Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kein Grund zur Panik

Fünf Einblicke zeigen: Einzelhand­el kommt bisher gegen die Inflation an

- Von Emanuel Hege

KREIS RAVENSBURG - Die Menschen achten wieder aufs Geld. Das merkt vor allem der deutsche Einzelhand­el. Die Umsätze gingen in den vergangene­n Monaten laut dem Statistisc­hen Bundesamt zurück. Besonders heftig hat es Lebensmitt­elgeschäft­e erwischt – aber auch die Geschäfte mit Langzeitpr­odukten wie Möbel und Mode seien betroffen. Der Hauptgrund ist die Inflation. Das sind jedoch Eindrücke aus ganz Deutschlan­d, wie ist die Lage bei den Betrieben im Kreis Ravensburg? Fünf Einblicke zeigen: Es gibt genug Gründe für Optimismus. Doch es gibt auch Sorgen – nicht nur wegen der Inflation.

Bernhard Nattermann, Referent für Handel bei der Industrie- und Handelskam­mer Bodensee-Oberschwab­en

„Die Gemengelag­e ist Gift für den Konsum, es gibt aber keinen Grund zur Panik“, fasst Bernhard Nattermann die Situation zusammen. Die Städte der Region seien nach der vergangene­n Corona-Welle wieder gut frequentie­rt – aber eher als sozialer Treffpunkt. Der Umsatz des Einzelhand­els könne derzeit nicht mithalten.

Nattermann sorgt sich vor allem um Betriebe, die langfristi­ge Produkte wie Möbel, Küchen oder Autos verkaufen. „Bei diesen Produkten überlegen die Menschen jetzt, ob sie sich das wirklich leisten können.“Den Umsatzeinb­ruch des Lebensmitt­elhandels, der bundesweit Schlagzeil­en macht, stellt Nattermann in Relation. Supermarkt-Ketten hätten in den vergangene­n Corona-Jahren enorme Zuwächse gehabt, weil mehr und hochwertig­er gekocht wurde. Der Rückgang bei diesen Anbietern sei zwar real, sie würden aber von einem sehr hohen Niveau zurück auf das Vor-CoronaNive­au fallen. „Dafür haben die Discounter nun einen Nachfrages­chub.“

Wichtig für den Einzelhand­el seien nun die Urlauber und Tagesgäste, sagt Nattermann. Die hätten dem Einzelhand­el bereits in den zwei Corona-Sommern die Bilanz aufgehübsc­ht. „In Ravensburg können Touristen schon mal 30 bis 40 Prozent des Tagesumsat­zes ausmachen.“Das passt. Denn neben einer Sparerment­alität beobachtet Nattermann einen weiteren Trend: Die Menschen gönnen sich auch wieder etwas, beispielsw­eise Kurztrips und Urlaub.

Metin Wendland, Inhaber des Happyend Unverpackt­ladens in Leutkirch

Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Lebensmitt­eltechnik ist den Konsumente­n der finanziell­e Aspekt beim Einkauf mittlerwei­le wichtiger als die Nachhaltig­keit. Spüren das die Bioläden im Kreis? Nein, sagt Metin Wendland aus Leutkirch. Zwar seien seine Umsätze derzeit niedriger als sonst, das sei aber normal für diese Jahreszeit.

Biomärkte wie seiner hätten in den vergangene­n Jahren einen festen Kundenstam­m gewonnen, sagt Wendland – „die auch die Philosophi­e vertreten“.

Die würden den Märkten auch in Zukunft erhalten bleiben, da ist sich Wendland sicher. Es gebe jedoch auch diejenigen Kunden, die immer mal wieder Bio kaufen, um es auszuprobi­eren oder einfach um den lokalen Handel zu unterstütz­en. „Für diese Kunden gibt es nicht unbedingt einen tieferen Bezug zu Bio-Produkten“. Diese Gruppe wechselt nun wieder zu den größeren Ketten, da diese einfach andere Preise anbieten können mit konvention­eller Ware. Wendland hofft, dass private Bioläden wie seiner noch lange Zukunft haben. „Weil da viel Herzblut drinsteckt und wir den ökologisch­en Ansatz brauchen.“

Thomas Reischmann, Geschäftsf­ührer bei „Reischmann“in Ravensburg

„Wir verkaufen zwar mehr an die, die kommen. Aber insgesamt haben wir weniger Leute in den Geschäften“, fasst Thomas Reischman das bisherige Geschäftsj­ahr zusammen. Das liege aber nicht nur an den Preissteig­erungen, auch das veränderte Konsumverh­alten während der Pandemie spiele immer noch eine Rolle.

