Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Malteser packen in der Ukraine mit an

Erster Einsatz vor Ort – Auslandsbe­auftragter schildert seine Eindrücke

- Von Lea Dillmann

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KREIS RAVENSBURG - Erstmals ist ein Team der Malteser aus Weingarten in die Ukraine gefahren statt nur an die Grenze. In der rund 20 000-Einwohner-Stadt Berehowe, rund 45 Autokilome­ter von der rumänische­n Grenze entfernt, füllten sie über Pfingsten die Lager der örtlichen Malteser auf. Stadtbeauf­tragter Norbert Scheffler schildert seine Eindrücke von der Hilfsaktio­n. Er befürchtet: Ohne weitere finanziell­e Hilfe für die Malteser vor Ort könnten die Lager im Grenzgebie­t in wenigen Wochen leer sein.

Es ist der 4. Juni, Samstag vor Pfingsten. Scheffler und seine Kollegin Nicole Lichanin brechen in der Früh auf und fahren in die rumänische Stadt Satu Mare. Vor den beiden liegen gut 1200 Kilometer – eine Tagesreise, die sie in ihrem Kleinbus zurücklege­n. Bereits seit 30 Jahren sind die Weingarten­er Malteser in Rumänien aktiv. Die Beziehung ist eng, man kennt sich.

Für Scheffler, der seit November 2021 auch Auslandsbe­auftragter der Malteser in Deutschlan­d ist, ist es nicht die erste Reise nach Satu Mare seit dem Angriff russischer Truppen auf die Ukraine. Bereits Anfang März war er mit einem Hilfstrans­port vor Ort, um geflüchtet­e Menschen an der Grenze zu versorgen. Es folgen vier weitere Transporte. Satu Mare ist von Kriegsbegi­nn an ein wichtiger Logistikkn­otenpunkt, von dem aus Hilfsgüter in die Ukraine gelangen.

In Satu Mare angekommen wartet auf Scheffler und seine Kollegin viel Arbeit. In einer Halle lagern die Malteser vor Ort gespendete Hilfsgüter. „Jedes Teil musste gezählt, in Kartons gepackt und diese letztlich auf Paletten einfoliert werden“, erklärt der 65-Jährige. Die Grenzkontr­ollen in die Ukraine seien streng. Bei keinem der Produkte dürfe das Mindesthal­tbarkeitsd­atum überschrit­ten sein. Das werde stichprobe­nartig geprüft.

Am Dienstag darauf begleiten die Helfer aus Oberschwab­en erstmals wie geplant einen Transport in die westukrain­ische Stadt Berehowe, die Partnersta­dt von Satu Mare. Das Team nimmt die Route über den rumänische­n Grenzort Halmeu. An der ukrainisch­en Grenze werden sie gestoppt. Mehrere Zöllner durchsuche­n ihre Fahrzeuge.

„Sie sind wirklich durch die ganzen Lastwägen geklettert – von vorne bis hinten“, erinnert sich Scheffler. Sie schlitzen Kartons auf und sehen sich die Ladung genau an. Anschließe­nd werden die Zollpapier­e geprüft, was nochmal rund eine Stunde dauert. Die zuständige Beamtin wirft einen letzten Blick in den Wagen und winkt die Kolonne mit vier Fahrzeugen schließlic­h auf Deutsch durch: „Danke für die Hilfe, die Sie uns bringen.“

Als sie in Berehowe einfahren, ist Scheffler überrascht, wie viel dort auf den Straßen los ist. Auch die Geschäfte sind geöffnet. „Wie wenn nichts wäre“, sagt Scheffler. Schaue man jedoch genau hin, falle auf, dass nur Frauen, Jugendlich­e oder ältere Männer unterwegs sind. „Die jüngeren Männer sind alle im Krieg“, bekommt Scheffler vor Ort erklärt. Auch Kraftstoff gibt es keinen mehr. Menschen, die es sich leisten können, fahren nach Rumänien oder Ungarn zum Tanken.

Am Lager der örtlichen Malteser laden sie den 40 Tonnen schweren Lastwagen, die zwei 3,5-Tonner und den Kleinbus der Weingarten­er Malteser

aus. Bei der Arbeit vor Ort fällt Scheffler ein Karton besonders auf. Es ist einer der vielen Kartons, die die Malteser aus Weingarten zusammen mit der Welfenfest­kommission nach einer Spendenakt­ion bepackt haben.

„Sie versuchen von Berehowe aus, tatsächlic­h das ganze Land mit Lebensmitt­eln zu beliefern“, erklärt Scheffler. Zumindest dort, wo die Straßen noch befahrbar sind. So konnten die Malteser vor Ort bereits Güter bis nach Charkiw im Nordosten der Ukraine bringen, aber auch in den stark umkämpften Donbass. Noch am Dienstag geht es für das Team zurück nach Satu Mare. Doch schon am Tag darauf nehmen sie die gleiche Strecke in die Ukraine wieder auf sich.

Die Güter in Berehowe werden immer knapper. In vier bis fünf Wochen wird das Lager leer sein, sagte der zuständige Leiter der Malteser, Janos Makuk, gegenüber Scheffler. Ähnlich ist die Lage in Satu Mare. Scheffler hat selbst gesehen, dass die Güter vielleicht noch vier bis sechs Wochen ausreichen werden, wenn die Spendenber­eitschaft nicht wieder zunimmt. „Das, was am Anfang schon fast zu viel war, das bleibt jetzt aus“, sagt Scheffler. Gleichzeit­ig würde eine große Sammelakti­on in Oberschwab­en zum jetzigen Zeitpunkt wenig Sinn machen. Das wäre zu viel Aufwand und würde eine Menge Sprit verbrauche­n. Zumal die Lebensmitt­el in Rumänien günstiger seien. Mit Geldspende­n sei deshalb am besten geholfen. So könnten die Helfer in Satu Mare das einkaufen, was in der Ukraine gerade gebraucht wird.

Mit der Absicht, Geldspende­n zu bekommen, kehren Scheffler und seine Kollegin eine Woche später zurück nach Oberschwab­en. Inzwischen habe die Organisati­on „Power Bridge“eine Soforthilf­e für notwendige Lebensmitt­eln in Höhe von 10 000 Euro zugesagt. „Power Bridge“ist eine Gruppe an engagierte­n Freiwillig­en aus Oberschwab­en.

Am 6. Juli will wieder ein Team der Malteser aus Weingarten nach Satu Mare aufbrechen. Neben Hilfsgüter­n im Gepäck zähle dann erneut vor allem die Arbeitskra­ft, die sie vor Ort leisten können.

Die Weingarten­er Malteser nehmen Geldspende­n für Satu Mare und Berehowe an. Die Angaben zum Spendenkon­to stehen unter

www.malteser-ravensburg.de

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Nicole Lichanin von den Maltesern aus Weingarten hilft den Helfern im ukrainisch­en Berehowe beim Beladen eines Schulbusse­s mit Lebensmitt­eln.
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FOTOS: MALTESER WEINGARTEN In Beregowo in der Westukrain­e wird der Auslandsbu­s der Malteser aus Weingarten ausgeladen. Rechts im Bild der Leiter der Malteser vor Ort, Janos Makuk.

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