Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eine Nacht mit der Autobahnmeisterei
A-96-Sperrung wegen Tunnelwartung bei Herfatz – Was Autofahrer nervt, ist notwendig für die Sicherheit
HERFATZ - Immer wenn Florian Baumann auf Autobahnen in Deutschland unterwegs ist, guckt er nach dem Rechten. „Meine Mitfahrer haben dafür dann häufig kein Verständnis. Das ist schon eine Berufskrankheit“, lacht Baumann, während er auf der leeren A 96 durch die Nacht fährt. Baumann liebt seine Arbeit als Streckenwart. Das sagt der 32-Jährige ganz direkt. Es merkt aber auch jeder, der mit ihm einige Minuten verbringt. Nach 16 Jahren bei der Autobahnmeisterei Wangen habe er durchaus eine Art Beziehung zu der Strecke zwischen Lindau und Aitrach aufgebaut, sagt Baumann und zeigt auf seinen Unterarm. Zwischen dutzenden Tattoos sticht dort eine weiße „96“auf blauen Grund hervor. Das Zeichen seines zweiten Zuhauses.
Zwei Nächte war die WestallgäuAutobahn zwischen den Ausfahrten Wangen West und Wangen Nord in dieser Woche geschlossen – wegen Wartungsarbeiten im Herfatz-Tunnel. Was die Autofahrer nervt, ist für die Autobahnmeisterei ein wichtiger Beitrag zur Sicherheit der Fahrer. Einige Stunden mit Streckenwart Florian Baumann zeigen, welche Arbeit, aber auch Leidenschaft hinter der Selbstverständlichkeit Autobahn steckt.
Das Projekt Tunnelwartung startet am Montag um 22 Uhr mit der Sperrung der Autobahn. Zweimal im Jahr werden Baken, Pylonen und Durchfahrt-Verboten-Schilder an den zwei Wangener Ausfahrten aufgebaut. Neben zehn Mitarbeitern der Autobahnmeisterei sind weitere Männer eines Dienstleistungsunternehmens im Einsatz, die die komplette Technik des Tunnels untersuchen. Jede Aufgabe, jeder Schritt ist in einem minutengenauen Plan festgehalten. Es ist der größte Einsatz dieser Art für das Team der Autobahnmeisterei im Jahr. Abgesehen von der Tunnelübung mit der Feuerwehr und Rettungskräften. Die findet nach fünf Jahren im Oktober wieder statt. Kaum ist die Strecke gesperrt, beginnt vor dem Betriebsgebäude am Tunnelportal in Richtung Leutkirch reger Betrieb – ein halbes Dutzend Einsatzfahrzeuge blinken mit ihren orangefarbenen Sirenen um die Wette. Während im Betriebsgebäude unter anderem die Wasserpumpe für die Löscheinrichtungen und ein Einkaufswagen großer Dieselmotor für den Falle eines Stromausfalls geprüft werden, macht im Tunnel ein Tanklaster den Anfang. Dieser hat an der Seite einen Teleskoparm montiert, der wiederum in 14 Öffnungen endet, die in einer Linie aufgereiht sind. Der Laster setzt sich in Bewegung, der Teleskoparm fährt in die Höhe und mit einem lauten Zischen schießt Wasser aus den 14 Öffnungen. Der Laster reinige so die Deckenlichter, auf die sich über die Monate eine Schicht aus Dreck durch Abgase lege, erklärt Baumann. Überhaupt sei Licht im Tunnel sehr wichtig. „Stell dir vor, wenn man bei hellem Tageslicht in einen Tunnel ohne ausreichend Licht fährt. Das ist echt gefährlich.“
Apropos Gefahr: Anfang des Jahres gab die Landesregierung bekannt, dass hunderte Brücken im Land in einem schlechten baulichen Zustand sind. Doch wie steht es um die Tunnel? Bei sechs von 14 Autobahntunnel im Bereich der Autobahn GmbH Südwest stehen Sanierungen oder Nachrüstungen an, berichtet eine Sprecherin auf Nachfrage. Beispielsweise laufen bereits Arbeiten im Engelbergtunnel bei Stuttgart. Für die kommenden drei Sanierungen schätzt die Autobahn GmbH die Kosten auf 35 Millionen Euro. Auch der Landkreis Ravensburg verantwortet zwei Tunnel: Den B 30-Wernerhoftunnel bei Ravensburg und dem B 12-Felderhaldetunnel bei Isny. Dank regelmäßiger Erneuerungen der Ausstattung, Technik und Sanierungsarbeiten seien die beiden Tunnel in einem guten Zustand, sagt Landkreis-Sprecherin Selina Nußbaumer. „Es stehen keine grundlegenden Sanierungsarbeiten an den Bauwerken an.“
Zurück am Tunnel Herfatz. Gegen 23 Uhr setzt sich Florian Baumann hinters Steuer, er muss die Absperrungen und die Umleitung prüfen. „Jedes Licht an der Bake muss brennen, die Abstände der Absperrungen müssen stimmen und die Umleitung ausgeschildert sein“, erklärt er. Alles streng nach Vorschrift. Baumann ist schon seit 2006 bei der Autobahnmeisterei, hat dort die Ausbildung zum Streckenwärter absolviert und leitet mittlerweile Einsätze wie die Tunnel-Wartung. Er lebt den Job, nicht nur mit seinem A 96-Tattoo – sein Haus liegt direkt neben der Autobahnmeisterei. „Zwei Minuten Arbeitsweg“, sagt Baumann und grinst.
