Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kritische Gespräche in Katar
Weshalb der DFB-Präsident und die Innenministerin ins WM-Gastgeberland reisen
FRANKFURT (SID) - Die Generalsekretärin wurde bereits in die Wüste geschickt, der Präsident macht sich bald mit der Innenministerin auf den Weg, der Nationalmannschaftschef kritisiert deutlich wie nie: Knapp fünf Monate vor der WM-Endrunde wird der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht und steht mittlerweile eindeutig im Lager der KatarKritiker.
Dass DFB-Boss Bernd Neuendorf mit der für den Sport zuständigen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD, Fotos: dpa) ins Emirat reisen wird, ist ein weiteres Indiz für die immer deutlicher zutage tretende Haltung des Verbandes: Der DFB macht keinen Hehl mehr daraus, dass die äußerst umstrittene Vergabe ins Emirat aus seiner Sicht ein Fehler war.
„Wie konnte die FIFA die WM in dieses Land geben?“, fragte DFB-Direktor Oliver zuletzt mit Blick auf die von vielen Seiten angeprangerte Menschenrechtslage im Land des WMGastgebers. Gleichzeitig kündigte
Bierhoff an, dass der DFB bei ähnlichen Entwicklungen nicht mehr tatenlos zusehen wolle. Der Verband müsse darauf einwirken, „dass die nächste Vergabe auch nur an Länder erfolgt, in der solche Dinge nicht passieren“. Damit liegt der DFB voll auf der Linie von Katar-Chefkritikerin Lise Klaveness. „Es ist wichtig, dass wir Fußballchefs noch mehr tun, um eine weitere negative Entwicklung im internationalen Fußball zu verhindern“, sagte die norwegische Verbandspräsidentin, die sich zu Wochenbeginn wie andere Delegationen aus europäischen Verbänden auf den Weg an den Persischen Golf gemacht hat, um mit dem WM-Organisationskomitee und der katarischen Regierung über die Menschenrechtslage zu diskutieren.
DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich ist als Mitglied der zuständigen Arbeitsgruppe der Europäischen Fußball-Union (UEFA) sogar von Amts wegen immer wieder vor Ort.
Kritische Gespräche peilen sicher auch Neuendorf und Faeser bei ihrer Reise an. Was Neuendorf von der Wüsten-WM hält, machte er bereits deutlich. „Die Vergabe ist fragwürdig“, sagte der 60-Jährige zuletzt. „Ob es wirklich die größte und tollste Veranstaltung aller Zeiten wird – dahinter würde ich mal ein Fragezeichen setzen.“Mit dieser Aussage reagierte der DFB-Boss auf die jüngste Einlassung von FIFA-Präsident Gianni Infantino, der „die größte Show der Welt und die beste WM aller Zeiten“versprach.
Die Äußerungen Neuendorfs lassen erahnen, dass der DFB-Präsident als künftiges Mitglied im FIFA-Council eine Oppositionsrolle zu Infantino einnehmen dürfte. „Natürlich registriere ich die Kritik an Infantino“, sagte Neuendorf, der aber noch vorsichtig formuliert: „Ich will aber erst einmal persönlich in einen Dialog mit ihm treten.“Die Reise nach Katar könnte gute Gesprächsthemen liefern.