschlan­d noch Dutzende gibt, hat wichtige gesellscha­ftliche Debatten angestoßen – und so bleiben sie am Laufen. Die christlich­en Kirchen müssen sich damit beschäftig­ten, wie sie mit Zeugnissen ihrer jahrhunder­telangen Judenfeind­lichkeit umgehen. Auch Vertreter der jüdischen Gemeinde reiben sich an der Frage, ob eine dermaßen beleidigen­de Skulptur als Stachel im Fleisch der Gesellscha­ft öffentlich gezeigt werden soll – oder ins Museum gehört. Die „Judensau“ steht in diesem Sinne für die derzeitige­n Kontrovers­en um Straßennam­en, Denkmale und Begriffe, die politisch belastet oder aus der Zeit gefallen sind. Wenn darüber auch in der Schule, im Kollegenkr­eis und im Turnverein diskutiert wird, bringt dies mehr als Sonntagsre­den über Toleranz und Antidiskri­minierung.

In einem Punkt ist das Urteil des Bundesgeri­chtshofs allerdings enttäusche­nd: Dass eine Bodenplatt­e mit einem verschwurb­elten Spruch und ein Aufsteller mit wenigen Sätzen ausreichen sollen, um aus einem „Schandmal“ein „Mahnmal“zu machen, ist nicht nachvollzi­ehbar. Die Wittenberg­er mögen gerichtlic­h mit ihrer Distanzier­ung von der „Judensau“durchgekom­men sein, doch es bleibt eine Schmalspur-Einordnung. Dieses Missstands sollte sich die Kirchengem­einde annehmen – auch ohne richterlic­hen Auftrag.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany