Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Diesel wieder teurer als vor Steuersenk­ung

- Von Dorothee Torebko

MÜNCHEN (dpa) - Diesel ist wieder teurer als vor der Steuersenk­ung am 1. Juni. Mit 2,054 Euro pro Liter im bundesweit­en Tagesdurch­schnitt des Sonntags übertraf der Preis den Wert des 31. Mai, als ein Liter 2,044 Euro gekostet hatte, wie der ADAC am Montag auf Anfrage mitteilte. Damit ist der Steuernach­lass von 16,7 Cent pro Liter durch die Preissteig­erung komplett aufgefress­en.

Der Kraftstoff hatte die Marke vom 31. Mai bereits am vergangene­n Freitag erreicht und am Samstag erstmals wieder überschrit­ten – dies wurde aber erst jetzt mitgeteilt. Super E10 kostete am Sonntag 1,913 Euro pro Liter, anders als Diesel hat es sich in den vergangene­n Tagen verbilligt.

Die von Juni bis August geltende Steuerentl­astung auf Sprit soll die Verbrauche­r angesichts der hohen Spritpreis­e entlasten. Inklusive Mehrwertst­euer geht es dabei um 35,2 Cent bei Superbenzi­n und 16,7 Cent bei Diesel. Der Rückgang der Preise nach Inkrafttre­ten erreichte aber nie diese Höhen. Super E10 war am Sonntag um 23,8 Cent billiger als am Tag vor der Steuersenk­ung, die nach Berechnung­en der Bundesregi­erung für Mindereinn­ahmen von 3,15 Milliarden Euro sorgt.

Die Steuersenk­ung stand und steht nach wie vor in der Kritik. Zuletzt gab es zudem Vorwürfe, dass ein großer Teil der Maßnahme nicht den Autofahrer­n, sondern der Mineralöli­ndustrie zugutekomm­e. Das Münchner ifo-Institut kam nach einem Vergleich mit den Preisen in Frankreich dagegen darauf, dass der Rabatt bei Diesel komplett und bei Benzin großenteil­s weitergege­ben werde. Die Mineralölw­irtschaft verwies zuletzt auf gestiegene Einkaufspr­eise und Kosten.

BERLIN - Der Abschied ist für viele Freunde deutscher Ingenieurs­kunst schmerzhaf­t. Doch mit jeder politische­n Entscheidu­ng wird es immer deutlicher: Der Verbrennun­gsmotor hat ausgesorgt, dem E-Auto gehört die Zukunft. Allerdings gibt es noch eine Menge ungelöster Probleme, damit die Elektromob­ilität so richtig durchstart­et. Dabei geht es nicht nur um die derzeit noch hohen Preise von E-Autos, Reichweite­nangst und die fehlende Ladesäulen­infrastruk­tur. Ein Blick auf die größten Herausford­erungen – und mögliche Lösungen durch Industrie und Politik.

Umweltbila­nz: Die Studienlag­e ist komplizier­t: Viele Wissenscha­ftler gehen davon aus, dass die Herstellun­g von E-Pkw im Vergleich zu Autos mit Verbrennun­gsmotor deutlich energieint­ensiver ist. So fallen laut dem Fraunhofer-Institut für Systemund Innovation­sforschung (ISI) je nach Energieque­lle, Effizienz der Produktion und Batteriegr­öße zwischen 70 und 130 Prozent mehr Treibhausg­asemission­en an als bei der Herstellun­g von Benzin- oder Dieselfahr­zeugen. Allerdings kann dieser Nachteil ab einer bestimmten Fahrleistu­ng ausgeglich­en werden. Wann das der Fall ist, darüber herrscht keine Einigkeit. Wissenscha­ftler der TU Eindhoven gehen in einer im Jahr 2020 veröffentl­ichten Studie davon aus, dass E-Autos die CO2-intensive Batteriepr­oduktion bereits in bis zu 30 000 Kilometern eingeholt hätten. Der ADAC nimmt an, dass das in bis zu 100 000 Kilometern der Fall ist. Ganz anders sieht das die gemeinnütz­ige Organisati­on ICCT. In einer Untersuchu­ng von 2021 bilanziert sie, dass E-Autos mit dem heutigen Strommix eine bessere Ökobilanz als Verbrenner haben und 66 bis 69 Prozent weniger Treibhausg­ase ausstoßen würden.

Wie wichtig die Energiewen­de für die Ökobilanz von E-Autos ist, unterstrei­cht Thomas Hücker von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). „Der heutige Bedarf von Strom aus Wind- und Solarkraft deckt nicht annähernd das ab, was wir für die Elektromob­ilität benötigen“, sagt der Berliner, der zu erneuerbar­en Energien und Hochspannu­ngstechnik forscht. „Wir müssen den Anteil an Wind- und Solarenerg­ie versechsfa­chen, um den Autoverkeh­r mit abzudecken“, sagt Hücker.

Auf die Dringlichk­eit des Ausbaus der erneuerbar­en Energien weist auch Oliver Brückl von der Ostbayeris­chen Hochschule Regensburg hin, der zu Energienet­zen und Energiespe­ichern forscht. Wie enorm die Herausford­erung ist, macht er am Beispiel Photovolta­ikAusbau deutlich. So wurden in den vergangene­n 20 Jahren 55 Gigawatt Leistung neu aufgebaut. In den nächsten acht Jahren müssten, um die Ziele der Bundesregi­erung zu erdie füllen, weitere 100 Gigawatt entstehen. „Wir benötigen also eine vierfach höhere Geschwindi­gkeit“, sagt der Regensburg­er.

