Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kanzler Scholz, ein Trauma und der Geist von Angela Merkel

Am Sonntag beginnt der G7-Gipfel auf Schloss Elmau – Was von dem Treffen in den bayerische­n Alpen zu erwarten ist

- Von Ellen Hasenkamp

BERLIN - Die Themen sind gewichtig, das Ambiente luxuriös: Olaf Scholz will bei dem G7-Treffen in Elmau, das am Sonntag beginnt, „Leadership“beweisen – und kann vielleicht ein persönlich­es Trauma überwinden.

Die Teilnehmer

G7 steht für die Gruppe der sieben führenden Industrien­ationen. Dazu gehören neben Deutschlan­d die USA, Kanada, Japan, Großbritan­nien, Frankreich und Italien. Außerdem ist die EU dabei. Weil diese Runde aber längst nicht mehr die tatsächlic­hen wirtschaft­lichen Kräfteverh­ältnisse der Welt abbildet, spricht die Bundesregi­erung inzwischen vom „Forum der führenden Industrien­ationen und Demokratie­n“. Tatsächlic­h definieren sich die G7 – nachdem sie das zwischenze­itlich in die G8 aufgenomme­ne Russland wegen der Krim-Annexion 2014 wieder ausgeschlo­ssen hatten – als Wertegemei­nschaft.

Die G7 sind ein informelle­r Zusammensc­hluss, die organisato­rische Arbeit liegt in den Händen der jährlich rotierende­n Präsidents­chaft. Die Gipfelbesc­hlüsse sind rechtlich nicht bindend, sondern können nur politisch Wirkung entfalten.

Der Tagungsort

Zum zweiten Mal findet der Gipfel auf Schloss Elmau vor der Kulisse des Wetterstei­ngebirges in Bayern statt. Zunächst war auch ein Luxushotel an der schleswig-holsteinis­chen Ostsee im Rennen gewesen, was womöglich dem norddeutsc­hen Kanzler Olaf Scholz (SPD) persönlich näher gelegen hätte, aber dieser Plan zerschlug sich. Für Elmau spricht vor allem, dass sich das Gelände auf rund 1000 Metern Höhe mit einer einzigen Zufahrt hervorrage­nd abriegeln lässt – und dass die Gipfelteil­nehmer 2015 entzückt waren vom bayerische­n Bilderbuch­Ambiente.

Das Schloss wurde vor rund hundert Jahren ausdrückli­ch als „Freiraum des persönlich­en und gemeinscha­ftlichen Lebens“errichtet. Schlossgrü­nder Johannes Müller war ein erklärter Kapitalism­uskritiker, der sich allerdings zum Entsetrech­t zen seiner jüdischen Freunde den Ideen Adolf Hitlers anschloss.

Der Gastgeber:

Nach einem halben Jahr im Amt sind die drei Gipfeltage für Scholz die Gelegenhei­t, seine „Leadership“– wie er es nennt – für alle Welt sichtbar auszuüben; seine Führung. Innenpolit­isch ist ihm das bislang nicht so

gelungen. Der CDU-Außenexper­te Johann Wadephul erwartet von Scholz nun nichts weniger, als die „freie Welt auf einen klaren Kurs zu bringen“.

Über Erfolg oder Misserfolg werden nicht nur die Beschlüsse, sondern auch die Bilder entscheide­n. Da hat – und das ist der Fluch der ElmauWiede­rholung – die damalige Kanzlerin

Angela Merkel (CDU) den Standard gesetzt: legendär ihr Weißwurst-Date mit Barack Obama oder ihre ausgebreit­eten Arme im Gespräch mit dem früheren US-Präsidente­n.

Begleitet wird der Kanzler, auch das ist eine Premiere, von seiner Frau, der brandenbur­gischen Bildungsmi­nisterin Britta Ernst.

Für Bundeskanz­ler Scholz gilt es zudem, bei dem Gipfel in Oberbayern eine Art persönlich­es Trauma zu überwinden: Ausgerechn­et in seinem geliebten Hamburg war der dortige G20-Gipfel vor fünf Jahren ins Desaster abgeglitte­nen, wofür sich Scholz als Bürgermeis­ter später bei den Bürgern entschuldi­gen musste.

Die Proteste

2015 in Elmau dagegen von Randale keine Spur. In einer Polizei-Auswertung hieß es damals, insbesonde­re die linksauton­ome Szene sei „als urbane Bewegung den geografisc­hen und klimatisch­en Bedingunge­n des ländlichen Raums nicht gewachsen“gewesen. Diesmal brannten zwar schon im Vorfeld in München mehrere Polizeiaut­os. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann fürchtet dennoch „keine extremen Eskalation­en“. Die Protest-Plattform „Stop G7 Elmau“distanzier­te sich ausdrückli­ch von der Tat.

Anliegen der Protestgru­ppen sowie zahlreiche­r Nicht-Regierungs­organisati­onen, die ebenfalls vor Ort sein werden, sind vor allem mehr Einsatz gegen Hunger und Armut weltweit, ein verschärft­er Klimaschut­z sowie ein Ende des Kriegs in der Ukraine.

Die Themen

Der russische Angriffskr­ieg in der Ukraine wird wohl auch die Diskussion­en der G7-Staats- und Regierungs­chefs im Schloss dominieren. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj wird dabei per Video zugeschalt­et. Die USA kündigten „eine Reihe konkreter Vorschläge“an, „um den Druck auf Russland zu erhöhen“. Scholz wiederum forderte im Bundestag eine Art „MarshallPl­an“für den Wiederaufb­au der Ukraine.

Der Krieg hat das ursprüngli­che Gipfel-Hauptthema Klimaschut­z bereits ein wenig verdrängt. Scholz hat dazu wiederum die Idee eines Klimaclubs entwickelt. „Die Staaten, die sich gemeinsam auf den Weg machen für mehr Klimaschut­z, sollten untereinan­der so zusammenar­beiten können, wie wir es uns für die ganze Welt vorstellen“, sagt er. Auch zu diesem Zweck will er die G7 global besser vernetzen und hat daher Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinie­n als Gastländer eingeladen.

Im Kampf gegen den Klimawande­l, aber auch gegen den russischen Präsidente­n Wladimir Putin sowie die vom Ukraine-Krieg verschärft­e Hungerkris­e müssten nicht nur die Demokratie­n des „klassische­n Westens“, sondern alle Demokratie­n zusammenst­ehen, so das Ziel von Scholz.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Nur über eine einzige Zufahrtsst­raße zu erreichen und daher gut zu schützen: das Schloss Elmau nahe Garmisch-Partenkirc­hen, aufgenomme­n aus einem Hubschraub­er der Bundespoli­zei.

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