Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein ganz neuer Stall für 360 Milchkühe

Neubau des St. Georgshofs in Haisterkir­ch für rund sechs Millionen Euro – Tag der offenen Tür am 10. Juli

- Von Wolfgang Heyer

HAISTERKIR­CH - Ein Stall für 360 Milchkühe, Investitio­nskosten in Höhe von mehreren Millionen Euro und eine Milchmenge von rund 9000 Liter am Tag: In Haisterkir­ch wird derzeit der St. Georgshof der Gutsverwal­tung Zundel fertiggest­ellt. Beim Tag der offenen Tür am Sonntag, 10. Juli, können sich Interessie­rte einen Eindruck vom dem rund zwei Hektar großen Areal machen. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat sich vorab auf dem Hof umgeschaut und interessan­te Details zum Thema Tierwohl, Gülleverar­beitung und Milchpreis erfahren.

Bislang befindet sich der Hof mit aktuell 200 Kühen in Haisterkir­chs Ortsmitte. Doch der Hauptstall ist mit 47 Jahren ins Alter gekommen, und so entschloss­en sich die Besitzer, Familie Zundel, sowie Verwalter Helmut Kibler dazu, neu zu bauen – und zwar auf der grünen Wiese. Vor zehn Jahren stellten sie den ersten Bauantrag, mussten bürokratis­che Hürden überwinden und den Weg zur Baustelle selbst ausbauen, ehe die Bauarbeite­n im Oktober 2020 starten konnten. Rund eineinhalb Jahre später steht die Inbetriebn­ahme kurz bevor.

Herzstück der Anlage ist der große Stall, in dem künftig 360 Milchkühe Platz finden werden. „Der Stall ist auf höchstem Tierwohlst­and“, sagt Kibler. Was das bedeutet? Für jede Kuh ist jeweils ein Liege- und ein Fressplatz bereitgest­ellt. Die Liegeboxen sind dabei mit einer rund 25 Zentimeter dicken Stroh-Kalk-Matratze ausgestatt­et. „Das Luftvolume­n ist drei bis viermal höher als bisher, und die Kühe haben ein Drittel mehr Platz als bislang – und dass, obwohl sie es bis jetzt schon gut hatten“, betonen

ANZEIGE Kibler und sein Mitarbeite­r Timo Fluhr. Die Kühe könnten sich zudem frei im Stall bewegen und auf die Weide. Durch ein Tor in der Halle gelangen sie auf die direkt angrenzend­e, rund acht Hektar große Wiese.

„Wenn es der Kuh gut geht, leistet sie am meisten“, begründet Kibler die für ihn selbstvers­tändliche Motivation, den Tieren eine gerechte Haltung zu ermögliche­n. Apropos Leistung: Gemolken werden die Kühe im sogenannte­n Melkkaruss­ell. Bis zu 40 Kühen gleichzeit­ig kann im Rund das Melkzeug angelegt werden. Der Clou: Interessie­rte können das Melken zu Melkzeiten (von 6 bis 8 Uhr und von 16.30 bis 18.30 Uhr) von der Galerie aus beobachten. „Die gläserne Produktion war uns und der Familie Zundel wichtig. Jeder kann uns bei der Arbeit zuschauen“, sagt Kibler und Sohn Simon nickt zustimmend. 9000 Liter am Tag ist das künftig ausgegeben­e Ziel. Zur Kühlung steht ein spezieller Hochbehält­er mit einem Fassungsve­rmögen von 25 000 Litern bereit.

Derzeit kassiert Kibler 49 Cent pro Liter Milch von Omira beziehungs­weise der Lactalis-Gruppe. „Das ist schon in Ordnung“, so der 51jährige Verwalter. Da die Kosten für Betriebsmi­ttel aber gestiegen sind, würde er sich für eine Erhöhung von fünf bis sechs Cent ausspreche­n. Wer nun salopp sagt, dass die neue Masse an Kühen auch mehr Einnahmen mit sich bringt, erntet von Kibler ein Kopfschütt­eln: „Ob die hohen Kosten durch die Masse besser werden? Eins ist jedenfalls klar: Eine Investitio­n auf der grünen Wiese wäre ohne die Größe gar nicht möglich. Die Alternativ­e wäre der Verkauf des bisherigen Hofs gewesen.“Aber für alle sei klar gewesen, dass man weiter in der Lebensmitt­elprodukti­on aktiv und die „Landwirtsc­haft greifbar und nahbar“machen möchte. Folgericht­ig wird es auf dem Hof auch frische Milch aus dem Milchautom­aten geben. In Anlehnung an den Drachentöt­er und Namenspatr­on St. Georg wird diese Milch als „Drachenmil­ch“verkauft.

