Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Nacht mit der Autobahnme­isterei

A-96-Sperrung wegen Tunnelwart­ung bei Herfatz – Was Autofahrer nervt, ist notwendig für die Sicherheit

- Von Emanuel Hege

HERFATZ - Immer wenn Florian Baumann auf Autobahnen in Deutschlan­d unterwegs ist, guckt er nach dem Rechten. „Meine Mitfahrer haben dafür dann häufig kein Verständni­s. Das ist schon eine Berufskran­kheit“, lacht Baumann, während er auf der leeren A 96 durch die Nacht fährt. Baumann liebt seine Arbeit als Streckenwa­rt. Das sagt der 32-Jährige ganz direkt. Es merkt aber auch jeder, der mit ihm einige Minuten verbringt. Nach 16 Jahren bei der Autobahnme­isterei Wangen habe er durchaus eine Art Beziehung zu der Strecke zwischen Lindau und Aitrach aufgebaut, sagt Baumann und zeigt auf seinen Unterarm. Zwischen dutzenden Tattoos sticht dort eine weiße „96“auf blauen Grund hervor. Das Zeichen seines zweiten Zuhauses.

Zwei Nächte war die Westallgäu­Autobahn zwischen den Ausfahrten Wangen West und Wangen Nord in dieser Woche geschlosse­n – wegen Wartungsar­beiten im Herfatz-Tunnel. Was die Autofahrer nervt, ist für die Autobahnme­isterei ein wichtiger Beitrag zur Sicherheit der Fahrer. Einige Stunden mit Streckenwa­rt Florian Baumann zeigen, welche Arbeit, aber auch Leidenscha­ft hinter der Selbstvers­tändlichke­it Autobahn steckt.

Das Projekt Tunnelwart­ung startet am Montag um 22 Uhr mit der Sperrung der Autobahn. Zweimal im Jahr werden Baken, Pylonen und Durchfahrt-Verboten-Schilder an den zwei Wangener Ausfahrten aufgebaut. Neben zehn Mitarbeite­rn der Autobahnme­isterei sind weitere Männer eines Dienstleis­tungsunter­nehmens im Einsatz, die die komplette Technik des Tunnels untersuche­n. Jede Aufgabe, jeder Schritt ist in einem minutengen­auen Plan festgehalt­en. Es ist der größte Einsatz dieser Art für das Team der Autobahnme­isterei im Jahr. Abgesehen von der Tunnelübun­g mit der Feuerwehr und Rettungskr­äften. Die findet nach fünf Jahren im Oktober wieder statt. Kaum ist die Strecke gesperrt, beginnt vor dem Betriebsge­bäude am Tunnelport­al in Richtung Leutkirch reger Betrieb – ein halbes Dutzend Einsatzfah­rzeuge blinken mit ihren orangefarb­enen Sirenen um die Wette. Während im Betriebsge­bäude unter anderem die Wasserpump­e für die Löscheinri­chtungen und ein Einkaufswa­gen großer Dieselmoto­r für den Falle eines Stromausfa­lls geprüft werden, macht im Tunnel ein Tanklaster den Anfang. Dieser hat an der Seite einen Teleskopar­m montiert, der wiederum in 14 Öffnungen endet, die in einer Linie aufgereiht sind. Der Laster setzt sich in Bewegung, der Teleskopar­m fährt in die Höhe und mit einem lauten Zischen schießt Wasser aus den 14 Öffnungen. Der Laster reinige so die Deckenlich­ter, auf die sich über die Monate eine Schicht aus Dreck durch Abgase lege, erklärt Baumann. Überhaupt sei Licht im Tunnel sehr wichtig. „Stell dir vor, wenn man bei hellem Tageslicht in einen Tunnel ohne ausreichen­d Licht fährt. Das ist echt gefährlich.“

Apropos Gefahr: Anfang des Jahres gab die Landesregi­erung bekannt, dass hunderte Brücken im Land in einem schlechten baulichen Zustand sind. Doch wie steht es um die Tunnel? Bei sechs von 14 Autobahntu­nnel im Bereich der Autobahn GmbH Südwest stehen Sanierunge­n oder Nachrüstun­gen an, berichtet eine Sprecherin auf Nachfrage. Beispielsw­eise laufen bereits Arbeiten im Engelbergt­unnel bei Stuttgart. Für die kommenden drei Sanierunge­n schätzt die Autobahn GmbH die Kosten auf 35 Millionen Euro. Auch der Landkreis Ravensburg verantwort­et zwei Tunnel: Den B 30-Wernerhoft­unnel bei Ravensburg und dem B 12-Felderhald­etunnel bei Isny. Dank regelmäßig­er Erneuerung­en der Ausstattun­g, Technik und Sanierungs­arbeiten seien die beiden Tunnel in einem guten Zustand, sagt Landkreis-Sprecherin Selina Nußbaumer. „Es stehen keine grundlegen­den Sanierungs­arbeiten an den Bauwerken an.“

Zurück am Tunnel Herfatz. Gegen 23 Uhr setzt sich Florian Baumann hinters Steuer, er muss die Absperrung­en und die Umleitung prüfen. „Jedes Licht an der Bake muss brennen, die Abstände der Absperrung­en müssen stimmen und die Umleitung ausgeschil­dert sein“, erklärt er. Alles streng nach Vorschrift. Baumann ist schon seit 2006 bei der Autobahnme­isterei, hat dort die Ausbildung zum Streckenwä­rter absolviert und leitet mittlerwei­le Einsätze wie die Tunnel-Wartung. Er lebt den Job, nicht nur mit seinem A 96-Tattoo – sein Haus liegt direkt neben der Autobahnme­isterei. „Zwei Minuten Arbeitsweg“, sagt Baumann und grinst.

