Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ungeimpfte müssen 300 Euro Buße zahlen

Einige Landkreise leiten Verfahren gegen nicht immunisier­te Pflegebesc­häftigte ein

- Von Kara Ballarin und Katja Korf

STUTTGART - Seit März gilt eine Impfpflich­t für Beschäftig­te in Krankenhäu­sern, Praxen, Heimen und Pflegedien­sten. Wie streng sie kontrollie­rt wird, ist je nach Bundesland und sogar regional unterschie­dlich. Während Bayern sich etwas mehr Zeit lässt, gibt es in Baden-Württember­g die ersten Bußgelder für Gesundheit­spersonal ohne ausreichen­den Immunschut­z. Ein Überblick.

Wie viele Bußgelder haben Gesundheit­sämter in Baden-Württember­g verhängt?

Das hat das Sozialmini­sterium von Minister Manfred Lucha (Grüne) gerade erhoben und am Freitag veröffentl­icht. Demnach gibt es bislang insgesamt 450 Bußgeldver­fahren gegen Beschäftig­te, für die die einrichtun­gsbezogene Impfpflich­t gilt. Das sind recht wenige – verglichen mit der vom Ministeriu­m zuletzt genannten Zahl von 37 000 Beschäftig­ten, die wegen mangelnden Immunschut­zes bei den Gesundheit­sämtern gemeldet waren. Laut Ministeriu­m haben davon 13 000 Menschen einen Impf- oder Genesenenn­achweis vorgelegt oder eine Impfserie begonnen. Rund 1480 Beschäftig­te gaben an, sich aus medizinisc­hen Gründen nicht impfen lassen zu können. Die Gesamtzahl der Menschen, die der Impfpflich­t unterliege­n, lässt sich laut Ministeriu­m nicht genau beziffern. Grund: Es fällt nicht nur medizinisc­hes und Pflegepers­onal darunter, sondern zum Beispiel auch Handwerker, die regelmäßig in den betroffene­n Einrichtun­gen arbeiten. Alle Verfahren verteilen sich auf acht der insgesamt 35 erfassten Kreise. Allein in Ludwigsbur­g und Göppingen gibt es je mehr als 130 Fälle, in der Region dagegen keinen einzigen.

Warum sind es relativ wenige Verfahren, obwohl überall dieselben Regeln gelten?

Dem Bußgeldver­fahren gehen einige Schritte voraus. Zunächst mussten die ungeimpfte­n Beschäftig­ten im März gemeldet werden. Diese Angaben müssen die Ämter prüfen, sie fordern die Gemeldeten auf, Immunitäts­nachweise oder Atteste über eine Befreiung vorzulegen – die sie ebenfalls prüfen müssen. Gibt es weiter keine Nachweise, werden die Mitarbeite­r angehört – und anschließe­nd auch die Arbeitgebe­r. Dabei geht es etwa darum, wie zwingend diese auf ihre Mitarbeite­r angewiesen sind, um den Betrieb sicherzust­ellen. All das kostet Zeit. Zudem haben die Gesundheit­sämter unter anderem mit der andauernde­n Pandemie und den vielen Geflüchtet­en aus der Ukraine etliche weitere Aufgaben. Auch sind die Kreise unterschie­dlich stark belastet – weshalb manche bei der Kontrolle der Impfpflich­t weiter seien als andere, so der Landkreist­ag.

Gibt es auch schon Bußgeldbes­cheide in Bayern?

Wahrschein­lich nicht – obwohl im Freistaat ähnlich viele ungeimpfte Beschäftig­te im Gesundheit­ssektor gemeldet wurden. Die letzte Umfrage zu Bußgeldbes­cheiden unter den zuständige­n Kreisverwa­ltungen ist zwar schon eineinhalb Monate alt, wie ein Sprecher von Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) erklärt. Er gehe aber davon aus, dass frühestens im Juli die ersten Forderunge­n zugestellt werden. Dies erklärt er mit einem dreistufig­en Verfahren, dem Bayern folge. Zu diesem gehöre auch das Angebot einer Impfberatu­ng für Zauderer, denn, so der Sprecher: „Das Ziel ist es, durch Überzeugun­g und nicht durch Druck oder Zwang eine möglichst hohe Impfquote bei allen Beschäftig­ten zu erzielen.“Holetschek hatte bereits im April betont, alle Spielräume ausnutzen zu wollen, die das Gesetz hergebe.

