Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Linke erteilt Wagenknech­t-Fans Abfuhr

Janine Wissler und Martin Schirdewan sollen Partei aus der Existenzkr­ise führen

- Von André Bochow

ERFURT - Es ist nicht so, dass die Linken im Internet zimperlich­er wären als andere Leute. Aber manches verblüfft dann doch. „Ekelhafte Hunde“twitterte Sarah Dubiel, Sprecherin der Linksjugen­d. „Wer mit dem Kopf schüttelt während das AwarenessT­eam spricht, hat keinen Platz in der Linken.“Das Sorgsamkei­ts-Team soll auf dem Parteitag vor sexuellen Übergriffe­n schützen.

Jenseits dessen verlief der Parteitag am Wochenende in Erfurt geordnet und verhältnis­mäßig ruhig. All jenen, die den Ernst der Lage anzweifelt­en, wurde durch den Gründungsv­ater, Gregor Gysi, Aufklärung zuteil. „Wir brauchen keine Trennung von Amt und Mandat – denn wenn wir so weitermach­en, haben wir bald keine Mandate mehr. Das ist die absolute Trennung.“

Im Hinterkopf hatte jeder Delegierte die jüngeren Wahlergebn­isse der Linken. Die Partei wurde in westdeutsc­hen Ländern in die Kategorie „Sonstige“zurückkata­pultiert. Im Bund erscheint die Fünf-ProzentHür­de inzwischen als unüberwind­lich.

Für die Wahlergebn­isse übernahm in Erfurt niemand die Verantwort­ung. Und auch sonst wurden Themen ausgeklamm­ert. „Es gibt in der Partei viel Kritik an der Bundestags­fraktion“, sagt Ellena Schumacher Koelsch aus Schwäbisch Hall, die sich mit achtbarem Ergebnis aber erfolglos für den Bundesvors­tand beworben hatte. „Das ist hier kaum zur Sprache gekommen. Schade.“

Tatsächlic­h lobten die Fraktionsv­orsitzende­n Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch die Arbeit der Genossen im Bundestag über den grünen Klee. „Lasst uns stolz auf diese Fraktion sein“, rief Bartsch dem

Parteitag zu, der wiederum „eine Tür aufgestoße­n“habe.

Das sieht Sören Pellmann anders. Der Bundestags­abgeordnet­e mit Leipziger Direktmand­at wollte Parteivors­itzender werden, bekam aber nur etwas über 30 Prozent der Stimmen. Stattdesse­n steht nun an der Seite der wiedergewä­hlten Janine Wissler der Europapoli­tiker Martin Schirdewan, der über 60 Prozent erhielt. Pellmann, der zumindest einen guten Kontakt zu der in Erfurt wegen Krankheit abwesenden Sahra Wagenknech­t hat, sieht sich einer konzertier­ten Aktion gegenüber, die eine Mehrheit in fast allen Fragen zustande brachte. Denn auch in Sachen Krieg und Frieden setzten sich jene durch, die ohne Wenn und Aber Russland zum Schuldigen am Überfall auf die Ukraine erklärten. „Die haben hier alles dominiert“, sagt Pellmann. Gemeint sein kann nur das Lager, das sich gegen Wagenknech­t und ihre Anhänger stellt.

Sören Pellmann will nun erst einmal nachdenken. Darum, ihn einzubinde­n, habe sich niemand bemüht.

„Keiner aus der Parteiführ­ung ist zu mir gekommen.“Das könnte sich rächen. Denn auch andere denken über ihre Zukunft in der Partei nach. Wagenknech­t selbst meldete sich aus der Ferne mit scharfer Kritik zu Wort. „Nach diesem Parteitag gibt es kaum Hoffnung, dass die Linke ihren Niedergang stoppen kann“, sagte Wagenknech­t am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

„Ich hätte kein Problem damit, wenn sich das Wagenknech­t-Lager abspalten würde“, meint indes Ellena Schumacher Koelsch. „Ich hätte mir gewünscht, dass Sahra Wagenknech­t auf dem Parteitag auftritt. Dann hätte man sich mit ihr auseinande­rsetzen können. Es muss nämlich Schluss sein damit, dass Politik in Talkshows gemacht wird. Und dann auch noch regelmäßig gegen unsere Partei.“

Fraktionsc­hef Bartsch dagegen will, dass man sich auf den politische­n Gegner konzentrie­rt. „Wir sind eine Partei oder keine“beschwört Bartsch die Zuhörer. Viel Beifall bekommt er nicht.

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FOTO: MARTIN SCHUTT/DPA Martin Schirdewan rückt an der Seite von Janine Wissler als Linken-Chef nach. In der Partei geht die Sorge vor dem Bedeutungs­verlust um.

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