Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kultur leben
Das diesjährige Motto des Bodenseefestivals klingt naheliegend: „über Grenzen“. Was sonst, denkt man zunächst, handelt es sich doch um ein Festival mit Spielorten in der Schweiz, in Liechtenstein, Österreich und Deutschland. Eine banale Programmklammer also? Mitnichten. Denn die diversen Veranstalter interpretieren den Grenzbegriff so vielseitig, dass bald klar wird wie offen das Grenzmotto dargestellt werden kann. Im KiTT-Kino Tettnang etwa steht am Samstag, 13. Mai, ein langer Filmabend an. Zwei Produktionen zum Thema werden gezeigt: „Ballon“von Michael Bully Herbig und „Akte Grüninger“, Regie Alain Gsponer.
Die „Ballon“-Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Zwei
Familien beschließen Ende der 1970er-Jahre gemeinsam aus der DDR in den Westen zu fliehen. Ihr riskanter Plan: In einem selbstgebauten Heißluftballon wollen sie nachts von Thüringen aus Richtung Hessen starten. Doch das Gefährt stürzt kurz vor der westdeutschen Grenze ab. Die Stasi nimmt bald Ermittlungen auf, während die beiden Familien einen neuen Ballon bauen – ein nervenaufreibender Wettlauf gegen die Zeit beginnt (auch am 10. Mai in der Linse Weingarten).
„Akte Grüninger“geht zurück in die Zeit des nationalsozialistischen Terrors und basiert ebenfalls auf realen Begebenheiten. Nach einer Konferenz zuständiger Minister und Polizeidirektoren im Berner Bundeshaus schließt die Schweiz im Sommer 1938 ihre Grenze für Flüchtlinge ohne Visum – katastrophal für Juden und andere Verfolgte aus Deutschland und Österreich, die zuvor in großer Zahl in der Eidgenossenschaft Schutz suchten. Polizeiinspektor Robert
Frei, ein treuer Beamter, wird in den Kanton St. Gallen beordert, wo weiterhin viele Menschen ohne gültige Papiere über die Grenze gelangen. Bald kommt Frei einem organisierten Hilfssystemauf die Schliche.
Paul Grüninger, Kommandant der Schweizer Grenzpolizei, setzt aus moralischer Überzeugung alles aufs Spiel und rettet schließlich etwa 3000 Menschen das Leben. Unterstützt durch große Teile der regionalen Bevölkerung werden die jüdischen Flüchtlinge ins Land gelassen und in einem Lager in Diepoldsau untergebracht, das Grüninger mit Hilfe des Vorstehers der israelitischen Gemeinschaft in Betrieb hält.
Grüningers moralische Standfestigkeit und der Anblick der hilfesuchenden Flüchtlinge lassen bei Frei
Zweifel an seinem Auftrag entstehen.
Das Jüdische Museum Hohenems veranstaltet regelmäßig Wanderungen und Radtouren im Grenzgebiet auf den Spuren der damals Flüchtenden. Ebenfalls am 13. Mai wird eine geführte Fahrradtour „An der Grenze – am Alten Rhein“angeboten. Auf der Route von Hohenems über die Grenze nach Diepoldsau/Schweiz sind Geschichten von Flüchtenden und Fluchthelfern, vom Scheitern und Sterben, von Glück und Zufall zu hören. Kulturvermittlerin Claudia Klammer leitet die Tour, Anmeldung über www.jmhohenems.at.