Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
FDP springt Walldorfer Katzen zur Seite
Abgeordneter betrachtet Ausgehverbot für Vierbeiner als „nicht verhältnismäßig“
RAVENSBURG - Die FDP setzt sich nicht nur für die individuellen Freiheitsrechte von Menschen ein, sondern auch für die von Katzen. Jedenfalls hat der liberale Landtagsabgeordnete Christian Jung jetzt wegen des Ausgehverbots für Katzen in Teilen von Walldorf kritisch bei der baden-württembergischen Landesregierung nachgehakt.
Wie berichtet, dürfen Katzen im Süden der Stadt im Rhein-NeckarKreis bis Ende August nicht mehr die Wohnung ihres Besitzers verlassen. Das hat die bei der Kreisverwaltung angesiedelte Untere Naturschutzbehörde verfügt. Grund sind nahe Brutgebiete der geschützten Haubenlerche. Der Karlsruher FDP-Politiker Jung hat nun eine Kleine Anfrage an die Regierung gestellt. Aus den Fragen lassen sich seine Zweifel ablesen, ob es wirklich notwendig ist, sämtliche Katzen in Süd-Walldorf zu einem Dasein als Stubentiger zu verurteilen. Insbesondere im Haus von Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) vermisst Jung „jegliches Problembewusstsein“.
Wie aus der Antwort von Walkers Ministerium hervorgeht, waren weder das Umweltministerium selbst noch das für den Tierschutz zuständige Agrarministerium in die Entscheidung der Unteren Naturschutzbehörde eingebunden. Dass deren Verfügung erst kurzfristig bekannt wurde, führt das Ministerium auf „die anspruchsvolle Thematik, die hohe Arbeitsbelastung bei den zuständigen Behörden und die Abstimmungen innerhalb des Landratsamtes und mit der Höheren Naturschutzbehörde im Regierungspräsidium Karlsruhe“zurück. FDP-Politiker Jung hält diese Begründung für „konstruiert“.
63 Brutreviere von Haubenlerchen hat das Umweltministerium nach eigenen Angaben gezählt, vor allem in Nordbaden. Jung fragt sich deshalb, warum die Behörden nur in Walldorf die Katzen wegsperren. „Wenn Katzen wirklich eine so singuläre Gefahr für die Bestände dieser Vögel wären, müsste es weitere Allgemeinverfügungen geben, die aber nicht erlassen wurden. Damit bleibt unklar, warum in Walldorf überhaupt ein Katzenarrest erlassen wurde“, sagt der Abgeordnete. Außerdem müssten „nach der Logik des Umweltministeriums zudem Steinmarder oder Füchse ein temporäres Aufenthaltsverbot in Walldorf bekommen“. Neben 28 Katzen haben sich laut der Umweltbehörde, die das Geschehen rund um die Brutplätze per Wildtierkamera verfolgt, auch sechs Steinmarder, vier Hunde und drei Füchse den Haubenlerchen genähert. Unter dem Strich kommt Jung zu dem Schluss, der Katzenarrest sei „nicht verhältnismäßig“.
Unabhängig davon fördert seine Anfrage allerlei Wissenswertes über Katzen zutage. Im Zusammenhang mit der Größe des Walldorfer Sperrgebiets beziffert das Ministerium den durchschnittlichen Aktionsradius einer Hauskatze auf exakt 343 Meter, räumt aber ein, dass dieser „auch deutlich größer oder kleiner“sein kann. Dennoch reiche der Durchschnittswert aus, um auf dessen Grundlage eine „hinreichende Sicherheit“für brütende Haubenlerchen zu gewährleisten.
Bei der sehr grundsätzlichen Frage allerdings, wie viele Katzen insgesamt im Südwesten daheim sind, tappt die Landesregierung weitgehend im Dunkeln. Das Umweltministerium verweist auf Schätzungen aus dem Zeitraum 2008/2009. Rund 900 000 Hauskatzen sollen damals im Land gelebt haben. „Dabei wurden unter dem Begriff ,Hauskatze‘ sowohl reine Hauskatzen im engeren Sinne als auch Freigänger im menschlichen Umfeld sowie verwilderte, streunende Hauskatzen subsumiert“, präzisiert das Ministerium.
Bei Letzteren erübrigt sich das Ausgehverbot ohnehin. Wie in Walldorf mit dieser Klientel umgegangen wird, erschließt sich aus den Angaben des Umweltministeriums nicht.