Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Krönung in der Kaiserstadt
Markus Söder wird vom CSU-Parteitag in Nürnberg zum Spitzenkandidaten gekürt
- Die zweite Krönung an diesem Wochenende findet nicht im königlichen London statt, sondern in der Kaiserstadt Nürnberg. Nicht München oder andere Orte in Bayern, sondern die FrankenMetropole war im Heiligen Römischen Reich eine ganz große Nummer. Und sie ist die Heimatstadt des Markus Thomas Theodor Söder.
Ein Bild vom Wahrzeichen, der Kaiserburg, wird in der eher sachlichen Messehalle an die Wand geworfen, bevor die Nummer 1 der CSU auf dem kleinen Parteitag zur Rede ansetzt und sich anschließend erneut als Kandidat für das Ministerpräsidentenamt im Freistaat ausrufen lässt.
„Wir kümmern uns, wir sorgen uns“, ruft Söder dann dem Parteivolk zu. „Und es ist mir eine Ehre, Bayern zu dienen.“Ganz klar: „Wir wollen diese Landtagswahl gewinnen.“Am 8. Oktober findet sie statt, und mit dieser Krönung ist nun nach Maßgabe der PolitikStrategen offiziell der Wahlkampf im Freistaat eröffnet.
Über den grünen Klee lobt der Vorsitzende die Erfolge der CSU im Bayernland: Man beschere „Wohlstand für alle“, sei für die „Normalverdiener und kleinen Leute“da. Die Partei sei nicht – dieser Spruch wird immer wieder ein wenig abgeändert – „in der Kaviar-, sondern in der LeberkäsEtage“beheimatet. Der Freistaat habe die niedrigste Kriminalitätsrate in Deutschland – „in Bayern wird es keine Kreuzberger Nächte geben“.
Auch sage man, so führt Söder in der Halle mit einem an der Seitenwand stets mild angeleuchteten Kreuz aus, „ja zum Klimaschutz, aber nein zu Klimaklebern“. Fast in allen Bereichen stehe der Freistaat auf Platz eins oder zwei. Die Wirtschaft siedle sich bevorzugt in Bayern an. Und wenn die Bürger anderswo gefragt würden, wo sie neben der eigenen Heimat am liebsten leben würden, laute die Antwort mit großer Mehrheit: „in Bayern“. Fazit: Der Freistaat sei „Sehnsuchtsund Zukunftsland“. Und: „Wir sind wohlhabend, sexy und klug.“Eine von Söders typischen Eigenschaften ist es, seine vermeintlichen Superlative oft recht übersteuert rauszuposaunen und dabei vor Eigenlob fast zu platzen, das tritt in dieser Rede auch zum Vorschein. Die zweite Grundmelodie, die man in diesem Wahlkampf wieder und wieder zu hören bekommen wird, ist das Einprügeln auf die Berliner Ampel-Koalition.
Und dabei ausschließlich auf die Grünen, die Söder als Hauptgegner und -konkurrenten identifiziert.
SPD und FDP bleiben praktisch außen vor. Die Grünen würden einen „Verbots- und Zwangsstaat“anstreben, die CSU aber sei „gegen Umerziehung und für Freiheit“. Die Christsozialen seien eine „Mitmachpartei“, die Grünen eine „Miesmachpartei“. Und die Affären um familiäre und Freundes-Besetzungen in Robert Habecks Wirtschaftsministerium offenbarten „grüne Korruption“.
Schwarz-grünen Gedankenspielen für Bayern erteilt er eine schroffe Absage, Söder will das Bündnis mit den pflegeleichten Freien Wählern (FW) fortführen. Die Chancen dafür stehen derzeit gut: Nach den herb schlechten 37,2 Prozent bei der letzten Landtagswahl 2018 liegt die CSU laut aktuellen Umfragen derzeit bei 40 bis 42 Prozent. Die absolute Mehrheit mit den FW scheint bestens gesichert. Diese punkten gut mit zehn Prozent. Die Ampel-Opposition wiederum kommt zusammen auf gerade mal 30 Prozent.
Interessant ist, worüber Söder nicht spricht. Über die AfD verliert er kein Wort, die Rechtsaußen-Gruppierung straft er mit völligem Ignorieren ab. Und zur Flüchtlingspolitik und den steigenden Asyl-Zahlen sagt er auch nichts. Bei diesem Thema war die Neigung in der CSU oft groß –
aber keineswegs erfolgreich –, sich auf dem Rücken von Geflüchteten profilieren zu wollen.
Nach fünf Jahren als Ministerpräsident und vier Jahren als Parteivorsitzender lässt sich unter Söder schon eine Art erneuerte CSU erblicken. Die Alten, früher immer wieder als Ahnen angerufen, verschwinden zunehmend aus dem Blickfeld. Zwar hält Edmund Stoiber auf dem Parteitreffen jedem, der es möchte, weiterhin kleine Privatvorträge. Und Theo Waigel sitzt in der ersten Reihe und schaut versonnen.
Aber Franz Josef Strauß wird kaum mehr beschworen. Viele fehlen – Horst Seehofer, den Söder brutalst aus den Ämtern gehievt hatte. Günter Beckstein, Erwin Huber, Peter Gauweiler – alle sind sie nicht da und werden mehr und mehr Geschichte.
Und in der seit eh und je diskussionsfaulen Partei scheint jetzt völlige Stille zu herrschen. Der Generalsekretär Martin Huber, seit einem Jahr im Amt, wirkt trotz seiner jungen 45 Jahre wie ein blasser Apparatschik, ein Befehlsausführer ohne eigene Kontur oder Impulse. Wie auswendig gelernt betet er dann seinem Herrscher nach, die Berliner Ampel wolle „mit ihrer Cancel Culture Menschen zum Schweigen bringen“. Früher gab es in der
CSU ab und an zumindest unterschwellig – und ganz selten offen – Diskussionen oder Streit. Die gingen aber oft von einem nach oben strebenden Mann und seinen Truppen aus, von Söder.
Dieser hat seine Mannschaft nun ziemlich geformt und ganz auf sich zentriert. Jeder Minister wird einmal ordentlich gelobt in seiner Rede. Da kann er dann schon großmütig sagen: „Ich setze mehr auf Team als je zuvor.“Er selbst sei „gelassener geworden“, meint er. Und die CSU müsse „einladend, umarmend, mitfühlend“sein. Wieder ein sehr dick bestrichenes Nutella-Brot.
Dass sich die CSU in Nürnberg ein neues Grundsatzprogramm mit dem Titel „Für ein neues Miteinander“gibt, wird zur Nebensache. Das letzte von 2016 hieß „Die Ordnung“. Solche Programme lesen sich immer ziemlich gleich, im neuen steht ein bisschen mehr über Umwelt und Klimaschutz drin. Auch wird nun aufgrund des russischen Krieges gegen die Ukraine „robuste Sicherheit und Verteidigung“verlangt.
Am Ende seiner Rede jedenfalls reckt Markus Söder die geballten Hände in die Luft und schreit in den Saal, was nun Sache ist: „Auf geht’s in den Wahlkampf, Leute!“Stürmischer Beifall, nicht anders als erwartet.