Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
36 Kinder ohne Kindergartenplatz
Klagen der Eltern standen im Raum – Gemeinde bietet neue Lösung an
- Bodnegg arbeitet daran, nicht verklagt zu werden. 36 Kinder haben derzeit keinen Kindergartenplatz für das neue Kindergartenjahr, obwohl sie einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben. Doch in Bodnegg hatte man sich in der vergangenen Jahren wohl verkalkuliert und zu wenig Plätze eingeplant. Jetzt ist die Gemeinde – wie auch die Eltern – in der Bredouille, doch Bürgermeister Patrick Söndgen hat mittlerweile eine Lösung in der Hand.
In Bodnegg ist es derzeit wie in allen oberschwäbischen Gemeinden: Die Geburtenrate bleibt stabil und es wird kräftig gebaut. Im Neubaugebiet Hochstätt haben viele junge Familien gebaut, die Kinder haben oder weitere bekommen. Doch in der Gemeinde fehlen Betreuungsmöglichkeiten. Der katholische Kindergarten St. Martinus ist voll und sowohl das Kinderhaus Papperlapapp als auch die Natur-Kita Katzennest haben keine Plätze mehr. Und keiner der beiden Träger kann noch erweitern. Das bringt die Familien in eine denkbar missliche Lage.
„Das Problem ist nicht neu. Schon letztes Jahr haben der Gemeinde 17 Plätze gefehlt“, sagt Theresa Zerle. Sie ist Mutter von zwei Kindern und baut derzeit mit ihrem Mann im Neubaugebiet. Im Juni will die Lehrerin von Friedrichshafen nach Bodnegg ziehen. Was sie besonders ärgert: Der Neubau des Kindergartens ist von vorneherein viel zu klein dimensioniert gewesen. Denn die Plätze waren schnell belegt. Hinzu kommt, dass eigentlich klar war, dass immer mehr Familien mit Kindern nach Bodnegg ziehen, da diese bei der Bewerbung um einen Bauplatz bevorzugt wurden. „Ich kann nicht verstehen, warum man damals nicht auch an Kindergartenplätze gedacht hat. Es war ja klar, dass es mehr Kinder geben wird“, sagt Zerle.
Die Eltern, die jetzt ohne Betreuungsplatz dastehen, haben sich schon seit anderthalb Jahren in einer WhatsApp-Gruppe organisiert und tauschen sich aus. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“machen sie klar, dass sie auf die Betreuung angewiesen sind. Bei den meisten Familien müssten beide Elternteile arbeiten, um den Hausbau zu finanzieren. Ohne ein zweites Gehalt wäre das Haus nicht haltbar.
Welche weitreichende Bedeutung ein fehlender Kindergartenplatz haben kann, zeigt das Beispiel von Anke Höfeld. Sie ist Allgemeinärztin in Wangen. „Wenn ich keinen Betreuungsplatz bekomme, dann heißt das, ich muss meine Praxis schließen. Ob ich wohl einen Platz bekomme, wenn ich beim Wangener Oberbürgermeister gehe und sage, ich muss die Praxis schließen?“, sagt Höfeld. Doch eine Praxisschließung käme für sie nicht in Betracht, weil es fraglich ist, ob sie bei Wiedereinstieg, wieder das Personal finden würde. „Dann bräuchte ich eine Vertretung und die sind schwierig zu bekommen und sehr teuer“, sagt Höfeld.
Der einzige Ausweg, den sie in dieser Situation sieht, wäre eine Klage auf Schadenersatz. Und so sehen es einige Eltern, berichten die Mütter. Es sei bereits die Idee einer Sammelklage aufgekommen, doch dann hätten sie erfahren, dass dies nicht möglich ist und nur jede Familien allein klagen können.
Dass Kindergartenplätze fehlen, ist nicht neu. Denn überall ist es knapp, weshalb die Gemeinden und Städte nur ihren eigenen Bürgern Plätze anbieten. Dass Auswärtige einen Platz bekommen, sei sehr selten, berichten die Eltern. In der ganzen Region denken die Kommunen wegen der hohen Geburtenraten über Neubauten oder Erweiterungen von Kindergärten nach, wenn sie nicht eh schon ein neues Projekt angegangen oder realisiert haben.
Und wenn es genügend Plätze gibt, fehlt das Personal, weswegen es in manchen Kommunen – wie zuletzt in Wolfegg geschehen – eine Ganztagsbetreuung wegen fehlenden Personals nicht mehr möglich war.
Melanie Brugger hat ihr Kind mittlerweile im Waldorfkindergarten in der Ravensburger Weststadt untergebracht. Viel lieber hätte sie das Kind jedoch in ihrer Heimatgemeinde Bodnegg in den Kindergarten geschickt, damit das Kind vor Ort ihre Freunde finden kann. Ihre Tochter habe geweint, weil sie keinen Kindergartenplatz hatte. Sie hätte beim älteren Kind gesehen, wie schön es ist, Freunde zu haben.
Patrick Söndgen ist seit Oktober 2022 Bürgermeister von Bodnegg und muss jetzt die Misere ausbaden. Für ihn sei klar gewesen, dass die Gemeinde in Sachen Kindergarten dringenden Handlungsbedarf habe. „Ich konnte leider erst am Mittwoch das erste Mal öffentlich berichten, dass wir eine Lösung in Sicht haben“, sagt Söndgen auf Nachfrage. Er habe sich anfangs um eine Lösung gekümmert, habe jedoch noch in
Grundstücksverhandlungen gesteckt.
Angedacht ist jetzt ein Waldkindergarten in Rotheidlen. Dort hat die Gemeinde am Waldrand des Ahornwegs ein Grundstück erworben, auf dem Bauwagen aufgebaut werden können. „Hier können wir Platz für 40 Kinder schaffen“, sagt Söndgen, der selbst Familienvater ist. Die Wagen seien schon bestellt und auch Personal habe er schon gefunden, das speziell das Konzept Waldkindergarten anspricht. Die Gespräche sollen demnächst beginnen. Söndgen zeigt sich zuversichtlich, dass zum neuen Kindergartenjahr Bodnegg einen funktionierenden Waldkindergarten hat.
Wichtig sei ihm, das betont er, dass es kein Waldkindergarten aus Verlegenheit sei, sondern dass bei ihm der Wunsch der Eltern so angekommen sei. Allein auf der Warteliste für die bestehende Naturkita würden 17 Namen stehen.
Für die Eltern klingt das erst mal gut. Allerdings gebe es noch das Problem mit den Betreuungszeiten. „Wir sind vorsichtig optimistisch“, sagt Theresa Zerle. Und Anke Höfeld sagt: „Das ist erst einmal ein gutes Angebot, aber aus meiner Sicht nicht ausreichend, weil viele Eltern einen Ganztagsplatz brauchen. Betreuungszeiten bis 13.30 Uhr reichen da nicht aus.“
Am Freitag ist das Thema auf der Tagesordnung der öffentlichen Gemeinderatssitzung. Da wird es um die zukünftige Kindergartenplanung gehen, denn Söndgen weiß: „Der Waldkindergarten wird bei weitem nicht reichen. Eine solche Fehlkalkulation darf nicht mehr vorkommen.“