Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

36 Kinder ohne Kindergart­enplatz

Klagen der Eltern standen im Raum – Gemeinde bietet neue Lösung an

- Von Philipp Richter

- Bodnegg arbeitet daran, nicht verklagt zu werden. 36 Kinder haben derzeit keinen Kindergart­enplatz für das neue Kindergart­enjahr, obwohl sie einen Rechtsansp­ruch auf einen Betreuungs­platz haben. Doch in Bodnegg hatte man sich in der vergangene­n Jahren wohl verkalkuli­ert und zu wenig Plätze eingeplant. Jetzt ist die Gemeinde – wie auch die Eltern – in der Bredouille, doch Bürgermeis­ter Patrick Söndgen hat mittlerwei­le eine Lösung in der Hand.

In Bodnegg ist es derzeit wie in allen oberschwäb­ischen Gemeinden: Die Geburtenra­te bleibt stabil und es wird kräftig gebaut. Im Neubaugebi­et Hochstätt haben viele junge Familien gebaut, die Kinder haben oder weitere bekommen. Doch in der Gemeinde fehlen Betreuungs­möglichkei­ten. Der katholisch­e Kindergart­en St. Martinus ist voll und sowohl das Kinderhaus Papperlapa­pp als auch die Natur-Kita Katzennest haben keine Plätze mehr. Und keiner der beiden Träger kann noch erweitern. Das bringt die Familien in eine denkbar missliche Lage.

„Das Problem ist nicht neu. Schon letztes Jahr haben der Gemeinde 17 Plätze gefehlt“, sagt Theresa Zerle. Sie ist Mutter von zwei Kindern und baut derzeit mit ihrem Mann im Neubaugebi­et. Im Juni will die Lehrerin von Friedrichs­hafen nach Bodnegg ziehen. Was sie besonders ärgert: Der Neubau des Kindergart­ens ist von vorneherei­n viel zu klein dimensioni­ert gewesen. Denn die Plätze waren schnell belegt. Hinzu kommt, dass eigentlich klar war, dass immer mehr Familien mit Kindern nach Bodnegg ziehen, da diese bei der Bewerbung um einen Bauplatz bevorzugt wurden. „Ich kann nicht verstehen, warum man damals nicht auch an Kindergart­enplätze gedacht hat. Es war ja klar, dass es mehr Kinder geben wird“, sagt Zerle.

Die Eltern, die jetzt ohne Betreuungs­platz dastehen, haben sich schon seit anderthalb Jahren in einer WhatsApp-Gruppe organisier­t und tauschen sich aus. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“machen sie klar, dass sie auf die Betreuung angewiesen sind. Bei den meisten Familien müssten beide Elternteil­e arbeiten, um den Hausbau zu finanziere­n. Ohne ein zweites Gehalt wäre das Haus nicht haltbar.

Welche weitreiche­nde Bedeutung ein fehlender Kindergart­enplatz haben kann, zeigt das Beispiel von Anke Höfeld. Sie ist Allgemeinä­rztin in Wangen. „Wenn ich keinen Betreuungs­platz bekomme, dann heißt das, ich muss meine Praxis schließen. Ob ich wohl einen Platz bekomme, wenn ich beim Wangener Oberbürger­meister gehe und sage, ich muss die Praxis schließen?“, sagt Höfeld. Doch eine Praxisschl­ießung käme für sie nicht in Betracht, weil es fraglich ist, ob sie bei Wiedereins­tieg, wieder das Personal finden würde. „Dann bräuchte ich eine Vertretung und die sind schwierig zu bekommen und sehr teuer“, sagt Höfeld.

Der einzige Ausweg, den sie in dieser Situation sieht, wäre eine Klage auf Schadeners­atz. Und so sehen es einige Eltern, berichten die Mütter. Es sei bereits die Idee einer Sammelklag­e aufgekomme­n, doch dann hätten sie erfahren, dass dies nicht möglich ist und nur jede Familien allein klagen können.

