Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mehr als 66 Euro für einen Haarschnitt
Friseure kämpfen weiter mit den Folgen der Pandemie und den aktuellen Preissteigerungen – Das bekommen auch die Kunden zu spüren
RAVENSBURG - Mehr als zwei Jahre Pandemie sind nicht spurlos an der Friseurbranche und Saloninhabern wie Dana Rödder vorbeigegangen. Vor etwa anderthalb Jahren ist sie mit ihrem Friseursalon „upStyle“in Spaichingen in ein größeres Geschäft umgezogen und hat gerade den dafür benötigten Kredit zurückbezahlt. Anstatt Rücklagen zu bilden, muss sie jetzt aber die vom Staat für den Lockdown im Frühjahr 2020 erhaltene Corona-Soforthilfe von 9000 auf einen Schlag zurückzahlen. Dabei hatte der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) versprochen, dass die Corona-Hilfen nicht zurückgezahlt werden müssen. „Das belastet mich sehr“, sagt Rödder. „Die Hilfen hätte man anders kommunizieren müssen, dann hätte ich die vielleicht gar nicht angenommen.“
Der Grund: In den Monaten nach der Lockdown-bedingten Schließung ihres Friseursalons hat Rödder einen zu guten Umsatz gemacht. „Aber das war, weil die Leute dann endlich wieder zum Friseur gehen konnten“, sagt Rödder. Die Betrachtungszeiträume, für die man das Geld beanspruchen dürfe, standen nur im „Kleingedruckten“, sagt Matthias Moser, Geschäftsführer des Fachverbands Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg. Die Soforthilfe konnte für April, Mai und Juni 2020 beantragt werden, erklärt er, geschlossen hatten die Friseurbetriebe aber schon im März, ab Mai durften sie wieder öffnen. Weil sie da also wieder Umsätze machen konnten, sollen viele die Soforthilfe nun zurückzahlen. „Es ist schlecht, dass das Land da keine Möglichkeit bietet, nachzubessern.“Bei einigen Friseuren könne es jetzt zu Rückzahlungen von bis zu 30 000 Euro kommen, so Moser.
Der Bund hatte eine mögliche Anpassung des Betrachtungszeitraums möglich gemacht, umsetzen müssen das aber die Länder. Und BadenWürttemberg hat im Mai entschieden, das sei nicht möglich. „Die nachträgliche Flexibilisierung des Betrachtungszeitraums ist aus rechtlichen Gründen leider nicht möglich, die vom Bund eingeräumte Möglichkeit trägt für uns nicht“, erklärte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut
(CDU) in einer Pressemitteilung.
Die Rückzahlungen treffen die Friseure in einer Phase, die zuletzt ohnehin nicht leicht war. Der Gesamtumsatz des Friseurhandwerks dürfte sich laut Prognosen des Statistischen Bundesamts im vergangenen Jahr auf 5,9 Milliarden Euro belaufen haben. Das wären laut dem Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks noch einmal 5,6 Prozent weniger als im ohnehin schon schlechten Jahr 2020. Damals waren die Umsätze um fast zwölf Prozent auf 6,21 Milliarden Euro eingebrochen.
Mitten in diesem Einbruch hat Salam Jämou 2021 seinen Friseursalon „JK Hairstyle“in Schemmerhofen im
Landkreis Biberach eröffnet. „Das war nicht leicht, aber wir haben durchgehalten“, sagt er. Seit dem Wegfall der Maskenpflicht spüre er deutlich, dass wieder mehr Kunden kommen. „Das ist viel besser geworden.“
Von einer Erholung für alle will Matthias Moser aber noch nicht sprechen. Viele Kunden kämen nicht mehr in die Salons, oder nur noch in größeren Abständen. Das beobachtet auch Dana Rödder in Spaichingen. „Ältere Kunden haben sich während der Pandemie auch die Farbe herauswachsen lassen und tragen jetzt grau“, sagt sie.
Schlimmer als fehlende Kunden ist für Rödder aber, dass sie nur schwer neue Mitarbeiter findet. „Viele haben sich umschulen lassen und arbeiten jetzt in anderen Branchen“, sagt sie. Ab dem Sommer hat sie wieder eine neue Auszubildende, die die Berufsschule in Tuttlingen besuchen soll. Die muss aber jedes Jahr bangen, dass sie noch eine Klasse von angehenden Friseuren stellen kann. Mindestens 15 Schüler müssen es sein, sonst müssen die Auszubildenden an die Berufsschule in Villingen wechseln. Das Problem: Nur noch ein Viertel aller Friseurbetriebe bilden überhaupt aus.
Der Fachverband Baden-Württemberg stellt aufgrund all dieser Probleme jetzt vier Forderungen an den Gesetzgeber. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, solle einerseits die Ausbildung besser gefördert werden. Andererseits solle das Arbeitsverbot für Schwangere, das seit der Corona-Pandemie ab Bekanntwerden der Schwangerschaft gilt, gelockert werden, so Moser. Außerdem
wünscht sich der Verband mehr Spielraum in der Tarifpolitik und vor allem: eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Friseurdienstleistungen von 19 auf sieben Prozent.
Die Senkung der Mehrwertsteuer könne helfen, die extreme Steigerung von an die Inflation gebundenen laufenden Kosten, wie Miet- und Strompreise, aufzufangen, so der Verband in seinem Forderungspapier. Dann müssten diese zum Beispiel nicht so sehr an den Kunden weitergegeben werden.
Schon 2021 sind die Preise beim Friseur laut dem Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks um rund 4,1 Prozent gestiegen. Frauen bezahlten pro Besuch demnach im Schnitt etwas mehr als 66 Euro, Männer knapp 27,50 Euro. Ausschlaggebend für diese Preissteigerung waren damals aber noch nicht die Inflation, sondern vor allem der mit Arbeitsschutzund Hygienemaßnahmen einhergehende zeitliche Mehraufwand sowie die Kosten für Schutzausrüstung und Testangebote.
Auch Dana Rödder hat 2021 und in diesem Jahr ihre Preise angepasst. Ein Haarschnitt kostet zum Beispiel zwei Euro mehr, da Produkte wie Shampoo und Farbe, aber auch die Heizkosten teurer werden. „Ich habe aber auch von Kollegen aus Großstädten gehört, die ihre Preise teilweise um zehn Euro erhöht haben“, sagt sie. Nicht alle Kunden würden das verstehen, aber irgendwie müssen Friseure wie sie über die Runden kommen. Vor allem, wenn sie bald die vom Staat geleisteten Soforthilfen zurückzahlen müssen.