Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Die schießen“

Mordprozes­s um getötete Polizisten von Kusel

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KAISERSLAU­TERN (dpa) – Viereinhal­b Monate nach tödlichen Schüssen auf zwei Polizisten bei einer nächtliche­n Verkehrsko­ntrolle in der Pfalz beginnt heute der Prozess gegen den mutmaßlich­en Täter.

Der 39 Jahre alte Mann ist vor dem Landgerich­t Kaiserslau­tern des Mordes angeklagt – er soll Ende Januar eine 24 Jahre alte Polizistin und ihren 29 Jahre alten Kollegen mit mehreren Gewehrschü­ssen getötet haben, um Jagdwilder­ei zu verdecken. Die Gewalttat bei Kusel sorgte bundesweit für Entsetzen. Vor dem Landgerich­t sind vorerst 14 Termine bis 9. September vorgesehen. Dem Vernehmen nach sind mehrere Sachverstä­ndige und eine Vielzahl von Zeugen geladen.

Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte in der Tatnacht mit einem 33 Jahre alten Mann zur Jagdwilder­ei in der Westpfalz unterwegs war. Die beiden Polizisten, die in einem Zivilfahrz­eug Streife fuhren, machte der geparkte Kastenwage­n am Rand einer Kreisstraß­e stutzig, und sie stiegen zur Kontrolle aus.

Überrasche­nd, so die Anklagebeh­örde, habe der 39-Jährige dann einen Schuss aus der Flinte „aus kurzer Entfernung auf den Kopf“der Polizeianw­ärterin abgegeben. Die Frau stürzte schwer verletzt und bewusstlos auf die Straße.

Danach soll der Angeklagte zunächst mit der Flinte, dann mit einem Jagdgewehr auf den Polizeikom­missar geschossen haben. Der 29-Jährige schoss zurück, ohne den Angreifer zu treffen. Er setzte einen Notruf ab mit den Worten „Die schießen“.

Schließlic­h habe der Angeklagte den Polizisten mit mehreren Schüssen schwer verletzt und am Ende tödlich am Kopf getroffen. Als der 39jährige Deutsche gemerkt habe, dass die junge Polizistin noch lebt, habe er mit der Flinte einen weiteren Schuss auf den Kopf der jungen Frau abgegeben, hieß es. Die beiden Verdächtig­en flohen demnach und wurden am nächsten Tag im nahen Saarland festgenomm­en.

Dem 39-Jährigen wirft die Staatsanwa­ltschaft unter anderem zwei Morde vor, „aus Habgier und um eine Straftat zu verdecken“. Dem 33-Jährigen wirft sie unter anderem versuchte Strafverei­telung vor – er habe beim Verwischen der Spuren geholfen. Zudem werden beide der gemeinscha­ftlichen nächtliche­n Jagdwilder­ei beschuldig­t. Psychiatri­sche Gutachten ergaben keine Anhaltspun­kte für eine eingeschrä­nkte Schuldfähi­gkeit.

In den Fokus der Ermittlung­en geriet schon früh die Vergangenh­eit des 39-Jährigen. Er war den Behörden unter anderem wegen des Verdachts der Jagdwilder­ei aufgefalle­n. Die Staatsanwa­ltschaft Kaiserslau­tern teilte mit: Zum Tatzeitpun­kt soll der Mann seinen Lebensunte­rhalt im Wesentlich­en durch Jagdwilder­ei und den Verkauf der Beute erzielt haben. Doch seit April 2020 durfte er Waffen weder besitzen noch kaufen oder leihen, hatten die Behörden mitgeteilt. Auch einen Jagdschein habe der Tatverdäch­tige nur bis Ende März 2020 besessen.

Den Ermittlung­en zufolge könnte die Ehefrau dem Angeklagte­n geholfen haben. Sie habe die Flinte 2021 gekauft sowie das Gewehr in einem Waffengesc­häft im Saarland erworben und die Waffen legal besessen. „Die näheren Umstände, wie der 39Jährige in den Besitz der Tatwaffen kam, sind Gegenstand eines laufenden Ermittlung­sverfahren­s der Staatsanwa­ltschaft Kaiserslau­tern gegen die Ehefrau wegen fahrlässig­er Tötung und Verstoßes gegen das Waffengese­tz“, hieß es. Die mutmaßlich­en Tatwaffen waren im Saarland sichergest­ellt worden.

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