Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Feuerwehr will im Falle einer Flut vorbereitet sein
Ahrtal-Katastrophe zeigt Notwendigkeit von Notfallplänen – Kommandant Kai Willach fordert Unterstützung
RAVENSBURG (len) - Die Katastrophe im Ahrtal hat gezeigt, wie wichtig die frühe Warnung der Bevölkerung bei vorhersehbaren Extremwetterereignissen ist. Der Ravensburger Feuerwehrkommandant Kai Willach möchte vor diesem Hintergrund in der Stadt flächendeckend wieder Sirenen installieren und Notfall-Einsatzpläne ausarbeiten lassen.
Willach sagt, für diese Aufgabe müsse es über kurz oder lang eine Abteilung Bevölkerungsschutz innerhalb der Feuerwehr geben. Aufgabe der Abteilung wäre es unter anderem, Pläne für Extremwetterereignisse, Pandemien aber auch für Energiemangellagen zu schmieden. „Damit wir im akuten Fall nicht feststellen und beurteilen müssen: Wo und wie fangen wir jetzt an?“Es gehe um Fragen wie: „Wo wird es kritisch bei Hochwasser, Starkregen oder Dürreperioden?“, nennt Willach Beispiele. Um solche Szenarien und die Reaktion der Feuerwehr auszuarbeiten – „dafür braucht es berufliche Experten, das können wir im Ehrenamt schon rein zeitlich nicht mehr abbilden“. Er fordert einen beruflichen Abteilungsleiter.
Willach ist seit zweieinhalb Jahren der erste hauptamtliche Kommandant der Ravensburger Feuerwehr. Und er sagt klar, dass er weitere berufliche Experten brauche, um die wachsenden künftigen Feuerwehraufgaben zu bewältigen.
Er finde in der Verwaltungsspitze mit der Forderung Gehör, dass mehr hauptamtliches Personal benötigt wird. Nach den Vorgängen im Ahrtal spreche man unweigerlich über solche Szenarien. Und Willach sagt: „So was kann bei uns durchaus auch passieren.“In dem Flusstal an der Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Juli 2021 war nach Starkregen eine ganze Region in den Fluten versunken, 134 Menschen starben. Danach kam die Frage auf, ob die Bevölkerung früher und besser hätte gewarnt werden müssen. Für den Bevölkerungsschutz sei nämlich jede Kommune zunächst selbst verantwortlich, so lange die Schwelle zur Katastrophe nicht überschritten sei.
Eine neue Abteilung Bevölkerungsschutz hätte auch eine schnelle und gezielte Warnung der Bevölkerung im Notfall auszuarbeiten. In Ravensburg werde dafür wieder ein flächendeckendes Sirenennetz installiert, kündigt Willach an. Für ihn „ein zwingendes Muss“. In den 1990er-Jahren wurden die Sirenen, die einst Standard waren, vielerorts abgeschafft. Die Stadt Ravensburg hat aber schon einen Förderantrag
gestellt, um wieder welche aufzubauen.
Wann die Abteilung entsteht, ist noch nicht entschieden. Personalstellen wie die für Bevölkerungsschutz werden nicht zwischen Tür und Angel genehmigt, wie Willach sagt. Er werde für die weitere Beratung darüber nun ein organisatorisches Konzept für die Stabstelle Feuerwehr erstellen und lasse da auch Erfahrungen einfließen, die er aus seinem bundesweiten Netzwerk beziehe. Willach war vor seinem Wechsel nach Ravensburg bei den Berufsfeuerwehren in Berlin und Düsseldorf.
Eine Personalaufstockung gab es schon seit seinem Beginn als erster hauptamtlicher Kommandant bei der Ravensburger Feuerwehr. Seit Frühjahr 2022 gibt es einen Abteilungsleiter Technik in der Stabsstelle Feuerwehr, der für die technische Weiterentwicklung und für die Mitarbeiter verantwortlich ist, die in den Atemschutz- und Schlauchwerkstätten arbeiten sowie Reparaturen und Instandsetzung der Gerätschaften übernehmen. Auch eine Abteilung Verwaltung gibt es schon
für die Feuerwehr mit hauptberuflichen Mitarbeiterinnen.
Die Verstärkung durch Hauptamtliche ändere aber zunächst nichts am Konzept der Freiwilligen Feuerwehr. „Die operative Gefahrenabwehr betreiben wir die nächsten 10 bis 15 Jahre sicherlich und hoffentlich weiterhin rein ehrenamtlich“, so Willach.
Rund 320 aktive Feuerwehrleute hat Willach aktuell, 21 davon sind Feuerwehrfrauen. Corona habe keinen Einbruch bei den Mitgliederzahlen bedeutet. „Ich habe eher den Eindruck, dass sich viele Gedanken darüber gemacht haben, wie man sich für die Allgemeinheit engagieren kann“, sagt Willach.
Doch Willach berichtet auch von einer Entwicklung, die ihm nicht gefällt. Die Feuerwehr werde immer wieder zu vermeintlichen Notlagen hinzugerufen, die aus seiner Sicht auch die Bürger alleine hätten lösen können. „Bei schätzungsweise rund fünf Prozent der Einsätze hätte man die Feuerwehr nicht rufen müssen“, sagt er. Wenn zum Beispiel im Keller zwei Zentimeter hoch Wasser stehe, weil ein Waschmaschinenschlauch
undicht gewesen sei, dann könne man sich selbst helfen.
„Wenn wir den Betroffenen in solchen Fällen sagen, das ist kein Einsatz für die Feuerwehr, dann ernten wir leider immer öfter Unverständnis. Es heißt dann: ,Sie sind doch sowieso da.’“Aber das stimme nicht. Die Frauen und Männer verließen ihre Familien oder ihren Arbeitsplatz,
um in den Einsatz zu gehen – sie leisteten alle zusammen Tausende Stunden pro Jahr nahezu unentgeltlich zum Wohl der Bevölkerung, wie Willach sagt. Wenn Bagatellen der Anlass für Alarmierungen sind, dann empfindet er das „als missinterpretiertes ehrenamtliches Engagement und Entwertung unserer Arbeit“.