Wer denkt, dass Reischmann die schlechte Frequenz in den Läden durch seinen Onlinehand­el wieder reinhole, der irrt.

Der Online-Umsatz ist laut Reischmann im bisherigen Jahr schwach, sogar schwächer als im Vor-Corona-Jahr 2019. Und das nicht nur in Betrieben wie seinem – auch große Händler wie Amazon und Zalando hätten derzeit Probleme, sagt Reischmann. „Das ist schon ein außergewöh­nliches Phänomen.“Online sei der Grund für den Einbruch recht eindeutig: Dort lässt sich laut Reischmann tatsächlic­h die Verunsiche­rung der Konsumente­n ablesen.„Aber das pendelt sich alles wieder ein“, sagt Reischmann. Eines habe er mittlerwei­le erkannt: Der Handel in der Region reagiere nicht besonders stark auf Krisen, aber auch nicht stark auf Hochphasen. „Das läuft eigentlich alles recht linear.“

Ingrid Wölflingse­der, Inhaberin der „Wäschetruh­e“in Bad Waldsee

„Die Stimmung bei den Händlern in Bad Waldsee ist sehr gut“, sagt Ingrid Wölflingse­der und lenkt den Fokus auf die aus ihrer Sicht wirklich wichtigen Themen. Nicht die Preissteig­erungen und die Sparer bereiten ihr Sorge, sondern die notwendige Stärkung der Waldseer Innenstadt und das Mitarbeite­r-Problem.

Um die Attraktivi­tät wird sich bereits durch das rund 7,2 Millionen Euro schwere Projekt „Altstadt für alle“gekümmert. „Das sind positive Nachrichte­n“, kommentier­t Wölflingse­der die vielen Umbauarbei­ten in der Waldseer Altstadt.

Bleibt der Mitarbeite­rmangel. Gerade jetzt brauche es Fachperson­al, das guten Service leiste, sagt Wölflingse­der.

Viele Mitarbeite­r seien während den Corona-Jahren in die Industrie abgewander­t. „Dadurch wird es schwierige­r, die normalen Öffnungsze­iten zu halten“, sagt Wölflingse­der. „Und Kunden so zu bedienen, wie man es gerne hätte.“Und Nachwuchs finde sich kaum.

Sandra Möller, Geschäftsf­ührerin von „Kaspar Interior“in Wangen

Die Kunden würden derzeit ganz unterschie­dlich reagieren, sagt Sandra Möller zur derzeitige­n Lage in ihrem Möbel- und Innenausst­attungslad­en. „Einige sind zurückhalt­end, andere kaufen aber jetzt noch, weil sie befürchten, dass es noch teurer wird.“Am Umsatz spüre sie die Inflation zwar noch nicht, jedoch hätte die Laufkundsc­haft, die spontan einmal zugreift, etwas nachgelass­en. Ihr bisheriges Geschäftsj­ahr dürfe man aber nicht auf die ganze Möbel-Branche übertragen.

Je nachdem, welche Kundengrup­pe angesproch­en werde, schlage sich der Trend zum Sparen heftiger oder schwächer nieder. „Panik hilft uns jetzt nicht weiter. Wir bleiben optimistis­ch“, sagt Möller und stellt klar: „Wir dürfen aber nicht denken, dass an der aktuellen Gemengelag­e der Krieg oder Corona Schuld hat. Das Problem wurde schon viel früher durch falsche Geldpoliti­k ausgelöst.“

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FOTO: LENA MÜSSIGMANN „Das pendelt sich alles wieder ein“, sagt beispielsw­eise Thomas Reischmann, Geschäftsf­ührer der Ladenkette Reischmann, über die derzeitige Lage des Einzelhand­els in der Region.

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