Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ärzte sahen kein Gefährdungspotenzial bei Messerangreifer
Nigerianischer Tatverdächtiger war nach Randale in Flüchtlingsheim bereits im Mai kurz in der Psychiatrie
FRIEDRICHSHAFEN - Von den fünf Menschen, die am Sonntagabend bei einem Messerangriff in der Gemeinschaftsunterkunft in Kressbronn zum Teil schwer verletzt worden sind, befindet sich nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“keiner mehr in Lebensgefahr. Die Leiche des getöteten 38-jährigen Syrers wurde am Dienstag obduziert, ein Ergebnis wird laut Auskunft der Polizei für Mittwoch erwartet.
Ein 31-jähriger, aus Nigeria stammender Bewohner der Unterkunft in Kressbronn soll am Sonntag kurz vor 22 Uhr an Zimmertüren geklopft und dann wahllos mit einem Messer auf Frauen und Männer eingestochen haben. Ein 38-jähriger Mann aus Syrien erlitt dadurch so schwere Verletzungen, dass er noch am Tatort verstarb, vier Frauen zwischen 28 und 34 Jahren sowie ein 37-jähriger Mann wurden schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Nach der Bluttat hatte sich der mutmaßliche Täter vor dem Gebäude ohne Gegenwehr von der Polizei festnehmen lassen. Die bei der Kriminalpolizeidirektion Friedrichshafen eingerichtete Ermittlungsgruppe war am Dienstag laut Polizeisprecher Oliver Weißflog vor allem damit befasst, die anderen Bewohner der Unterkunft zu befragen. Ziel sei es, „den Geschehensablauf akribisch aufzuarbeiten“.
Die Hintergründe sind bislang nicht geklärt. Zu Gerüchten über einen kürzlich abgelehnten Asylantrag oder eine von den Behörden abgelehnte Ausreise gab es bislang keine offizielle Stellungnahme.
Offen sind auch noch Details zur Krankengeschichte des mutmaßlichen Täters. Denn der Mann war erst vor wenigen Wochen von der Polizei ins Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Weißenau gebracht worden, nachdem er andere Bewohner mit einem
Messer oder einem ähnlichen Gegenstand bedroht hatte. Verletzt wurde damals laut Polizei und Staatsanwaltschaft niemand.
Ausreichende Gründe für eine Festnahme sahen die Ermittlungsbehörden damals nicht. Wie Oberstaatsanwältin Christine Weiss, Pressereferentin der Staatsanwaltschaft Ravensburg, am Dienstag sagte, waren die Voraussetzungen dafür nicht gegeben.
Der 31-Jährige verließ die ZfP offenbar bereits am Tag nach der Einweisung wieder. Tilman Steinert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im ZfP Weißenau, sagte der „Schwäbischen Zeitung“am Dienstag nach Durchsicht der Akten: „Wenn ich als Gutachter zu so einem Fall hinzugezogen würde, würde ich hier auf jeden Fall zu dem Schluss kommen, dass da alles richtig gemacht wurde.“Grundsätzlich sei eine Unterbringung von Menschen möglich, um andere zu schützen. Die rechtlichen Hürden dafür seien aber hoch. „Zunächst einmal muss eine akute Gefährdung vorliegen – gegen andere oder gegen sich selbst“, so Steinert, Darüber hinaus müsse gesichert sein, dass eine psychische Erkrankung vorliege. Und schließlich müsse es einen kausalen Zusammenhang zwischen der akuten Gefährdung und der Erkrankung geben. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall aus Sicht der behandelnden Ärzte offenbar nicht gegeben.
Die Bewohner der Unterkunft waren nach der Bluttat in einer anderen Gemeinde untergebracht worden. Wann sie zurückkehren dürfen, ob sie überhaupt zurückkehren oder das Landratsamt dort andere Menschen unterbringen wird, ist noch unklar. „Das klären wir bei den Bewohnerinnen und Bewohnern gerade ab“, teilt dazu Robert Schwarz, Pressesprecher des Landratsamtes, mit.