Seit 2021 gehört die Autobahnmeisterei nicht mehr zum Regierungspräsidium Tübingen, sondern zur neu gegründeten Autobahn GmbH, die vom Bundesverkehrsministerium finanziert wird. Die Abläufe hätten sich verändert, sagt Baumann, die Aufgaben sind gleich geblieben. Unfallstellen sichern, die Fahrbahn reinigen sowie Grün- und Winterdienst. Über allen steht das Ziel der Sicherheit. Die wird nicht nur durch eine gepflegte Fahrbahn gesichert, sondern vor allem durch vorsichtige Fahrer. Der Job sei in den vergangenen Jahren nicht gerade einfacher geworden, sagt Baumann und zeigt zwischen der Talbrücke Obere Argen und Wangen West auf mehrere ineinander verlaufende Bremsstreifen auf der Fahrbahn: „Ein Maserati und ein VW am vergangenen Samstag. An dem Tag war echt viel los.“Der Verkehr hat laut Baumann über die Jahre deutlich zugenommen – das sorge für mehr Arbeit bei der Meisterei. „Früher konnte man nachts auf der A 96 spazieren gehen“, erinnert sich der Streckenwart. Mittlerweile brettern rund 40 000 Fahrzeuge jeden Tag über die Westallgäu-Autobahn. Besonders der Güterverkehr habe zugenommen, so Baumann. Weil es immer voller wird, werde das Team der Autobahnmeisterei außerdem häufiger beschimpft, sagt Baumanns Vorgesetzter Manfred Oswald. Er würde sich mehr Verständnis für sein Team und den Beruf wünschen. „Die Autobahnen sind die Schlagadern des Landes“, sagt Oswald, und sie seien diejenigen, die diese Schlagadern am Laufen halten. Wieder im Auto mit Florian Baumann. Die Absperrungen und die Umleitung sind fehlerfrei, also zurück zum Tunnel. „Einfach geil“, sagt Baumann und zeigt auf die näher rückende Röhre, die mittlerweile in grellem Gelb die Dunkelheit durchbricht. Alle Lichter sind eingeschaltet, um zu prüfen, welche defekt sind und ausgetauscht werden müssen. Baumann steuert auf einige Kollegen zu, die schwere Gullydeckel aus der Fassung hieven. Ihnen folgt ein Laster mit zwei Schläuchen. Ein Mitarbeiter versenkt beide Schläuche in den geöffneten Schacht und winkt die übrigen Personen zur Seite: Wasser Marsch! Der dünnere der beiden Schläuche schießt Wasser in den Schacht, das noch 20 Meter weiter aus Öffnungen am Rande der Fahrbahn sprenkelt. Der dickere Schlauch saugt derweil losgelöste Erde, Äste und Müll aus dem Schacht. Auch hier geht es um die Sicherheit. Der Abfluss muss immer frei sein, damit auch bei Starkregen das Wasser abläuft und nicht die Fahrbahn flutet.
Es ist mittlerweile nach Mitternacht und Baumann ist zufrieden mit dem Fortschritt. Während das Dienstleistungsunternehmen den Tunnel weiter auf Herz und Nieren prüft, werden die Mitarbeiter der Autobahnmeisterei in den nächsten Stunden die Vollsperrung für Grünarbeit am Streckenrand nutzen. Außerdem wird mit schwerem Gerät die Fahrbahn ausgebessert. „Alles, was geht, machen wir in diesen zwei Nächten. Denn tagsüber würden wir mit der gleichen Arbeit den Verkehr belasten“, erklärt Baumann. Jetzt brauche er aber erst einmal einen Kaffee. Danach geht es weiter, auf die 56,2 Kilometer zwischen Lindau und Aitrach, die Baumann auf seiner Haut verewigt hat.