Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Pop-Genie für viele Generation­en

Ex-Beatle Sir Paul McCartney feiert seinen 80. Geburtstag zwischen zwei großen Auftritten

- Von Werner Herpell

BERLIN (dpa) - Im genialen Songschrei­ber-Duo der Beatles ist er die Nummer zwei: Lennon/McCartney – genau in dieser Reihenfolg­e hat sich, trotz einiger Anfechtung­en, der Markenname für die erfolg- und einflussre­ichste Partnersch­aft im Pop gehalten. Dazu passt die Rangordnun­g vieler Experten, Musikerkol­legen und Beatles-Fans: vorn der 1980 mit nur 40 Jahren ermordete John Lennon, der kühne, rotzige, exzentrisc­he Höchstbega­bte; dahinter Paul McCartney, der charmante Beau, der Erzromanti­ker, der irgendwie biedere Fließbanda­rbeiter für schöne Songs über Liebe, Familie und „Mull of Kintyre“.

Wie wenig dieses abschätzig­e Klischee doch dem Mann gerecht wird, der an diesem Samstag bei offenkundi­g guter Gesundheit seinen 80. Geburtstag feiert. 50 Jahre lang hat Sir Paul (so sein Titel seit 1997) auch nach dem irrwitzige­n Höhenflug der Beatles, nach all den bahnbreche­nden Alben und Songperlen von „Love Me Do“über „Penny Lane“bis „Let It Be“bewiesen, dass er einer der größten Komponiste­n und Texter überhaupt ist – und zwar weit über Pop und Rock hinaus.

Knappe Rückblende ins berühmtber­üchtigte Jahr 1970: Am Split nach jener kurzen „Beatlemani­a“-Ära voller Triumphe, aber auch zunehmende­r persönlich­er Querelen hatte der Bassist, Pianist und Sänger des britischen Quartetts gewiss seinen Anteil – manche halten ihn gar für den Auslöser. Obwohl es in einem BBC-Interview vom vorigen Herbst anders klang: „Ich habe den Bruch nicht initiiert. Das war unser Johnny“, sagte der 79-Jährige und schob Lennon die Verantwort­ung zu.

Wer auch immer der berühmtest­en Band der Welt vor gut 50 Jahren nun den Todesstoß verpasste – McCartney hielt sich nicht lange mit Klagen auf. Ob mit den frühen Soloplatte­n, als Frontmann der Wings mit Ehefrau Linda (1971 bis 1981) oder danach als lebende Legende mit vielen starken Alben: Der am 18. Juni 1942 geborene Musiker hat auch als ehemaliger Beatle „geliefert“.

„Nur Paul McCartney machte unbeirrt weiter: veröffentl­ichte Platten, spielte Konzerte, stellte sich dem Zeitgeist“, schrieb kürzlich der renommiert­e Musikbuch-Autor Maik Brüggemeye­r („Schöner kann es gar nicht sein. The Beatles von 1957 bis 1970“) im Magazin „Rolling Stone“. Seit der Trennung von den Liverpool-Kumpels John Lennon, George Harrison und Ringo Starr sei Sir Paul aber auch „eine schizophre­ne Künstlerpe­rsönlichke­it“, betont Brüggemeye­r (46). „Auf der Bühne ist er der Beatle, im Studio ist er der Ex-Beatle, der in Konkurrenz tritt zu seiner eigenen Vergangenh­eit und zeigen will, dass man auch noch etwas erreichen kann, wenn man längst alles erreicht hat.“

Dabei wagte McCartney, der angeblich so brave Popsong-Handwerker, durchaus Experiment­elles – etwa im Electro-Projekt The Fireman oder als Klassik-Seiteneins­teiger. Dass ihm auch im hohen Alter noch Pop-Glanzstück­e glücken können, bewies er 2020 mit dem coronabedi­ngt im Alleingang produziert­en „Rockdown“-Album „McCartney III“. Aus den Jahrzehnte­n davor sind laut Internet-Lexikon Allmusic das rustikale „Ram“(1971), „Band On The Run“mit den Wings (1973), „Tug of War“(1982), „Flaming Pie“(1997) sowie „Chaos And Creation In The Backyard“(2005) besonders hoch einzuschät­zen.

Paul McCartney hat natürlich längst alle Ehrungen und Würden erhalten, die die (Musik-)Welt zu bieten hat – inklusive der zweifachen Aufnahme in die Rock-and-RollHall-of-Fame und einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame (die Liste würde hier viel zu lang). Allein den US-Grammy gewann er 18-mal,

„Ich habe den Bruch nicht initiiert. Das war unser Johnny“,

sagte der 79-Jährige in einem

BBC-Interview und schob Lennon die Verantwort­ung zu. bei phänomenal­en 81 Nominierun­gen. Auch in den fünf Jahrzehnte­n nach den Beatles soll er über 100 Millionen Tonträger verkauft haben.

Voriges Jahr hat McCartney endlich eine Art Autobiogra­fie vorgelegt – ein Leben in 154 Songs, mit persönlich­en Texten, Geschichte­n, privaten Fotos und Notizen. „Wenn Leute erstmal ein gewisses Alter erreicht haben, greifen sie gerne auf Tagebücher oder Terminkale­nder zurück, erinnern sich Tag für Tag an vergangene Ereignisse, aber solche Aufzeichnu­ngen habe ich nicht“, sagte er zu diesem 912-Seiten-Großprojek­t. „Was ich habe, sind meine Songs – Hunderte – und eigentlich erfüllen sie denselben Zweck.“

Auch die manchmal skeptische­n Musikkriti­ker können sich seiner

Extraklass­e nicht mehr verschließ­en: So listete der „Rolling Stone“McCartney vor fünf Jahren auf Platz zwei der 100 besten Songwriter aller Zeiten – direkt hinter Bob Dylan und noch vor John Lennon. „Sir Paul ist der größte Melodiener­finder (…), er hatte immer ein viel breiteres Spektrum als blöde Liebeslied­er“, schrieb die Zeitschrif­t in Anspielung auf den Wings-Hit „Silly Love Songs“.

Apropos Liebe: Mit der knapp ein Jahr älteren US-Fotografin Linda Eastman, die 1969 zu Frau McCartney wurde, bildete der Musiker bis zu ihrem weltweit betrauerte­n Tod 1998 ein Pop-Traumpaar. Die zweite Ehe mit dem Ex-Model Heather Mills von 2002 bis 2008 verlief unglücklic­h, seit 2011 ist Paul McCartney mit der New Yorker Geschäftsf­rau Nancy Shevell (62) verheirate­t. Aus zwei der drei Ehen hat er fünf Kinder: Heather, Mary, Stella, James und Beatrice McCartney.

Ob der Pop-Titan (hier trifft der Begriff wirklich zu) den runden Geburtstag im Kreis seiner Familie feiern kann? Die Chancen stehen gut, denn am 18. Juni hat McCartney wohl frei. Und das hoch verdient, nach sieben Wochen stressiger „Got Back“Tournee seit Ende April, mit 16 Auftritten in 13 US-Städten. Mit dann tatsächlic­h unglaublic­hen 80 Jahren folgt am 25. Juni ein neues Highlight dieser an Höhepunkte­n reichen Karriere: McCartney tritt vor rund 200 000 Besuchern als Headliner beim Glastonbur­y-Festival in England auf.

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FOTO: ROY CUMMINGS/IMAGO Die Beatles-Legenden John Lennon (rechts) und Paul McCartney im Jahr 1967 in London.
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FOTO: DPA Sir Paul McCartney wird 80.

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