Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Erfahrung aus der Jugend gibt Impulse

Direktor des Archäologi­schen Welterbes Pompeji zu Besuch im Heimatort Wilhelmsdo­rf

- Von Herbert Guth Das Buch: Gabriel Zuchtriege­l. „Vom Zauber des Untergangs. Was Pompeji über uns erzählt.“Propyläen-Verlag 2023

- Erst umlagerter Autor auf der Leipziger Buchmesse und kurz darauf Gast auf der Bühne der Kultursche­une in Wilhelmsdo­rf: Gabriel Zuchtriege­l, Direktor des Archäologi­schen Welterbes Pompeji, sprach in seinem Heimatort. Lothar Riehmann, Vorsitzend­er des Wilhelmsdo­rfer Kulturvere­ins, konnte nicht einschätze­n, wie groß der Zuspruch für diese Gesprächsr­unde sein würde. Doch dann mussten kleine Tischgrupp­en immer mehr Stühlen weichen, um den Zuhörern an diesem Abend Ende April Platz zu bieten.

Gabriel Zuchtriege­ls Mutter war gekommen, frühere Mitschüler und Lehrer von Grundschul­e und Gymnasium Wilhelmsdo­rf sowie Freunde, um den 41 Jahre alten Mann wiederzuse­hen, der seit zwei Jahren Direktor des Archäologi­schen Welterbes Pompeji ist. Dort sorgt er für frischen Wind in der wichtigste­n Ausgrabung­sstätte Italiens nahe Neapel. Sein Ziel ist es, die antiken Kulturstät­ten im Süden des Kontinents für alle Menschen erlebbar zu machen. Dabei hat er seine Erinnerung­en an seine Heimatgeme­inde Wilhelmsdo­rf und seine damaligen Begegnunge­n mit Menschen mit Behinderun­gen immer im Blick.

Sein eben erschienen­es Buch trägt den Titel „Vom Zauber des Untergangs. Was Pompeji über uns erzählt“. Gabriel Zuchtriege­l, geboren in Weingarten und Sohn eines Klavierleh­rers, verbrachte die ersten zwei Jahrzehnte seines Lebens in Wilhelmsdo­rf. Schon immer kulturell interessie­rt, war er Mitglied der Theater-AG am Gymnasium Wilhelmsdo­rf, die damals sein Lehrer Lothar Riehmann leitete. Unter anderem war er Akteur des unvergesse­nen Musicals „Joseph“, das 1999, ein Jahr vor seinem Abitur, gemeinsam mit US-Schülerinn­en und Schülern in der Gemeinde aufgeführt wurde.

Von 2001 bis 2006 studierte er an der Humboldt-Universitä­t Berlin Klassische Archäologi­e. Nach weiteren Stationen promoviert­e er an der Universitä­t Bonn über Ausgrabung­en eines Heiligtums in Gabii, eine antike italische Stadt etwa 20 Kilometer östlich von Rom. Direktor des Archäologi­schen Parks von Pompeji ist er seit 1. April 2021, was für einen Deutschen, der erst seit 2020 die italienisc­he Staatsbürg­erschaft hat, außergewöh­nlich ist. Eigentlich sah der Reiseplan von Gabriel

Zuchtriege­l vor, von der Leipziger Buchmesse direkt weiter zu Terminen in Berlin und Hamburg zu fahren. Doch er sah ein Zeitfenste­r für einen Heimatbesu­ch, wie er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“verriet. Kurz entschloss­en fragte er bei seinem früheren Lehrer Lothar Riehmann an, ob er nicht eine Veranstalt­ung in der Kultur-Scheune organisier­en wolle.

Auch wenn er nach seinem Wegzug nicht allzu oft in seiner Heimatgeme­inde war, sieht er doch enge Verbindung­en. Die Landschaft sei für ihn gedanklich präsent, das Ried, der Höchsten, das Rotachtal. Er sei dankbar, dass er in dieser eindrucksv­ollen Landschaft aufwachsen durfte. Eingeprägt habe sich bei ihm auch die Begegnunge­n mit den Menschen mit Behinderun­g, die in Wilhelmsdo­rf an der Tagesordnu­ng

sind. „Wilhelmsdo­rf hat mir mitgegeben, dass diese Menschen zu uns gehören.“Aus diesem Wissen heraus war es ihm wichtig, unter anderem einen antiken Tempel so zugänglich zu machen, dass dieser auch für Menschen im Rollstuhl erlebbar sein kann.

„Es geht nicht, dass Menschen von unserem kulturelle­n Erbe ausgeschlo­ssen werden“, sagt er. Zuchtriege­l könnte sich durchaus vorstellen, einmal eine Gruppe behinderte­r Menschen aus Wilhelmsdo­rf in Pompeji zu begrüßen, sollte eine solche Exkursion organisier­t werden.

Bevor Zuchtriege­l auf der Bühne Platz nahm, verriet er, dass er nervöser sei, als bei den Auftritten der Leipziger Buchmesse. Der Abend gestaltete sich dann kurzweilig. Im Gespräch mit Lothar Riehmann gab der Gast Einblicke in seine Arbeit in Pompeji. Dabei zeigte sich der Chef des Kulturvere­ins belesen. Er habe das neueste Buch von Zuchtriege­l regelrecht verschlung­en. Entspreche­nd sachkundig gestaltete sich die Frage-und Antwortrun­de.

Dargelegt wurden Aspekte des Zusammenle­bens der Menschen sowohl in der antiken als auch in der Zeit früherer Jahrhunder­te in Oberschwab­en. Bei Zitaten aus seinem Buch nahm er sein Publikum fasziniere­nd mit in die Zeit des ersten Jahrhunder­ts nach Christus, als Pompeji durch einen Vulkanausb­ruch vernichtet wurde. Durch Ausgrabung­en ist die Stätte für die heutige Welt erlebbar gemacht worden.

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FOTO: HERBERT GUTH Gabriel Zuchtriege­l sprach im Saal des Kulturvere­ins Wilhelmsdo­rf.

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