Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die stille Wandlung eines Unauffälli­gen

Prinz William wird 40 – Der Herzog von Cambridge rüstet sich für die Zukunft als britischer König

- Von Sebastian Borger

LONDON - Die Nation hat Wichtigere­s zu bedenken. Den Briten steht diese Woche der größte Eisenbahne­rstreik seit 30 Jahren ins Haus, schon denken auch Lehrer und Krankenhau­spersonal über Arbeitskäm­pfe nach. Massiv steigende Preise für Benzin, Gas und Lebensmitt­el, dazu Steuererhö­hungen der konservati­ven Regierung des gesundheit­lich und politisch angeschlag­enen Premiers Boris Johnson – die Stimmung auf der Insel ist deutlich trüber als das Sommerwett­er.

Gut zwei Wochen nach den umfassende­n fröhlichen Platin-Feiern zum 70. Thronjubil­äum der Queen, 96, spielt deshalb Prinz Williams 40. Geburtstag an diesem Dienstag in der Öffentlich­keit kaum eine Rolle. Die Königsfami­lie selbst gibt sich ebenfalls eher bedeckt. Immerhin ist dem Zweiten der Thronfolge zu seinem Ehrentag eine Fünf-PfundMünze gewidmet. Dort ist der Prinz im Drei-Viertel-Porträt zu sehen, was „dynamische­r“wirke als die traditione­lle Darstellun­g im Profil, wie Designer Thomas Docherty der „Times“anvertraut hat. Dynamisch, naja. Wirkt eine Gedenkmünz­e nicht eher ein wenig aus der Mode gekommen, ähnlich wie, jedenfalls auf der Insel, der Gebrauch von Münzen im Alltag?

Die Zeitungen veröffentl­ichten am Sonntag, dem britischen Vatertag, ein fröhliches Bild des Familienva­ters mit seinen drei Kindern, dem knapp neunjährig­en Erbprinzen George, Charlotte (7 Jahre) und dem vierjährig­en Louis, dessen Grimassen beim Stelldiche­in auf dem Balkon

des Buckingham-Palastes die TV-Zuschauer weltweit entzückten. In der Mitte seines Lebens geht es dem für künftige Königswürd­en vorgesehen­en William so ähnlich wie in den vergangene­n Jahrzehnte­n: Er steht immer ein wenig im Schatten anderer. Zunächst seine glamouröse Mutter Diana, später der stets zu Scherzen aufgelegte Bruder Harry, dann seine ebenso kluge wie schöne Frau Kate – der großgewach­sene, durch den Haarverlus­t schon früh älter wirkende Prinz fungierte immer als das ernste, unauffälli­ge, ein wenig langweilig­e Gegenüber.

Anderersei­ts: Wünschen sich die Briten nicht geradezu einen verlässlic­hen Langweiler auf dem Thron? Jedenfalls sind die Medien, je älter die Königin wird, voll von mehr oder weniger freundlich­en Spekulatio­nen über den „Aktivisten-Prinzen“Charles und dessen (Un-)Fähigkeit, aus der Prinzenrol­le in die Königsklei­der zu schlüpfen. Je nach Standpunkt ängstlich oder erwartungs­voll wird dem Thronfolge­r dabei stets wieder mitgeteilt, worin die Aufgabe des Staatsober­hauptes in einer konstituti­onellen Monarchie besteht: Am besten so sein wie die Queen, also höflich lächeln und schweigen anstatt alle möglichen politische­n, gesellscha­ftlichen und ästhetisch­en Probleme mit royalem Senf zu verzieren.

Was seinem Vater über die Jahrzehnte immer wieder schwer gefallen ist, scheint der Herzog von Cambridge leichter zu finden. Jedenfalls bisher. Zuletzt häuften sich die Berichte angebliche­r Insider über ein neues Konzept, mit dem der Millenial die „Firma“relevanter und für den Rest des 21. Jahrhunder­ts fit machen will. „Seiner Überzeugun­g nach muss die Monarchie besser erklären, wo sie ihren Platz in der modernen Welt sieht“, hat ein früherer Berater der „Daily Mail“berichtet. Ein schönes Beispiel gab im März der Besuch des Herzogpaar­es in der Karibik ab. Nicht nur bekannte sich William zu „tiefer Reue“für die „entsetzlic­hen Gräuel“, die der Sklavenhan­del im Namen der Krone Millionen von Menschen zugefügt hatte. Er machte nach einer peinlichen Begegnung mit dem republikan­isch gesinnten Premiermin­ister von Jamaika Andrew Holness auch deutlich, wie er die Loslösung früherer Kolonien, deren Staatsober­haupt die Queen bis heute ist, vom Mutterland beurteilt: „Unsere Beziehunge­n entwickeln sich weiter, unsere Freundscha­ft bleibt bestehen.“Ausdrückli­ch erhebt William nicht einmal den Anspruch darauf, seiner Großmutter und seinem Vater als nominelles Oberhaupt des Commonweal­th nachzufolg­en, jenem Club von 54 britischen Ex-Kolonien.

Was die Emotionali­tät angeht, agierte William jahrelang deutlich zugeknöpft­er als sein unbekümmer­ter Bruder Harry. Immer wieder aber hat mittlerwei­le auch der Erstgebore­ne von Prinzessin Diana das mütterlich­e Erbe betont, ist auf Menschen zugegangen, hat über Gefühle gesprochen – eine bis dahin im Königshaus eher negativ bewertete Angewohnhe­it.

Als frischgeba­ckener Familienva­ter etwa rührte er die Nation mit der Mitteilung, neuerdings würden ihm schon bei Kleinigkei­ten die Tränen in die Augen steigen: „Man nimmt sich als Vater die Sachen viel mehr zu Herzen, die auf der Welt passieren.” Das habe wohl mit der Erkenntnis zu tun, „wie kostbar” neues Leben ist. Auch der älteren Generation gehört die Fürsorge des Prinzen: Stets hat sich William darum bemüht, dem grüblerisc­hen, gelegentli­ch auch larmoyante­n Papa Charles den Rücken zu stärken.

Für diesen Sommer ist der Umzug der Herzogsfam­ilie nach Windsor geplant. Erst vor fünf Jahren waren William und Kate mit ihren damals zwei Kindern aus ländlicher Idylle in der ostenglisc­hen Grafschaft Norfolk in den Londoner Kensington-Palast umgezogen. Die neue Ortsveränd­erung wird mit der größeren Nähe zu „Grannie“begründet; aus Williams Sicht ist dies natürlich Elizabeth II., mit der den Prinzen von klein auf ein inniges Verhältnis verbindet. Seine Kinder dürften mehr an Grannie Middleton interessie­rt sein, Kates erst 67-jähriger Mutter, die mit ihrem Mann Michael ein Herrenhaus im lieblichen Westen der Grafschaft Berkshire bewohnt, zu der auch Windsor gehört. Auch Grannie Camilla, die Herzogin von Cornwall, rückt in größere Nähe.

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FOTO: HANNAH MCKAY/DPA Prinz William und seine Ehefrau Kate mit den Kindern Prinz George (von links), Prinzessin Charlotte und Prinz Louis.

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