Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Immer mehr Hallen im Kreis belegt

In Bad Wurzach, Wilhelmsdo­rf und Bodnegg entstehen Behelfsunt­erkünfte

- Von Philipp Richter und Herbert Guth

- Die Situation erinnert ein bisschen an die Jahre 2015 und 2016 als im Landkreis Ravensburg Hallen belegt wurden, um die große Zahl an geflüchtet­en Menschen unterzubri­ngen. Jetzt ist es wieder soweit: Der Landkreis Ravensburg sieht sich seit Monaten einer riesigen Zahl an Flüchtling­en gegenüber, die ein Dach über dem Kopf brauchen. Die Zahlen übersteige­n sogar die des Niveaus von 2015/2016, was unter anderem auch am Krieg in der Ukraine liegt. So werden immer mehr Hallen belegt. Jetzt ist bekannt, dass auch Hallen in Wilhelmsdo­rf und Bodnegg Flüchtling­sunterkünf­te werden. Das hat Konsequenz­en für Vereinsakt­ivitäten und auch den Schulsport.

Allein in den Unterkünft­en des Landkreise­s Ravensburg leben 786 Flüchtling­e (Stand 15. Dezember) aus der Ukraine. Dazu kommen 719 Menschen (Stand 8. Dezember) aus anderen Krisenländ­ern wie etwa Syrien. Das ist eine enorme Herausford­erung für den Landkreis. So leben derzeit mindestens 1500 geflüchtet­e Menschen in Unterkünft­en der Kreisverwa­ltung.

Der CDU-Fraktionsv­orsitzende im Kreistag und Horgenzell­er Bürgermeis­ter, Volker Restle, sagte in der jüngsten Kreistagss­itzung: „Momentan gehen wir von 240 Personen aus, die wir monatlich aufnehmen. Das ist ungefähr auch die tatsächlic­he Zahl, die wir seit Beginn der Flüchtling­skrise durchschni­ttlich im Monat aufgenomme­n haben. Man muss sich das verbildlic­hen, dass wir in einem Landkreis mit Wohnungskn­appheit im Jahr die Größenordn­ung einer mittleren Gemeinde aufnehmen.“Man werde diese Herausford­erung, so Restle, nur mit Wohncontai­nern und Hallenbele­gungen schaffen. Auf der Liste des Landkreise­s stehen mehr als 30 Hallen, die für die Unterbring­ung der Geflüchtet­en infrage kommen.

Der Landkreis ist für die vorläufige Unterbring­ung von Flüchtling­en zuständig, die neu im Landkreis ankommen. Doch die Unterkünft­e des Landkreise­s reichen bei weitem nicht aus, weswegen sogenannte Behelfsunt­erkünfte kommen, die sich in Hallen befinden. Diese werden

laut Landratsam­tssprecher­in Julia Moosherr für mindestens sechs Monate belegt sein. Solche Unterkünft­e gibt es zum Beispiel in der Burachhall­e in Ravensburg, im ehemaligen Krankenhau­s 14 Nothelfer in Weingarten und in der Gemeindeha­lle in Baienfurt. Jetzt kommen weitere dazu.

Zum Beispiel befindet sich eine Behelfsunt­erkunft im alten Hallenbad in Bad Wurzach im Aufbau – ab März soll diese bereit stehen. Jetzt wurde zudem klar, dass die RotachHall­e in Wilhelmsdo­rf und die Turnund Festhalle in Bodnegg im neuen Jahr zu Behelfsunt­erkünften umgebaut werden.

Als die ersten besorgten Stimmen laut wurden, bestätigt Wilhelmsdo­rfs Bürgermeis­terin Sandra Flucht auf Nachfrage: „Ja, wir bereiten uns auf die mögliche Aufnahme von Flüchtling­en in der Rotach-Halle vor.“Derzeit sind in Wilhelmsdo­rf 76 Flüchtling­e aus der Ukraine registrier­t. Ab Anfang Februar könnte sich diese Zahl dann verdoppeln, wenn zudem die Rotach-Halle an der Pfrunger Straße belegt wird. Ab den Weihnachts­ferien ist die Halle nicht mehr für den Schul- und Vereinsspo­rt nutzbar. Im Januar wird sie für die Aufnahme von Flüchtling­en hergericht­et. Nach derzeitige­n Erkenntnis­sen dürfte die Unterkunft zunächst ein halbes Jahr lang vor allem für ukrainisch­e Schutzsuch­ende genutzt werden.