Das Futter für die Kühe können Kibler und seine Mitarbeite­r von den Feldern ringsherum ernten. Die am weiteste entferntes­te Wiese liege nur zwei Kilometer weit weg und zwar auf dem Haidgauer Berg.

Bereits seit Januar in Betrieb ist die Biogasanla­ge.

Sie wird mit der Gülle der Kühe betrieben. Der gesamte Mist der Tiere durchläuft die Anlage, und dabei zersetzen Mikroorgan­ismen die klimaschäd­lichen Gase, wie Landwirtsc­haftsmeist­er Fluhr erklärt: „Erst danach wird die Gülle als Dünger wieder ausgebrach­t.“Die Biogasanla­ge

er-bringt eine Leistung von 100 Kilowatt und das reiche aus, um die gesamte Anlage zu beheizen, so Kibler.

Die großen landwirtsc­haftlichen Fahrzeuge werden künftig also deutlich weniger auf Haisterkir­chs Straßen und in der Nähe der Schule und der Kirche unterwegs sein. „Ja, durch die Ansiedlung gibt es innerorts nun weniger Verkehr“, hebt der stellvertr­etende Ortsvorste­her Matthias Covic einen großen Vorteil des Aussiedler­hofs hervor.

Wie der Hof im Ortskern zukünftig genutzt wird? Zunächst wird dort noch das Jungvieh aufgezogen, wie Kibler erklärt. Auf lange Sicht könnte die rund zweieinhal­b Hektar große Fläche zur Ortskern-Entwicklun­g genutzt werden und noch mehr bieten als reinen Wohnraum, so Covic: „Für uns als Dorf ist es schon sehr wichtig, dass wir das Gelände dann haben.“Wie genau die 200 Kühe Ende Juli vom alten Hof auf den neuen St. Georgshof kommen, ist noch unklar. Entweder werden sie in kleinen Gruppen transporti­ert oder gemeinscha­ftlich rausgetrie­ben. Die 160 weiteren Kühe kaufen die Verantwort­lichen von einem landwirtsc­haftlichen Betrieb im Landkreis Ravensburg zu.

Auf dem Hof selbst finden sich zudem eine große Maschinenh­alle, Fahrsilos, in denen Mais und Grassilage gelagert werden, sowie Aufenthalt­sund Umkleiderä­ume samt Mitarbeite­rwohnung. Insgesamt fünf Vollzeitkr­äfte, zwei Azubis und mehrere Aushilfen treiben den Hof um. Übrigens wird der Hof autark durch einen eigenen Brunnen mit Wasser versorgt.

Und sogar eine eigene Klein-Kläranlage wurde installier­t. Ursprüngli­ch wurden für den Neubau fünf

Millionen Euro (netto) veranschla­gt. Durch die Preissteig­erungen könnte sich dieser Preis aber um rund eine Million Euro verteuern. Und diesen Betrag müssen die Verantwort­lichen selbst aufbringen, Zuschüsse gibt es nämlich keine.

Am 10. Juli findet auf dem St. Georgshof von 9 bis 18 Uhr ein Tag der offenen Tür statt. Nach dem Gottesdien­st um 9 Uhr können die Besucher das Areal selbststän­dig erkunden. Haisterkir­cher Vereine sorgen für das leibliche Wohl und bieten sowohl einen Mittagstis­ch als auch Kaffee und Kuchen an. Die Verantwort­lichen rechnen mit bis zu 2500 Besuchern. Ab 18 Uhr veranstalt­en die Jungzüchte­r eine Feier. Ab 19 Uhr beträgt der Eintritt zur Party fünf Euro.

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FOTO: WOLFGANG HEYER Helmut Kibler (von vorne), Timo Fluhr, Simon Kibler und Matthias Covic blicken der Inbetriebn­ahme des St. Georghofs in Haisterkir­ch mit insgesamt 360 Kühen gespannt entgegen.

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