Wie hoch ist das Bußgeld?

Das kann variieren. Laut Infektions­schutzgese­tz sind Beträge bis zu 2500 Euro möglich. „Wir empfehlen den Gesundheit­sämtern ein Bußgeld in Höhe von etwa 300 Euro“, sagt indes ein Sprecher Luchas. Es seien bereits einige Bußgelder in dieser Höhe verhängt worden. Etwas zaghafter geht Luchas Amtskolleg­e Holetschek vor. Der Spielraum für Bußgelder in Bayern soll sich zwischen 100 und 300 Euro bewegen, hat er seinen Behörden aufgegeben.

Warum gehen die Länder unterschie­dlich vor?

Es scheint einen Unterschie­d darin zu geben, wen die beiden Länder besonders in den Blick nehmen. Holetschek betonte bisher stets, die Beschäftig­ten, die inzwischen seit Jahren im Kampf gegen Corona an vorderster Front kämpften, nicht unfair behandeln zu wollen. Tatsächlic­h war die Teilimpfpf­licht von der Politik auch nur als erster Schritt auf dem Weg hin zu einer allgemeine­n Impfpflich­t erklärt worden. Letztere scheiterte allerdings im April im Bundestag. Sein Amtskolleg­e Lucha legt indes den Fokus auf die besonders vulnerable­n Gruppen, die Alten und Kranken, die mit der einrichtun­gsbezogene­n Impfpflich­t geschützt werden sollen.

Wie geht es weiter?

In einem nächsten Schritt können die Gesundheit­sämter das schärfste Schwert zücken und ungeimpfte­n Beschäftig­ten ein Betretungs­verbot oder ein Tätigkeits­verbot ausspreche­n. Möglich ist auch, dies gleich zu tun – ohne vorher ein Bußgeld zu verhängen. Da das Gesetz Stand heute zum Ende des Jahres ausläuft, dürften Betroffene so lange nicht mehr ihre Arbeitsste­lle betreten oder ihrer konkreten Arbeit nachgehen. Der Arbeitgebe­r muss den Lohn in dieser Zeit nicht fortzahlen.

Müssen die Ämter Betretungs­verbote ausspreche­n?

Nicht zwingend, hier haben die Behörden einen Ermessenss­pielraum. Sie können davon absehen, wenn sonst die Versorgung der Patienten und Pflegebedü­rftigen in Gefahr ist. Möglich ist auch, dass die Arbeitgebe­r betroffene Beschäftig­te so einsetzen, dass sie keinen Kontakt zu vulnerable­n Gruppen haben – sofern dies möglich ist. Denkbar sind zudem besondere Hygienevor­schriften für ungeimpfte Beschäftig­te.

Reicht dieser Spielraum aus, um den Mangel an Pflegekräf­ten nicht weiter zu verschärfe­n?

Aus Sicht der Gesundheit­seinrichtu­ngen nicht. Sie sprechen sich lange schon für ein Ende der aus ihrer Sicht diskrimini­erenden Impfpflich­t aus. „Wenn eine Ehrenamtli­che, ein mit einer Reparatur beauftragt­er Handwerker und ein Angehörige­r zusammen in ein Pflegeheim laufen, müssen die Ehrenamtli­che und der Handwerker geimpft sein und der Angehörige nicht“, hatte etwa Christian Metz von der St. Elisabeth-Stiftung mit Sitz in Bad Waldsee kritisiert. Rückendeck­ung erhalten die Einrichtun­gen vom baden-württember­gischen Landkreist­ag. Dessen Präsident Joachim Walter (CDU) setzt sich konsequent für ein Aussetzen der Teilimpfpf­licht ein – auch, weil eine Impfung zwar den eigenen Krankheits­verlauf abmildere, aber niemand dadurch vor einer Ansteckung mit den aktuell kursierend­en Virusvaria­nten geschützt werde, wie er sagt.

Eine interaktiv­e Karte mit Zahlen zu ungeimpfte­m Personal in medizinisc­hen und anderen Einrichtun­gen unter schwäbisch­e.de/ ungeimpfte­sPflegeper­sonal

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA 450 Pflegekräf­ten in Baden-Württember­g droht ein Bußgeld, weil sie sich nicht impfen lassen wollen.

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