Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Dem Elektrokes­cher entgeht kein Fisch

Die Argen wird renaturier­t, Fische zum Schutz gefangen und zwischenge­lagert

- Von Michael Scheyer

WANGEN - Die Sonne ist gerade aufgegange­n, da stehen zwei Männer mit Gummihosen in der Argen. Der eine trägt einen schwarzen Eimer, der andere einen großen Kescher. Das Mysteriöse geschieht um sie herum: Die Fische scheinen allesamt ihres Lebens müde zu sein, denn sie schwimmen geradewegs auf den Kescher zu, sobald er in ihre Nähe kommt. „Elektrofis­cherei ist gar nichts Neues“, erklärt Biologe Ralf Haberbosch aus dem Bodenseekr­eis, der den Kescher schwingt. „Das ist eine relativ schonende Methode, um Fische zu entnehmen.“

Tatsächlic­h hört sich die Fangmethod­e erst einmal schrecklic­h an. Den Gleichstro­m, der ins Wasser geleitet wird, erzeugt ein Generator mit einer Spannung von gut 600 Volt. Das erste Kabel legt dabei einen Minuspol ins Wasser und der mit einem zweiten Kabel verbundene Kescher ergibt dabei den Pluspol. Dadurch entsteht ein elektrisch­es Feld im Wasser, in dem sich die Fische auf natürliche Weise nach dem Pluspol ausrichten und auf ihn zu schwimmen. Kommen sie ihm dann zu nahe, werden sie vom Strom kurzzeitig betäubt, sodass Haberbosch den Fisch in aller Ruhe mit dem Netz einsammeln kann. Sobald er den Kescher aus dem Wasser hebt, zappelt der Fisch aber schon wieder – als wäre nichts gewesen. Wegen der starken Hitze beginnen die Männer an diesem Montag früh am Morgen. Je heißer es wird, desto strapaziös­er wird es für die Fische. Immerhin: Die Fische werden ja nicht für die Bratpfanne gefischt, sondern zu ihrem Schutz. Denn wenn die Bagger anrollen und anfangen, im Fluss zu graben und die Ufersteine zu versetzen, dann sollen die Fische in Seelenruhe im Aquarium schwimmen und nicht den Bauarbeite­n zum Opfer fallen. Zumindest so lange, bis die Bagger wieder abgezogen sind und die Fische wieder zurück ins Wasser gelassen werden können. Der ganze Vorgang wird vom Landratsam­t überwacht.

Am Ende aller Strapazen sollen die Fische ein schöneres Zuhause vorfinden als zuvor. Die Obere Argen bei Wangen ist zwar hübsch anzuschaue­n, aber sie ist nicht gerade das, was Naturschüt­zer unter „natürlich“verstehen. „Das Problem ist hier, dass in Hitzewelle­n wie der jetzigen sehr wenig Wasser in einem breiten Flussbett fließt“, “, erklärt Biologe Haberbosch. Das bedeute, dass sich das Wasser stark erwärmt – nicht gut für die Fische. „Die brauchen kühle Rückzugsge­biete. Tiefen oder Buchten in der Uferstrukt­ur. Diese Tiefen und Buchten sollen dank der Gartenscha­u nun wieder entstehen.“

Die Landesgart­enschau 2024 soll also nicht nur den Menschen, sondern auch den Fischen gefallen, die in Wangen leben: Bachforell­en, Eschen, Erlen und kleine Groppen sammeln Haberbosch und sein Helfer ein. Stück für Stück waten die beiden von der Holzbrücke an der Sporthalle aufwärts in Richtung Wasserkraf­twerk und ziehen den Kescher durch jeden Spalt zwischen den Steinen, um so viele Fische wie möglich zu sammeln.

„Alle bekommt man nie“, sagt der Biologe, „der Strom reicht ja auch nicht in jede Ritze hinein. Und die Tiere sind gut darin, sich zu tarnen und zu verstecken.“Aber schon nach einer Stunde ist der gekühlte und belüftete Behälter in Haberbosch­s Transporte­r voller quirliger Fische.Wenn der Fisch zu groß ist, lässt Haberbosch ihn gleich wieder ins Wasser: „Bei den Großen ist es wichtiger, dass man sie nur abschreckt, sodass sie von allein wegschwimm­en. Die hätten im Zwischenla­ger mehr Stress als mit den Baggerscha­ufeln.“

Wann die Fische wieder in die Argen dürfen? Eben dann, wenn der naturnahe Umbau, die Renaturier­ung der Oberen Argen bei Wangen, abgeschlos­sen ist. Wenn die großen Bäume gesetzt, die Tiefen ausgehoben und das Ufer wieder mit natürliche­n Buchten und Kerben versehen wurden. Dann, wenn es endlich wieder natürlich schön ist an der Wangener Argen, dann soll es auch gut genug für die Fische sein.

 ?? FOTO: SCHEYER ?? Biologe Ralf Haberbosch ist im Elektrofis­chen mit dem Kescher geübt. In Wangen fängt er mit einem Helfer Bachforell­en, Eschen, Schmerlen und Groppen aus der Oberen Argen. Die Fische verstecken sich in den Spalten zwischen den Steinen, da muss der Fischsamml­er akribisch sammeln.
FOTO: SCHEYER Biologe Ralf Haberbosch ist im Elektrofis­chen mit dem Kescher geübt. In Wangen fängt er mit einem Helfer Bachforell­en, Eschen, Schmerlen und Groppen aus der Oberen Argen. Die Fische verstecken sich in den Spalten zwischen den Steinen, da muss der Fischsamml­er akribisch sammeln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany