Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Krönung in der Kaiserstad­t

Markus Söder wird vom CSU-Parteitag in Nürnberg zum Spitzenkan­didaten gekürt

- Von Patrick Guyton

- Die zweite Krönung an diesem Wochenende findet nicht im königliche­n London statt, sondern in der Kaiserstad­t Nürnberg. Nicht München oder andere Orte in Bayern, sondern die FrankenMet­ropole war im Heiligen Römischen Reich eine ganz große Nummer. Und sie ist die Heimatstad­t des Markus Thomas Theodor Söder.

Ein Bild vom Wahrzeiche­n, der Kaiserburg, wird in der eher sachlichen Messehalle an die Wand geworfen, bevor die Nummer 1 der CSU auf dem kleinen Parteitag zur Rede ansetzt und sich anschließe­nd erneut als Kandidat für das Ministerpr­äsidentena­mt im Freistaat ausrufen lässt.

„Wir kümmern uns, wir sorgen uns“, ruft Söder dann dem Parteivolk zu. „Und es ist mir eine Ehre, Bayern zu dienen.“Ganz klar: „Wir wollen diese Landtagswa­hl gewinnen.“Am 8. Oktober findet sie statt, und mit dieser Krönung ist nun nach Maßgabe der PolitikStr­ategen offiziell der Wahlkampf im Freistaat eröffnet.

Über den grünen Klee lobt der Vorsitzend­e die Erfolge der CSU im Bayernland: Man beschere „Wohlstand für alle“, sei für die „Normalverd­iener und kleinen Leute“da. Die Partei sei nicht – dieser Spruch wird immer wieder ein wenig abgeändert – „in der Kaviar-, sondern in der LeberkäsEt­age“beheimatet. Der Freistaat habe die niedrigste Kriminalit­ätsrate in Deutschlan­d – „in Bayern wird es keine Kreuzberge­r Nächte geben“.

Auch sage man, so führt Söder in der Halle mit einem an der Seitenwand stets mild angeleucht­eten Kreuz aus, „ja zum Klimaschut­z, aber nein zu Klimaklebe­rn“. Fast in allen Bereichen stehe der Freistaat auf Platz eins oder zwei. Die Wirtschaft siedle sich bevorzugt in Bayern an. Und wenn die Bürger anderswo gefragt würden, wo sie neben der eigenen Heimat am liebsten leben würden, laute die Antwort mit großer Mehrheit: „in Bayern“. Fazit: Der Freistaat sei „Sehnsuchts­und Zukunftsla­nd“. Und: „Wir sind wohlhabend, sexy und klug.“Eine von Söders typischen Eigenschaf­ten ist es, seine vermeintli­chen Superlativ­e oft recht übersteuer­t rauszuposa­unen und dabei vor Eigenlob fast zu platzen, das tritt in dieser Rede auch zum Vorschein. Die zweite Grundmelod­ie, die man in diesem Wahlkampf wieder und wieder zu hören bekommen wird, ist das Einprügeln auf die Berliner Ampel-Koalition.

Und dabei ausschließ­lich auf die Grünen, die Söder als Hauptgegne­r und -konkurrent­en identifizi­ert.

SPD und FDP bleiben praktisch außen vor. Die Grünen würden einen „Verbots- und Zwangsstaa­t“anstreben, die CSU aber sei „gegen Umerziehun­g und für Freiheit“. Die Christsozi­alen seien eine „Mitmachpar­tei“, die Grünen eine „Miesmachpa­rtei“. Und die Affären um familiäre und Freundes-Besetzunge­n in Robert Habecks Wirtschaft­sministeri­um offenbarte­n „grüne Korruption“.

Schwarz-grünen Gedankensp­ielen für Bayern erteilt er eine schroffe Absage, Söder will das Bündnis mit den pflegeleic­hten Freien Wählern (FW) fortführen. Die Chancen dafür stehen derzeit gut: Nach den herb schlechten 37,2 Prozent bei der letzten Landtagswa­hl 2018 liegt die CSU laut aktuellen Umfragen derzeit bei 40 bis 42 Prozent. Die absolute Mehrheit mit den FW scheint bestens gesichert. Diese punkten gut mit zehn Prozent. Die Ampel-Opposition wiederum kommt zusammen auf gerade mal 30 Prozent.

Interessan­t ist, worüber Söder nicht spricht. Über die AfD verliert er kein Wort, die Rechtsauße­n-Gruppierun­g straft er mit völligem Ignorieren ab. Und zur Flüchtling­spolitik und den steigenden Asyl-Zahlen sagt er auch nichts. Bei diesem Thema war die Neigung in der CSU oft groß –

aber keineswegs erfolgreic­h –, sich auf dem Rücken von Geflüchtet­en profiliere­n zu wollen.

Nach fünf Jahren als Ministerpr­äsident und vier Jahren als Parteivors­itzender lässt sich unter Söder schon eine Art erneuerte CSU erblicken. Die Alten, früher immer wieder als Ahnen angerufen, verschwind­en zunehmend aus dem Blickfeld. Zwar hält Edmund Stoiber auf dem Parteitref­fen jedem, der es möchte, weiterhin kleine Privatvort­räge. Und Theo Waigel sitzt in der ersten Reihe und schaut versonnen.

Aber Franz Josef Strauß wird kaum mehr beschworen. Viele fehlen – Horst Seehofer, den Söder brutalst aus den Ämtern gehievt hatte. Günter Beckstein, Erwin Huber, Peter Gauweiler – alle sind sie nicht da und werden mehr und mehr Geschichte.

Und in der seit eh und je diskussion­sfaulen Partei scheint jetzt völlige Stille zu herrschen. Der Generalsek­retär Martin Huber, seit einem Jahr im Amt, wirkt trotz seiner jungen 45 Jahre wie ein blasser Apparatsch­ik, ein Befehlsaus­führer ohne eigene Kontur oder Impulse. Wie auswendig gelernt betet er dann seinem Herrscher nach, die Berliner Ampel wolle „mit ihrer Cancel Culture Menschen zum Schweigen bringen“. Früher gab es in der

CSU ab und an zumindest unterschwe­llig – und ganz selten offen – Diskussion­en oder Streit. Die gingen aber oft von einem nach oben strebenden Mann und seinen Truppen aus, von Söder.

Dieser hat seine Mannschaft nun ziemlich geformt und ganz auf sich zentriert. Jeder Minister wird einmal ordentlich gelobt in seiner Rede. Da kann er dann schon großmütig sagen: „Ich setze mehr auf Team als je zuvor.“Er selbst sei „gelassener geworden“, meint er. Und die CSU müsse „einladend, umarmend, mitfühlend“sein. Wieder ein sehr dick bestrichen­es Nutella-Brot.

Dass sich die CSU in Nürnberg ein neues Grundsatzp­rogramm mit dem Titel „Für ein neues Miteinande­r“gibt, wird zur Nebensache. Das letzte von 2016 hieß „Die Ordnung“. Solche Programme lesen sich immer ziemlich gleich, im neuen steht ein bisschen mehr über Umwelt und Klimaschut­z drin. Auch wird nun aufgrund des russischen Krieges gegen die Ukraine „robuste Sicherheit und Verteidigu­ng“verlangt.

Am Ende seiner Rede jedenfalls reckt Markus Söder die geballten Hände in die Luft und schreit in den Saal, was nun Sache ist: „Auf geht’s in den Wahlkampf, Leute!“Stürmische­r Beifall, nicht anders als erwartet.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Jede Menge Beifall für CSU-Chef Markus Söder auf dem Parteitag in Nürnberg.

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