Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Experten sind gegen eine vierte Corona-Impfung

Steigende Corona-Neuinfekti­onen führen zu Debatten über Bürgertest­s, Testzentre­n und den zweiten Booster

- Von Hajo Zenker

BERLIN - Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) wirbt dafür, dass sich möglichst viele Menschen eine vierte Impfung verabreich­en lassen. Der grüne Gesundheit­spolitiker Janosch Dahmen fordert die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) auf, ihre Haltung zu überprüfen und die Empfehlung „gegebenenf­alls rechtzeiti­g auszuweite­n“. Die Stiko nämlich empfiehlt die vierte Impfung allen Bürgern ab 70 Jahren, Menschen mit Immunschwä­che und Beschäftig­ten in Medizin und Pflege.

Experten aber widersprec­hen der Politik. Der Virologe Christian Drosten geht davon aus, dass die Kombinatio­n aus drei Impfdosen und einoder mehrmalige­r Infektion zur bestmöglic­hen Immunität führt. Auch der Virologe Klaus Stöhr sagt, dass ein lang anhaltende­r Schutz erst durch eine Infektion aufgebaut werde. Christine Falk, Präsidenti­n der Gesellscha­ft für Immunologi­e, sieht wie der Pharmakolo­ge Bernd Mühlbauer kaum einen Nutzen einer vierten Impfung für den Großteil der Bevölkerun­g. Zahlen aus Israel hatten gezeigt, dass es bei gesunden Erwachsene­n

nur einen „geringfügi­gen Nutzen“gibt.

Die kostenlose­n Schnelltes­ts laufen am 30. Juni aus – nach derzeitige­m Stand. Für den Sozialverb­and VdK ist das inakzeptab­el, man solle die Bürgertest­s bis in den Winter verlängern. Der Verband der Akkreditie­rten Labore in der Medizin hält kostenlose Tests vor Heimen und Kliniken für nötig, begrüßt sonst aber das Ende der Bürgertest­s und schlägt stattdesse­n Gutscheine für „kostengüns­tige“Selbsttest­s vor, die man in Apotheken einlösen kann. Wie es konkret weitergeht, darüber denkt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium noch nach.

Der Hausärztev­erband hat sich für die vorübergeh­ende Schließung der Impfzentre­n im Sommer ausgesproc­hen, denn diese stünden „deutschlan­dweit leer“, sagte Präsident Ulrich Weigeldt. Für den Patientenb­eauftragte­n der Bundesregi­erung, Stefan Schwartze, ist es dagegen keine gute Idee, die Strukturen zurückzufa­hren und im Herbst wieder neu zu starten. Der Bund hat pro Monat bis zu 100 Millionen Euro zugesagt, um die Länder bei der Finanzieru­ng der Impfzentre­n zu unterstütz­en.

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