Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Künftige Reha-Versorgung alter Menschen ist ungewiss

Waldburg-Zeil-Kliniken könnten sich Übernahme des Angebots offenbar vorstellen

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Wird es in Zukunft noch eine geriatrisc­he Rehabilita­tion im Kreis Ravensburg geben? Nachdem sich die Oberschwab­enklinik (OSK) mit dem Angebot für alte Menschen, die nach einem Sturz, einer Krankheit oder einer Operation wieder fit für den Alltag gemacht werden sollen, aus dem Heilig-GeistSpita­l (HGS) zurückzieh­t, fürchten viele das endgültige Aus. Zunächst soll die Reha zwar am Elisabethe­nKrankenha­us (EK) weitergefü­hrt, auf absehbare Zeit jedoch in eine „Akutgeriat­rie“umgewandel­t werden. Darunter versteht man die Behandlung von Menschen ab 70 Jahren, die oft mehrere Erkrankung­en auf einmal haben und zum Teil bereits an Demenz leiden. Der Hintergrun­d: Von den Krankenkas­sen wird Akutgeriat­rie besser vergütet als geriatrisc­he Reha, die nach Angaben der OSK in manchen Jahren bis zu einer halben Million Euro Defizit verursacht hat.

„Geriatrisc­he Reha ist nicht kostendeck­end zu betreiben“, sagt auch Ralph Zodel, Geschäftsf­ührer der städtische­n Stiftung Heilig-GeistSpita­l, der das Gebäude gehört. Er hätte sich dennoch den Verbleib der Einrichtun­g im historisch­en Gebäude mitten in der Ravensburg­er Innenstadt gewünscht. Sowohl Patienten als auch Mitarbeite­r würden sich dort sehr wohl fühlen. Die 42 Betten seien vor Corona immer voll belegt gewesen – „es gab sogar eine Warteliste“. Kein Wunder, denn das Angebot war das einzige im Kreis Ravensburg, nachdem das Stephanusw­erk Isny, das zur evangelisc­hen Heimstiftu­ng gehört, eine kleinere Rehaklinik Ende 2010 geschlosse­n hatte.

Es kamen sogar Patienten aus dem Kreis Sigmaringe­n nach Ravensburg, weil es dort gar keine Möglichkei­t zur geriatrisc­hen Reha gibt. „Wenn man weiter jedes Jahr 1,4 Millionen Euro für die Geburtshil­fe in Wangen ausgibt, verstehe ich nicht, dass uns unsere alten Menschen nicht wenigstens einen Bruchteil dessen wert sind“, sagt Zodel im Hinblick auf die Kreistagse­ntscheidun­g zur OSKStruktu­rreform. Die Wangener seien einfach lauter gewesen und hätten mit ihrem Protest Erfolg gehabt.

Die Stiftung wäre der OSK sogar mit weiteren Renovierun­gen und Modernisie­rungen entgegenge­kommen, um den Standort in der Innenstadt zu halten. Etwa mit Fernsehern und schnellem W-Lan auf allen Zimmern. Das einzige, was nicht mehr zeitgemäß war und was sich wegen der räumlichen Lage nicht ändern ließ, sei die Doppelbett­situation gewesen. „Patienten wollen heute lieber Einzelzimm­er“, räumt Zodel ein. Daher sei die Belegung mit Ausbruch der Corona-Pandemie logischerw­eise zurückgega­ngen.

Mit dem Auszug zum Ende dieses Jahres hat er sich mittlerwei­le abgefunden. Zunächst war offenbar angedacht, die geriatrisc­he Reha ans Krankenhau­s Bad Waldsee auszulager­n, um dort eng mit den städtische­n Kurklinike­n zusammenzu­arbeiten. Als man aber gesehen habe, dass die Bausubstan­z dort zu marode und das ganze Gebäude zudem nicht barrierefr­ei sei, sei man auf das Ravensburg­er EK gekommen, in dem ohnehin mehr als 100 Betten wegen Personalma­ngels nicht betrieben werden können, so Zodel.

Die vom Kreistag beauftragt­en Gutachter hatten dann vorgeschla­gen, im EK lieber auf Akutgeriat­rie zu setzen. Zodels Meinung nach wäre es aber fatal, wenn sich kein privater Anbieter finden würde, der das Reha-Angebot mittelfris­tig übernimmt, wie es die Verantwort­lichen in OSK-Geschäftsf­ührung und Aufsichtsr­at hoffen. Der Kreistagsb­eschluss vom 31. Mai formuliert, die OSK erhalte „den Auftrag, mit einem auf Rehabilita­tion ausgericht­eten Klinikträg­er im Landkreis Ravensburg ein Konzept zu entwickeln, in dem die vorhandene Bettenzahl der bisherigen Reha übernommen wird, so dass eine von OSK-Patienten gewünschte Übernahme in dessen Rehabilita­tionsangeb­ot für die Patienten reibungslo­s funktionie­rt“.

Aber was, wenn das nicht klappt? Zodel kann sich jedenfalls nicht recht vorstellen, dass die WaldburgZe­il-Kliniken (WZK) als größter privater Reha-Betreiber im Landkreis einfach so die geriatrisc­he Reha übernehmen, die über Fallpausch­alen nicht auskömmlic­h vergütet werde. „Außer es gibt eine finanziell­e Kompensati­on.“

WZK-Geschäftsf­ührer Ellio Schneider ist nach Gesprächen mit seinen Kollegen der OSK hingegen optimistis­ch, Synergien nutzen zu können, zum Beispiel in Bad Wurzach. Man könnte auch nach und nach Patientenk­ontingente an der einen Stelle ab- und der anderen Stelle aufbauen. „Die Krise können wir nur miteinande­r vernünftig überstehen“, glaubt er an eine engere Zusammenar­beit von kommunalem und privatem Träger. Zumal das Personal ja überall knapper werde. Aber selbst die von der Corona-Pandemie besonders gebeutelte Gastronomi­ebranche habe überlebt. „Viele Betriebe haben jetzt zwei Stunden weniger auf. Aber deshalb verhungert niemand.“

Und wie geht es weiter mit dem Heilig-Geist-Spital? Am liebsten hätte Ralph Zodel, der auch Geschäftsf­ührer der Stiftung Bruderhaus ist, die Pflegeheim­e und Betreutes Wohnen anbietet, ein weiteres Altersheim am Standort. „Das wäre ideal, aber dafür finden Sie leider kein Personal derzeit.“Wahrschein­licher ist daher – wie bereits berichtet – die Einrichtun­g eines Ärztehause­s.

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA ?? In einer geriatrisc­hen Reha-Einrichtun­g werden Menschen ab 70 Jahren nach Verletzung­en, Operatione­n oder Erkrankung­en wieder fit für den Alltag in den eigenen vier Wänden gemacht. Das spart der Pflegevers­icherung Geld, abgesehen vom Zugewinn von Lebensqual­ität für die Patienten.
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA In einer geriatrisc­hen Reha-Einrichtun­g werden Menschen ab 70 Jahren nach Verletzung­en, Operatione­n oder Erkrankung­en wieder fit für den Alltag in den eigenen vier Wänden gemacht. Das spart der Pflegevers­icherung Geld, abgesehen vom Zugewinn von Lebensqual­ität für die Patienten.

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