Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Immer mehr Hallen im Kreis belegt
In Bad Wurzach, Wilhelmsdorf und Bodnegg entstehen Behelfsunterkünfte
- Die Situation erinnert ein bisschen an die Jahre 2015 und 2016 als im Landkreis Ravensburg Hallen belegt wurden, um die große Zahl an geflüchteten Menschen unterzubringen. Jetzt ist es wieder soweit: Der Landkreis Ravensburg sieht sich seit Monaten einer riesigen Zahl an Flüchtlingen gegenüber, die ein Dach über dem Kopf brauchen. Die Zahlen übersteigen sogar die des Niveaus von 2015/2016, was unter anderem auch am Krieg in der Ukraine liegt. So werden immer mehr Hallen belegt. Jetzt ist bekannt, dass auch Hallen in Wilhelmsdorf und Bodnegg Flüchtlingsunterkünfte werden. Das hat Konsequenzen für Vereinsaktivitäten und auch den Schulsport.
Allein in den Unterkünften des Landkreises Ravensburg leben 786 Flüchtlinge (Stand 15. Dezember) aus der Ukraine. Dazu kommen 719 Menschen (Stand 8. Dezember) aus anderen Krisenländern wie etwa Syrien. Das ist eine enorme Herausforderung für den Landkreis. So leben derzeit mindestens 1500 geflüchtete Menschen in Unterkünften der Kreisverwaltung.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag und Horgenzeller Bürgermeister, Volker Restle, sagte in der jüngsten Kreistagssitzung: „Momentan gehen wir von 240 Personen aus, die wir monatlich aufnehmen. Das ist ungefähr auch die tatsächliche Zahl, die wir seit Beginn der Flüchtlingskrise durchschnittlich im Monat aufgenommen haben. Man muss sich das verbildlichen, dass wir in einem Landkreis mit Wohnungsknappheit im Jahr die Größenordnung einer mittleren Gemeinde aufnehmen.“Man werde diese Herausforderung, so Restle, nur mit Wohncontainern und Hallenbelegungen schaffen. Auf der Liste des Landkreises stehen mehr als 30 Hallen, die für die Unterbringung der Geflüchteten infrage kommen.
Der Landkreis ist für die vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen zuständig, die neu im Landkreis ankommen. Doch die Unterkünfte des Landkreises reichen bei weitem nicht aus, weswegen sogenannte Behelfsunterkünfte kommen, die sich in Hallen befinden. Diese werden
laut Landratsamtssprecherin Julia Moosherr für mindestens sechs Monate belegt sein. Solche Unterkünfte gibt es zum Beispiel in der Burachhalle in Ravensburg, im ehemaligen Krankenhaus 14 Nothelfer in Weingarten und in der Gemeindehalle in Baienfurt. Jetzt kommen weitere dazu.
Zum Beispiel befindet sich eine Behelfsunterkunft im alten Hallenbad in Bad Wurzach im Aufbau – ab März soll diese bereit stehen. Jetzt wurde zudem klar, dass die RotachHalle in Wilhelmsdorf und die Turnund Festhalle in Bodnegg im neuen Jahr zu Behelfsunterkünften umgebaut werden.
Als die ersten besorgten Stimmen laut wurden, bestätigt Wilhelmsdorfs Bürgermeisterin Sandra Flucht auf Nachfrage: „Ja, wir bereiten uns auf die mögliche Aufnahme von Flüchtlingen in der Rotach-Halle vor.“Derzeit sind in Wilhelmsdorf 76 Flüchtlinge aus der Ukraine registriert. Ab Anfang Februar könnte sich diese Zahl dann verdoppeln, wenn zudem die Rotach-Halle an der Pfrunger Straße belegt wird. Ab den Weihnachtsferien ist die Halle nicht mehr für den Schul- und Vereinssport nutzbar. Im Januar wird sie für die Aufnahme von Flüchtlingen hergerichtet. Nach derzeitigen Erkenntnissen dürfte die Unterkunft zunächst ein halbes Jahr lang vor allem für ukrainische Schutzsuchende genutzt werden.
Dass die Halle ab dem Jahreswechsel nicht mehr für den Schulund Vereinssport zur Verfügung steht, bereitet den Verantwortlichen Sorge. Geplante Veranstaltungen müssen umorganisiert oder abgesagt
werden. Gymnasium sowie Realschule müssen ihren Sportunterricht auf die Ried-Halle und ab Frühjahr auf das Freigelände konzentrieren.
Schulen und Vereine erhielten zunächst entsprechende Informationen. Die Halle ist ab Weihnachten geschlossen, um vorbereitende Arbeiten für die Einrichtung der Unterkünfte zu treffen.
„Wir gehen von maximal 80 Flüchtlingen aus, die in der RotachHalle untergebracht werden können“, sagt Sandra Flucht. Nach Aussagen des Landkreises sollen in erster Linie Flüchtlinge aus der Ukraine nach Wilhelmsdorf kommen. Männer, Frauen, Kinder und natürlich ganze Familien könnten ab Februar eine vorläufige Heimat am Rande des Pfrunger-Burgweiler Rieds finden. Niemand wisse heute, so Flucht, woher die Flüchtlinge kommen werden und woher. Die Lage sei unklar. Alles hängt davon ab, wie die Zuweisung am Stichtag 1. Februar nach Wilhelmsdorf aussehen wird.
Ähnliches trifft auch für die Gemeinde Bodnegg zu, wo Bürgermeister Patrick Söndgen vom Landkreis darüber informiert worden ist, dass die Turn- und Festhalle ab März ebenfalls als Unterkunft für Geflüchtete benötigt wird. Weil die Halle wie alle anderen Halle umgebaut werden muss, wird die Halle ab Februar bereits nicht mehr für Vereine und auch den Schulsport zur Verfügung stehen.
Wie viele Flüchtlinge tatsächlich in der Bodnegger Turn- und Festhalle ein Obdach finden werden, steht noch nicht fest – zumal es sich um eine sehr dynamische Situation handelt.
„Genaue Zuteilungszahlen können wir nicht ableiten“, so Söndgen. Theoretisch könnten bis zu 100 Personen dort untergebracht werden. Auch steht noch nicht fest, aus welchen Ländern die Flüchtlinge kommen werden.
Söndgen sieht die große Herausforderung für die Gesellschaft, die diese Situation mit sich bringt. „Während Corona mussten viele Veranstaltungen ausfallen und jetzt musste ich den Vereinen mitteilen, dass die Halle nicht mehr für Veranstaltungen zur Verfügung stehen wird“, sagt Söndgen. Neben den Vereinen habe der Bürgermeister auch die Kirchengemeinde aus seelsorgerischen Tätigkeiten informiert.
Vorerst wird die Lage so bleiben und sich sogar noch verschärfen, weil der Landkreis nicht hinterherkommt, Unterkünfte zu bauen. Denn es fehlt an Material, Containern und Bauplätzen, was auch Patrick Söndgen bestätigt. Deswegen könnte es in den kommenden Monaten auch noch weitere Gemeinden treffen, die auf ihre Halle verzichten müssen, um Menschen in Not ein Obdach zu bieten.