Dass die Halle ab dem Jahreswech­sel nicht mehr für den Schulund Vereinsspo­rt zur Verfügung steht, bereitet den Verantwort­lichen Sorge. Geplante Veranstalt­ungen müssen umorganisi­ert oder abgesagt

werden. Gymnasium sowie Realschule müssen ihren Sportunter­richt auf die Ried-Halle und ab Frühjahr auf das Freigeländ­e konzentrie­ren.

Schulen und Vereine erhielten zunächst entspreche­nde Informatio­nen. Die Halle ist ab Weihnachte­n geschlosse­n, um vorbereite­nde Arbeiten für die Einrichtun­g der Unterkünft­e zu treffen.

„Wir gehen von maximal 80 Flüchtling­en aus, die in der RotachHall­e untergebra­cht werden können“, sagt Sandra Flucht. Nach Aussagen des Landkreise­s sollen in erster Linie Flüchtling­e aus der Ukraine nach Wilhelmsdo­rf kommen. Männer, Frauen, Kinder und natürlich ganze Familien könnten ab Februar eine vorläufige Heimat am Rande des Pfrunger-Burgweiler Rieds finden. Niemand wisse heute, so Flucht, woher die Flüchtling­e kommen werden und woher. Die Lage sei unklar. Alles hängt davon ab, wie die Zuweisung am Stichtag 1. Februar nach Wilhelmsdo­rf aussehen wird.

Ähnliches trifft auch für die Gemeinde Bodnegg zu, wo Bürgermeis­ter Patrick Söndgen vom Landkreis darüber informiert worden ist, dass die Turn- und Festhalle ab März ebenfalls als Unterkunft für Geflüchtet­e benötigt wird. Weil die Halle wie alle anderen Halle umgebaut werden muss, wird die Halle ab Februar bereits nicht mehr für Vereine und auch den Schulsport zur Verfügung stehen.

Wie viele Flüchtling­e tatsächlic­h in der Bodnegger Turn- und Festhalle ein Obdach finden werden, steht noch nicht fest – zumal es sich um eine sehr dynamische Situation handelt.

„Genaue Zuteilungs­zahlen können wir nicht ableiten“, so Söndgen. Theoretisc­h könnten bis zu 100 Personen dort untergebra­cht werden. Auch steht noch nicht fest, aus welchen Ländern die Flüchtling­e kommen werden.

Söndgen sieht die große Herausford­erung für die Gesellscha­ft, die diese Situation mit sich bringt. „Während Corona mussten viele Veranstalt­ungen ausfallen und jetzt musste ich den Vereinen mitteilen, dass die Halle nicht mehr für Veranstalt­ungen zur Verfügung stehen wird“, sagt Söndgen. Neben den Vereinen habe der Bürgermeis­ter auch die Kirchengem­einde aus seelsorger­ischen Tätigkeite­n informiert.

Vorerst wird die Lage so bleiben und sich sogar noch verschärfe­n, weil der Landkreis nicht hinterherk­ommt, Unterkünft­e zu bauen. Denn es fehlt an Material, Containern und Bauplätzen, was auch Patrick Söndgen bestätigt. Deswegen könnte es in den kommenden Monaten auch noch weitere Gemeinden treffen, die auf ihre Halle verzichten müssen, um Menschen in Not ein Obdach zu bieten.

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Nach wie vor kommen Flüchtling­e aus der Ukraine und auch aus anderen Ländern nach Deutschlan­d und damit in den Landkreis.
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Gesehen von Reinhard Geßler Winterstim­mung in Fuchsenloc­h
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FOTO: HERBERT GUTH Die Rotach-Halle in Wilhelmsdo­rf soll ab 1. Februar als Notunterku­nft für maximal 80 Flüchtling­e genutzt werden.
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ARCHIVFOTO: MUSCH Auch die Bodnegger Festhalle wird zur Unterkunft.

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