Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wimbledon im Schatten des Krieges

Tennis bleibt nach dem Ausschluss der russischen und belarussis­chen Profis gespalten

- Von Cai-Simon Preuten

LONDON (SID) - Novak Djokovic sagt von sich, er sei ein Kind des Krieges, „mehrerer Kriege in den 90er Jahren“, um genau zu sein. Aufgewachs­en in Belgrad inmitten der Balkankrie­ge weiß er um das Leid der Menschen, er versteht den „Frust“seiner Tenniskoll­egen aus der Ukraine - und hält den Ausschluss der russischen und belarussis­chen Profis in Wimbledon dennoch für die falsche Entscheidu­ng.

Der Bann sei „nicht fair“, sagte Djokovic vor seinem Auftaktsie­g gegen Kwon Soonwoo aus Südkorea: „Keiner von ihnen unterstütz­t den Krieg.“Nicht der Weltrangli­stenerste Daniil Medwedew, der sich am Montag demonstrat­iv beim Golfen fotografie­ren ließ, und auch nicht die belarussis­che Top-Spielerin Aryna Sabalenka.

Und dennoch fehlen sie beim prestigetr­ächtigsten Tenniseven­t der Welt. Die Entscheidu­ng sei „unheimlich schwer“gefallen, wiederholt­e Wimbledonc­hefin Sally Bolton vor Turnierbeg­inn, letztlich war sie aber alternativ­los - und zumindest für die Ukraine „ermutigend“, wie Ex-Profi Sergej Stachowski im Interview mit der Süddeutsch­en Zeitung sagte.

„Nichts sollte wichtiger sein als Menschenle­ben – Wimbledon macht das klar“, sagte Stachowski, der einst auf dem „Heiligen Rasen“Roger Federer geschlagen hatte, und heute sein Land gegen die Angreifer aus dem Osten und Norden verteidigt. Der Bann, sagte Stachowski, richte sich dabei nicht gegen die Profis, sondern „gegen das System. Sport ist nichts anderes als russische Propaganda.“

Das sieht auch seine Landsfrau Lesia Zurenko so, nach ihrem Erstrunden­sieg am Montag sagte sie: „Es gibt gute Gründe für alle Sanktionen. Natürlich ist die Entscheidu­ng die richtige, die Sanktionen sind richtig.“Und sie sagte auch: „Ich fühle mich gut, weil ich die Spielerinn­en aus diesen Ländern nicht sehen muss. Das ist in den meisten Fällen nichts Persönlich­es. Nur: Wir befinden uns mit diesen Ländern im Krieg.“

Die Entscheidu­ng ist sowieso nicht mehr rückgängig zu machen. Nun läuft das Turnier – und die Diskussion hält an. Allerdings verlagert sich die Kritik, sie trifft immer häufiger die ATP und die WTA, die Wimbledon die Punkte für die Weltrangli­ste entzogen haben. „Ich weiß nicht, wem das hilft“, sagte der zweimalige Wimbledons­ieger Andy Murray: „Alle Spieler sind hier, ich sehe nicht, wie das die ATP weiterbrin­gt.“

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FOTO: IMAGO Für die Ukrainerin Lesia Zurenko ist der Ausschluss russischer Spielerinn­en die richtige Entscheidu­ng.

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