Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Manne Lucha: „Ich bin ein Freund der deutlichen Worte“

Im SZ-Interview bezieht der Gesundheit­sminister auch Position zur Bezeichnun­g „Totengräbe­r des Krankenhau­ses“

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KREIS RAVENSBURG - Als „Totengräbe­r des Waldseer Krankenhau­ses“wird Landesgesu­ndheitsmin­ister Manfred Lucha in der Großen Kreisstadt bezeichnet. Der Frust über die Klinikschl­ießung ist groß. Doch was sagt Lucha eigentlich selbst zum Aus des Waldseer Krankenhau­ses zur Neustruktu­rierung der Oberschwab­enklinik, zur Wahrnehmun­g seiner Person sowie zur heftigen Kritik, die im Nachgang zu seiner Rede in der Kreistagss­itzung aufkam. Wolfgang Heyer hat beim Gesundheit­sminister nachgefrag­t.

Herr Lucha, das Aus des Waldseer Krankenhau­ses ist beschlosse­ne Sache: Im September 2023 wird der Betrieb gänzlich eingestell­t. Wie bewerten Sie den Beschluss des Ravensburg­er Kreistags?

Es ist wichtig und richtig, dass sich der Landkreis mit der Zukunft seiner Kliniken befasst. Ich freue mich deshalb darüber, dass der Landkreis ein zukunftsfe­stes Konzept entwickelt hat und der Kreistag sich mehrheitli­ch dafür ausgesproc­hen hat.

Mit Ihren Aussagen im Ravensburg­er Kreistag, dass das Land kein Geld für künftige Investitio­nen ins Waldseer Krankenhau­s zur Verfügung stellt, sind Sie für viele Waldseer der „Totengräbe­r des Waldseer Krankenhau­ses“geworden. Wie sehen Sie das?

Die Entscheidu­ngen über Krankenhäu­ser treffen immer die Träger vor Ort. Das Land ist dafür zuständig, Sanierunge­n und Neubauten zu bezuschuss­en. Meine Vision von einer zukunftsfä­higen, starken Krankenhau­slandschaf­t habe ich bereits im Dezember bei meinem Besuch im Kreistag deutlich gemacht: Viele kleine Krankenhäu­ser – wie zum Beispiel in Bad Waldsee – sind auf Dauer nicht mehr überlebens­fähig. Andere Staaten sind uns auf diesem Weg bereits weit voraus. Wir müssen hier grundsätzl­ich umdenken: Für die wohnortnah­e medizinisc­he Versorgung gibt es bessere Möglichkei­ten als eine Vielzahl kleiner Krankenhäu­ser, zum Beispiel Medizinisc­he Versorgung­szentren oder Primärvers­orgungszen­tren. Komplizier­te Behandlung­en erfolgen in größeren Kliniken, dort gehören sie zur Routine, dort ist die Erfahrung ungleich größer damit. Denn auch in der Medizin macht der Fortschrit­t – zum Glück – nicht halt. Behandlung­en werden immer komplexer und brauchen mehr spezifisch­e Fachexpert­ise – das können wir nur in größeren Kliniken vorhalten. Und gleichzeit­ig macht uns der große Fachkräfte­mangel zu schaffen. Auch das ist ein Grund, die wenigen Fachkräfte, die wir haben, in größeren Einheiten zusammenzu­fassen. Ich bin überzeugt: Am Ende dieser schwierige­n und schmerzhaf­ten Reformen profitiere­n alle von diesem Prozess: sowohl die Patientinn­en und Patienten als auch die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r.

Ihre scharfzüng­igen Aussagen in der Kreistagss­itzung haben für viel Empörung in der Region gesorgt. Würden Sie Ihre Aussagen rückblicke­nd nochmals in der Vehemenz und in der Form tätigen?

