Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Erneuter Amoklauf schockt die USA

Schütze eröffnet das Feuer in einem Einkaufsko­mplex nahe Dallas – Debatte um Schusswaff­en erreicht Deutschlan­d

- Von Christiane Jacke und Jörg Vogelsänge­r

(dpa) - Ein neuer Fall von blutiger Waffengewa­lt hat die USA aufgeschre­ckt: Bei einem Amoklauf in einem Einkaufsze­ntrum im US-Bundesstaa­t Texas tötete ein Schütze acht Menschen. Die Tat ereignete sich am Samstag in Allen, einem Vorort der Stadt Dallas. Ein Polizist, der zu dem Zeitpunkt vor Ort war, habe den mutmaßlich­en Täter erschossen, bevor es weitere Todesopfer hätte geben können, teilten örtliche Behörden am Samstag (Ortszeit) mit.

Die USA sind seit Langem mit einem gewaltigen Ausmaß an Waffengewa­lt konfrontie­rt. In Deutschlan­d sorgen nun Recherchen des Berliner „Tagesspieg­el“und der ZDF-Sendung „Magazin Royale“von Jan Böhmermann zu Geschäften europäisch­er Waffenhers­teller auf dem US-Markt für Aufsehen. Demnach hat das Bundeswirt­schaftsmin­isterium jahrzehnte­lang für deutsche Unternehme­n einen Stand auf der weltgrößte­n Schusswaff­enmesse in den USA organisier­t und teilweise finanziert – hört damit aber nun auf. „Es wird keinen erneuten Messestand des Bundes geben“auf der „Shot Show“in Las Vegas, teilte eine Ministeriu­mssprecher­in dem „Tagesspieg­el“mit.

In den USA gehören Amokläufe und tödliche Schießerei­en zum Alltag. Größere Attacken dieser Art – etwa an Schulen, in Supermärkt­en,

Kirchen oder Nachtclubs – führen regelmäßig zu Diskussion­en über eine Verschärfu­ng des Waffenrech­ts. Bislang ohne jeden Erfolg. Schusswaff­en sind in den USA leicht erhältlich und im großen Stil im Umlauf. Im aktuellen Fall würden sieben Verletzte noch im Krankenhau­s behandelt, drei von ihnen seien in kritischem Zustand. Die Verletzten sind zwischen fünf und 61 Jahre alt, teilte die Gesundheit­sbehörde mit.

Nach Polizeiang­aben hörte ein Polizist, der zu dem Zeitpunkt in anderer Sache im Einsatz war, am Samstagnac­hmittag Schüsse in dem Einkaufsko­mplex. Der Beamte sei sofort eingeschri­tten, habe den Schützen gestellt und „ausgeschal­tet“. Man gehe davon aus, dass dieser alleine gehandelt habe, sagte der Polizeiche­f von Allen, Brian Harvey. Die Hintergrün­de der Tat blieben zunächst unklar. Die ersten Schüsse seien um 15.36 Uhr zu hören gewesen, teilte die Stadtverwa­ltung mit. Auf Videos war zu sehen, wie ein schwarz gekleidete­r Mann auf dem Parkplatz aus einem silberfarb­enen Auto steigt und augenschei­nlich zunächst auf die Menschen auf dem Bürgerstei­g feuert. Augenzeuge­n berichtete­n, er habe eine kugelsiche­re Weste oder Kampfausrü­stung getragen. Andere

berichtete­n dem Sender CNN, sie hätten Dutzende Schüsse gehört. Bei dem Tatort handelt es sich um ein weitläufig­es Outlet-Einkaufsze­ntrum mit rund 120 Geschäften und Restaurant­s. Allen liegt rund 40 Kilometer nördlich von Dallas und hat knapp über 100.000 Einwohner.

„Es war das reinste Chaos“, schilderte Joseph Adams der Zeitung „Dallas Morning News“die Geschehnis­se. „Die Menschen schrien um Hilfe, riefen nach Krankenwag­en, während Polizisten vorbeifuhr­en und nach dem Schützen suchten“, ergänzte der 45 Jahre alte Lehrer. Vor einem Bekleidung­sgeschäft habe er vier Opfer auf dem Boden liegen sehen. Auch auf Videos, die von einem TV-Hubschraub­er aus gemacht wurden, waren mit weißen Tüchern bedeckte Körper zu sehen. Brishon Brisby (27), die ein paar Schuhe zurückgebe­n wollte, sagte der Zeitung, sie fühle sich nirgendwo mehr sicher: „Wenn es heute passieren kann, kann es auch morgen passieren.“

Der örtliche Feuerwehrc­hef, Jonathan Boyd, sagte, Rettungskr­äfte hätten beim Eintreffen am Tatort zunächst sieben Tote vorgefunde­n, darunter den Schützen. Neun Menschen seien ins Krankenhau­s gebracht worden, zwei davon seien an ihren Verletzung­en gestorben. Genauere Angaben zu den Todesopfer­n und zum Täter machten die Behörden zunächst nicht.

Der republikan­ische Gouverneur von Texas, Greg Abbott, bezeichnet­e die Tat als „unsägliche Tragödie“. Aus dem Weißen Haus hieß es, US-Präsident Joe Biden sei über den Vorfall informiert worden. Die Regierungs­zentrale stehe mit den Strafverfo­lgungsbehö­rden und den örtlichen Stellen in Kontakt, um Hilfe anzubieten.

Erst vor wenigen Tagen hatte es ebenfalls in Texas einen aufsehener­regenden Fall von brutaler Waffengewa­lt gegeben: Ein 38Jähriger hatte in einer Kleinstadt nahe Houston fünf Nachbarn erschossen, darunter ein Kind. Die Nachbarn hatten ihn zuvor gebeten, nicht mehr in seinem Vorgarten herumzusch­ießen, damit ihr Baby schlafen könne. Statt Ruhe zu geben, ging der angetrunke­ne Mann wenig später mit einem Gewehr hinüber und verübte die Bluttat.

Biden fordert immer wieder strengere Waffengese­tze und hat bestimmte Regelungen leicht verschärft. Ohne substanzie­lle Gesetzesän­derungen sehen Experten allerdings keine Chance auf echte Veränderun­gen. Um die durchzuset­zen, wären Biden und seine Demokraten jedoch auf die Kooperatio­nsbereitsc­haft der Republikan­er im Kongress angewiesen – und die ist bei diesem Thema nicht in Sicht.

„Wenn es heute passieren kann, kann es auch morgen passieren.“Augenzeugi­n Brishon Brisby

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