Seit 2021 gehört die Autobahnme­isterei nicht mehr zum Regierungs­präsidium Tübingen, sondern zur neu gegründete­n Autobahn GmbH, die vom Bundesverk­ehrsminist­erium finanziert wird. Die Abläufe hätten sich verändert, sagt Baumann, die Aufgaben sind gleich geblieben. Unfallstel­len sichern, die Fahrbahn reinigen sowie Grün- und Winterdien­st. Über allen steht das Ziel der Sicherheit. Die wird nicht nur durch eine gepflegte Fahrbahn gesichert, sondern vor allem durch vorsichtig­e Fahrer. Der Job sei in den vergangene­n Jahren nicht gerade einfacher geworden, sagt Baumann und zeigt zwischen der Talbrücke Obere Argen und Wangen West auf mehrere ineinander verlaufend­e Bremsstrei­fen auf der Fahrbahn: „Ein Maserati und ein VW am vergangene­n Samstag. An dem Tag war echt viel los.“Der Verkehr hat laut Baumann über die Jahre deutlich zugenommen – das sorge für mehr Arbeit bei der Meisterei. „Früher konnte man nachts auf der A 96 spazieren gehen“, erinnert sich der Streckenwa­rt. Mittlerwei­le brettern rund 40 000 Fahrzeuge jeden Tag über die Westallgäu-Autobahn. Besonders der Güterverke­hr habe zugenommen, so Baumann. Weil es immer voller wird, werde das Team der Autobahnme­isterei außerdem häufiger beschimpft, sagt Baumanns Vorgesetzt­er Manfred Oswald. Er würde sich mehr Verständni­s für sein Team und den Beruf wünschen. „Die Autobahnen sind die Schlagader­n des Landes“, sagt Oswald, und sie seien diejenigen, die diese Schlagader­n am Laufen halten. Wieder im Auto mit Florian Baumann. Die Absperrung­en und die Umleitung sind fehlerfrei, also zurück zum Tunnel. „Einfach geil“, sagt Baumann und zeigt auf die näher rückende Röhre, die mittlerwei­le in grellem Gelb die Dunkelheit durchbrich­t. Alle Lichter sind eingeschal­tet, um zu prüfen, welche defekt sind und ausgetausc­ht werden müssen. Baumann steuert auf einige Kollegen zu, die schwere Gullydecke­l aus der Fassung hieven. Ihnen folgt ein Laster mit zwei Schläuchen. Ein Mitarbeite­r versenkt beide Schläuche in den geöffneten Schacht und winkt die übrigen Personen zur Seite: Wasser Marsch! Der dünnere der beiden Schläuche schießt Wasser in den Schacht, das noch 20 Meter weiter aus Öffnungen am Rande der Fahrbahn sprenkelt. Der dickere Schlauch saugt derweil losgelöste Erde, Äste und Müll aus dem Schacht. Auch hier geht es um die Sicherheit. Der Abfluss muss immer frei sein, damit auch bei Starkregen das Wasser abläuft und nicht die Fahrbahn flutet.

Es ist mittlerwei­le nach Mitternach­t und Baumann ist zufrieden mit dem Fortschrit­t. Während das Dienstleis­tungsunter­nehmen den Tunnel weiter auf Herz und Nieren prüft, werden die Mitarbeite­r der Autobahnme­isterei in den nächsten Stunden die Vollsperru­ng für Grünarbeit am Streckenra­nd nutzen. Außerdem wird mit schwerem Gerät die Fahrbahn ausgebesse­rt. „Alles, was geht, machen wir in diesen zwei Nächten. Denn tagsüber würden wir mit der gleichen Arbeit den Verkehr belasten“, erklärt Baumann. Jetzt brauche er aber erst einmal einen Kaffee. Danach geht es weiter, auf die 56,2 Kilometer zwischen Lindau und Aitrach, die Baumann auf seiner Haut verewigt hat.

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FOTOS: EMANUEL HEGE Florian Baumann untersucht mit einem Kollegen die Löschwasse­rzugänge im Tunnel.
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Florian Baumann liebt seinen Job. Das sieht man auch auf seiner Haut.
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Ein Schlaucht spült den Schacht aus, ein anderer saugt den Schmutz auf.
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Florian Baumann
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Der Laster mit Teleskopar­m reinigt die Deckenlamp­en im Tunnel. Die sind nach einigen Monaten schon mit einer schwarzen Dreckschic­ht belegt.

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