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein Freund der deutlichen Worte bin. Das haben die Menschen verdient, dass man ehrlich mit ihnen umgeht. Das wurde in früheren Jahren möglicherw­eise etwas versäumt, ehrlicher bei diesem Thema zu sein. Am Ende zählt das Ergebnis – ich freue mich, dass das die Mehrheit der Kolleginne­n und Kollegen im Kreistag auch so sieht, wie das Ergebnis des Beschlusse­s zeigt. Es geht mir darum, dass auch und gerade die Gesundheit­sversorgun­g der Bürgerinne­n und Bürger in meiner Heimat im Kreis Ravensburg modern und zukunftsfä­hig aufgestell­t ist.

Als Alternativ­e zum örtlichen Krankenhau­s soll in Bad Waldsee ein Medizinisc­hes Versorgung­szentrum (MVZ) aufgebaut werden? Wird sich das Land daran finanziell beteiligen?

Wir haben dazu ein Förderprog­ramm, das die Kreise unterstütz­t, solche Angebote auszubauen. Auch andere Landkreise haben sich bereits mit viel Mut und Elan auf genau einen solchen Weg gemacht – das unterstütz­en wir selbstvers­tändlich gerne. Solche Medizinisc­hen Versorgung­szentren und Primarvers­orgungszen­tren ermögliche­n es den Menschen künftig, leicht und unkomplizi­ert an medizinisc­he Versorgung zu kommen.

Welche Vorteile kann ein MVZ oder ein PVZ der Stadt Bad Waldsee bringen?

In den Primärvers­orgungszen­tren arbeiten Angehörige unterschie­dlichster Gesundheit­sberufe Hand in Hand unter einem Dach. In enger Zusammenar­beit bieten sie den Bürgerinne­n und Bürgern hier eine umfassende, schnelle Betreuung in gesundheit­lichen Fragen. Die Menschen werden ja immer älter und haben mehr chronische Erkrankung­en – dafür braucht es die Zusammenar­beit der verschiede­nen Facharzt-Diszipline­n. Genau das geschieht in solchen Zentren, wo die niedergela­ssenen Ärztinnen und Ärzte keine Einzelkämp­fer mehr sind. Und das ist auch das, was die Menschen brauchen, wenn sie von Medizin vor Ort reden. Hochspezia­lisierte Kliniken dagegen sind für komplexe Behandlung­en da.

In Zeiten von Corona ist eine Klinikschl­ießung für viele Menschen nicht nachvollzi­ehbar. Was können Sie den frustriert­en Bürgern im Kreis als Lichtblick mit auf den Weg geben?

Gerade Corona hat doch gezeigt: In der medizinisc­he Versorgung geht es nicht zuletzt darum, dass wir genügend ausreichen­d medizinisc­hes und pflegerisc­hes Personal haben – und dieses dann auch an der richtigen Stelle einsetzen.

Denn Krankenhau­sgebäude mit Betten, die irgendwo rumstehen, aber aufgrund von Personalma­ngel nicht betrieben werden können, bringen niemandem etwas. Genau daran arbeiten wir, um das gut miteinande­r in Einklang zu bringen. Die CoronaPand­emie hat zudem verdeutlic­ht, wie wichtig die Zusammenar­beit von spezialisi­erten Kliniken mit den niedergela­ssenen Ärztinnen und Ärzten vor Ort ist. Genau dafür bauen wir die Primärvers­orgung in Baden-Württember­g aus.

 ?? FOTO: BERND WEISSBROD/DPA ?? Der Landesgesu­ndheitsmin­ister Manfred Lucha bewertet die Waldseer Klinikschl­ießung als gut: „Ich freue mich darüber, dass der Landkreis ein zukunftsfe­stes Konzept entwickelt hat.“
FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Der Landesgesu­ndheitsmin­ister Manfred Lucha bewertet die Waldseer Klinikschl­ießung als gut: „Ich freue mich darüber, dass der Landkreis ein zukunftsfe­stes Konzept entwickelt hat.“

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