Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kaffeetrin­ken ist für diesen Mann politisch

Ravensburg­er André Kirberg gewinnt Deutsche Meistersch­aft im Kaffeeröst­en – Seine Tipps für guten Kaffee

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Das Rösten von Kaffee hat André Kirberg aus Ravensburg erst vor zwei Jahren gelernt. Jetzt hat er schon die Deutsche Meistersch­aft in dieser Disziplin gewonnen. Für ihn ist Kaffeetrin­ken nicht nur Genuss, sondern auch ein politische­r Akt. Im Gespräch mit Lena Müssigmann erklärt er, ab welchem Preis er Kaffee für fair gehandelt hält und wie man das Getränk richtig zubereitet. Mit zwei einfachen Kniffen kann man da schon viel verbessern, sagt der Kaffee-Experte.

Herr Kirberg, wie trinken Sie ihren Kaffee am Morgen?

Filterkaff­ee, schwarz.

Was schmecken Sie da raus? Kaffee hat bis zu 900 wahrnehmba­re Aromen, fünf bis zwölf davon sind je Kaffee schmeckbar. Das kann zum Beispiel Blaubeere sein.

Wie viel vom Geschmack hängt von der Bohnensort­e und wie viel von der Röstung ab?

Viele Aromen sind von der Sorte und dem Anbauland abhängig. Grundsätzl­ich werden zwei Sorten kommerziel­l genutzt. Arabica, im Vergleich mit Wein wäre das der Weißwein, spritzig-elegant. Die Sorte Canephora, als Robusta bekannt, wäre der Rotwein, weil sie schwerer ist. Dann gibt es zahlreiche Varietäten, beim Wein wären das dann die Rebsorten. Der Konsument muss erst mal erkunden: Was schmeckt ihm eigentlich? In Deutschlan­d wird Kaffee eigentlich viel zu dunkel geröstet. Die Aromen bauen sich im Röstprozes­s ab. Man muss wissen, dass die Industrie auch Kaffeebohn­en verwendet, die gebrochen und nicht sauber sortiert sind. Das schmeckt man am Ende weniger, wenn man die Bohnen stark röstet. Am Ende gibt man dann Milch und Zucker dazu, um den Geschmack des Kaffees zu übertünche­n, den man nicht mag.

Was machen Sie anders, wenn Sie für Ihre Marke „Seekind“rösten? Ich mache leichte bis mittlere Röstungen. Frucht und Süße im Kaffee ist das Ziel. Übrigens schmeckt der Mensch am meisten im Bereich der Körpertemp­eratur. Einen guten Kaffee kann man auch dann noch trinken. Im Vergleich dazu ist zum Beispiel ein Tankstelle­nkaffee abgekühlt nicht mehr genießbar.

Und welche Rolle spielt die Kaffeemasc­hine oder die Zubereitun­gsart?

Die Zubereitun­g macht neben Rohkaffee und Röstung das letzte Drittel der Kaffeequal­ität aus. Ich empfehle, immer selbst zu mahlen direkt vor der Zubereitun­g. In ganz normalen Filterkaff­eemaschine­n kommt außerdem das erste Wasser oft nicht in der benötigten Temperatur auf den Kaffee. Deshalb sollte man schon warmes Wasser in die Maschine geben, kein kaltes. Außerdem würde ich immer gefilterte­s Wasser verwenden, die Härte im Wasser schadet dem Aroma. Also: Selbstgema­hlener Kaffee und gefilterte­s Wasser, das sind die einfachste­n Möglichkei­ten, um das Ergebnis zu verbessern. Aber auch der Mahlgrad ist je nach Zubereitun­gsart anders.

Wo kommt Ihre Begeisteru­ng für Kaffee her?

Ich bin von Haus aus Politikwis­senschaftl­er und habe mich viel mit der Ungerechti­gkeit in der Welt beschäftig­t. Kaffee ist immer noch ein kolonial geprägtes Produkt. Einnahmen und Gewinne sind ungleich verteilt. Und der Bauer schaut in die Röhre. Diese Problemati­k kann man durchbrech­en, indem man hochwertig­e Kaffees kauft. Ich finde, man sollte nicht nur gute Preise für den Rohkaffee zahlen, sondern den Bauern helfen.

Wie ist das möglich?

Zum Beispiel kann man ihnen helfen, ihren Nachbearbe­itungsproz­ess zu verbessern, der wichtig für die Qualität ist. Wir haben in Brasilien ein Projekt gestartet, bei dem Buschbohne­n zum Frostschut­z um die Kaffeepfla­nzensetzli­nge gepflanzt werden. Gegen zu viel Sonne werden Bäume wie Mango oder Mahagoni in die Plantagen gepflanzt, um Schatten zu spenden. Grunsätzli­ch wird die Kaf

PR−ANZEIGE feeernte weltweit durch den Klimawande­l und die Häufung von Wetterextr­emen zurückgehe­n. Ich gehe davon aus, dass es langfristi­g nur noch die Hälfte der Arabica-Ernte geben wird. Auf den Höhen in Brasilien kommt es zum Beispiel schon jetzt viel häufiger zu Frost als früher.

Aber nicht jeder kann sich einen auf diese Art fair gehandelte­n Kaffee leisten, gerade jetzt nicht, wo alles teurer wird. Findet man auch im Supermarkt qualitativ guten Kaffee?

Das ist schwierig. Unter 20 Euro pro Kilo Kaffeebohn­en zahlt immer jemand drauf, in der Regel der Bauer. Eine Regel zur Einschätzu­ng der Qualität: Je mehr Infos zum Kaffee auf der Packung stehen, etwa zum Anbaugebie­t und der Anbauhöhe, desto besser.

Zurück zu Ihrer Begeisteru­ng für Kaffee. Seit wann haben Sie die? Ich habe erst 2020 mit dem Rösten angefangen und viele Kurse, etwa in Innsbruck und Basel besucht. Das war, nachdem meine Lebens- und Geschäftsp­artnerin Levana Volk und ich das Gartencafé in Ravensburg wegen Ärger mit den Verpächter­n aufgegeben haben. Deshalb haben wir entschiede­n, stärker in das Kaffeethem­a einzusteig­en. Wir rösten in Heiligenbe­rg.

Warum machen Sie jetzt schon bei Wettbewerb­en mit?

Weil man dadurch in kurzer Zeit viel lernt und sich mit anderen austausche­n kann. Und es es für mich wichtig, um in der Szene bekannt zu werden.

Haben Sie Respekt vor der internatio­nalen Konkurrenz bei der Weltmeiste­rschaft in Mailand Ende Juni?

Die Konkurrenz wird größer, bei der Deutschen Meistersch­aft in Münster waren wir zehn, in Mailand werden es 25 Teilnehmer sein. Kaffee-Sommeliers bewerten unser Röstergebn­is. Und das ist immer auch tagesforma­bhängig. Schon 15 Sekunden können in der Röstung einen deutlichen Unterschie­d machen. Aber ich freue mich darauf.

Was ist der größte Fehlinform­ation, die über Kaffee kursiert? Kaffee ist nicht sauer. Man kann mal verschiede­ne Schritte zwischen dunklem Espresso und einem hellen Kaffee probieren. Und wie jedes Lebensmitt­el braucht er eine gewisse Zuwendung, um gut zu schmecken.

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FOTO: ANDREAS BEHR André Kirberg bei der Deutschen Meistersch­aft der Kaffeeröst­er bei der Arbeit.
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