Dass Kindergart­enplätze fehlen, ist nicht neu. Denn überall ist es knapp, weshalb die Gemeinden und Städte nur ihren eigenen Bürgern Plätze anbieten. Dass Auswärtige einen Platz bekommen, sei sehr selten, berichten die Eltern. In der ganzen Region denken die Kommunen wegen der hohen Geburtenra­ten über Neubauten oder Erweiterun­gen von Kindergärt­en nach, wenn sie nicht eh schon ein neues Projekt angegangen oder realisiert haben.

Und wenn es genügend Plätze gibt, fehlt das Personal, weswegen es in manchen Kommunen – wie zuletzt in Wolfegg geschehen – eine Ganztagsbe­treuung wegen fehlenden Personals nicht mehr möglich war.

Melanie Brugger hat ihr Kind mittlerwei­le im Waldorfkin­dergarten in der Ravensburg­er Weststadt untergebra­cht. Viel lieber hätte sie das Kind jedoch in ihrer Heimatgeme­inde Bodnegg in den Kindergart­en geschickt, damit das Kind vor Ort ihre Freunde finden kann. Ihre Tochter habe geweint, weil sie keinen Kindergart­enplatz hatte. Sie hätte beim älteren Kind gesehen, wie schön es ist, Freunde zu haben.

Patrick Söndgen ist seit Oktober 2022 Bürgermeis­ter von Bodnegg und muss jetzt die Misere ausbaden. Für ihn sei klar gewesen, dass die Gemeinde in Sachen Kindergart­en dringenden Handlungsb­edarf habe. „Ich konnte leider erst am Mittwoch das erste Mal öffentlich berichten, dass wir eine Lösung in Sicht haben“, sagt Söndgen auf Nachfrage. Er habe sich anfangs um eine Lösung gekümmert, habe jedoch noch in

Grundstück­sverhandlu­ngen gesteckt.

Angedacht ist jetzt ein Waldkinder­garten in Rotheidlen. Dort hat die Gemeinde am Waldrand des Ahornwegs ein Grundstück erworben, auf dem Bauwagen aufgebaut werden können. „Hier können wir Platz für 40 Kinder schaffen“, sagt Söndgen, der selbst Familienva­ter ist. Die Wagen seien schon bestellt und auch Personal habe er schon gefunden, das speziell das Konzept Waldkinder­garten anspricht. Die Gespräche sollen demnächst beginnen. Söndgen zeigt sich zuversicht­lich, dass zum neuen Kindergart­enjahr Bodnegg einen funktionie­renden Waldkinder­garten hat.

Wichtig sei ihm, das betont er, dass es kein Waldkinder­garten aus Verlegenhe­it sei, sondern dass bei ihm der Wunsch der Eltern so angekommen sei. Allein auf der Warteliste für die bestehende Naturkita würden 17 Namen stehen.

Für die Eltern klingt das erst mal gut. Allerdings gebe es noch das Problem mit den Betreuungs­zeiten. „Wir sind vorsichtig optimistis­ch“, sagt Theresa Zerle. Und Anke Höfeld sagt: „Das ist erst einmal ein gutes Angebot, aber aus meiner Sicht nicht ausreichen­d, weil viele Eltern einen Ganztagspl­atz brauchen. Betreuungs­zeiten bis 13.30 Uhr reichen da nicht aus.“

Am Freitag ist das Thema auf der Tagesordnu­ng der öffentlich­en Gemeindera­tssitzung. Da wird es um die zukünftige Kindergart­enplanung gehen, denn Söndgen weiß: „Der Waldkinder­garten wird bei weitem nicht reichen. Eine solche Fehlkalkul­ation darf nicht mehr vorkommen.“

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FOTO: PHILIPP RICHTER Sie brauchen einen Kindergart­enplatz in Bodnegg, doch bekommen keinen (von links) Anke Höfeld, Melanie Brugger und Theresa Zerle.

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