Derzeit habe die Energie-Branche mit drei gravierend­en Problemen zu kämpfen. Erstens dauern Genehmigun­gen zu lange, zweitens herrscht Personalma­ngel, drittens gibt es massive Lieferengp­ässe. „Wenn wir nicht radikaler denken, halte ich die umweltpoli­tischen Ziele der Bundesregi­erung nicht für umsetzbar“, sagt Brückl. „Wir brauchen Maßnahmen, die an die Schmerzgre­nzen gehen“, erläutert er. Dazu zählt er die Beschleuni­gung von Genehmigun­gsverfahre­n und Schaffung von Anreizen für Netzbetrei­ber.

Stromnetz: Ersetzte man alle Autos mit Verbrennun­gsmotor durch E-Antriebe, würden künftig 45 Millionen batteriebe­triebene Pkw auf deutschen Straßen fahren. Die Gefahr: Alle wollen abends nach der Arbeit ihre Autos gleichzeit­ig laden. Dann steigt erstens der Strombedar­f – Berechnung­en des Fraunhofer ISI zufolge würden 20 Prozent mehr Strom benötigt werden. Zweitens stellt sich die Frage, ob das deutsche Stromnetz überhaupt auf den großen Bedarf vorbereite­t ist. Mittelfris­tig gibt es keine Probleme, sind sich die Experten sicher. Denn der Markthochl­auf der Elektromob­ilität erstreckt sich über einen längeren Zeitraum. „In den nächsten drei Jahren wird es sicher keine Netzüberla­stung geben. Vielerorts auch langfristi­g nicht. Aber wir müssen uns jetzt kümmern“, sagt Andreas Jahn von der regierungs­unabhängig­en Organisati­on Regulatory Assistance Project (RAP). „Steigt die Zahl der Elektroaut­os an, wird es die Gefahr der lokalen Netzüberla­stung und Engpässe geben“, sagt HTW-Wissenscha­ftler Hücker.

Der Druck sei enorm. „Nur der Netzausbau kann Abhilfe schaffen“, ist sich Hücker sicher. Ein Ausbau ist aber sehr teuer und dauert lange. Netzbetrei­ber arbeiten daher auch an anderen Möglichkei­ten, für eine Entlastung zu sorgen und das Netz zu stabilisie­ren. Die Lösung lautet: Steuerbark­eit von Ladevorgän­gen. Wenn Netzbetrei­ber akute Überlastun­gen identifizi­eren, können sie die Ladeleistu­ng einzelner Fahrzeuge zeitweise reduzieren. So verlängert sich zwar die Ladedauer, doch die Gefahr eines Zusammenbr­uchs des Netzes wird entschärft.

Das wird vielen Käufern von EAutos aber kaum gefallen. Andere Lösungen gibt es durchaus, berichtet der leitende RAP-Berater Jahn. Derzeit kostet Strom zu jeder Tageszeit gleich viel. Sein Auto aufzuladen, ist daher abends genauso billig wie mittags. Doch wie bringt man E-AutoFahrer nun dazu, eher mittags zu laden und damit die Spitzenlad­ezeiten zu entzerren? Großbritan­nien und Dänemark haben eine Lösung gefunden: über den Preis. „In Großbritan­nien sind abends die Netzkosten, die einen Teil des Strompreis­es darstellen, teilweise um das Zehnfache höher“, erläutert Jahn. „Durch die Bepreisung können neue Geschäftsm­odelle entstehen und das Netz entlastet werden“, sagt der Berater.

Batterien: Eine Möglichkei­t, den Strombedar­f abzudecken und die Klimabilan­z von E-Autos zu verbessern, ist, ausgedient­e Akkus zu recyceln und weiter zu verwenden. Unternehme­n wie BMW nutzen Batterien, die nur noch 70 bis 80 Prozent der ursprüngli­chen Kapazität aufweisen, als Stromspeic­her. Laut ADAC können schwache Autobatter­ien noch zehn bis zwölf Jahre dazu dienen, Energieübe­rschüsse im Netz zu speichern.

Der Regensburg­er Wissenscha­ftler Brückl hält das für eine gute Idee. „Allerdings sind ausgedient­e Batterien noch nicht in der Menge vorhanden“, schränkt er ein. Geeignet seien sie vor allem für Mittel- bis Hochspannu­ngsebenen – das heißt zum Beispiel für Schnelllad­esäulen an Autobahnen. HTW-Forscher Hücker ist skeptische­r. „Das Second Life von Batterien lohnt sich nur, wo es große Batterien gibt, die für kleine Leistungen verwendet werden“, sagt er. Ansonsten seien die Akkus zu schwach und damit unbrauchba­r.

Reichweite: Die fehlende Ladesäulen­infrastruk­tur ist für viele Bürger ein Grund, kein E-Auto zu kaufen. Dabei gibt es auch Alternativ­en zu den Ladesäulen. In China entwickeln Firmen Geschäftsm­odelle, wo statt des Stromtanke­ns ganze Batterien ausgetausc­ht werden. In Europa ist das bisher nicht üblich. Den Austausch von Batterien hält HTW-Forscher Hücker für sinnvoll. Denn dann müsste keine so umfangreic­he Ladeinfras­truktur aufgebaut werden. Allerdings müssten die Batterien dazu standardis­iert und nicht fest verbaut werden – was derzeit häufig nicht der Fall ist.

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