Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alles Glück der Erde ...

... liegt auf dem Rücken der Pferde, wie beim Blutritt in Weingarten – Weltweit gibt es große Reiterproz­essionen und Feste

- Von Stefanie Rebhan

- Rund 25.000 Besucher, bis zu 2000 Reiter: Der 900 Jahre alte Blutritt in Weingarten ist bekannterw­eise der größte seiner Art, zumindest in Europa. Da scheinen sich die Tiefen des Internets einig zu sein. Sie offenbaren aber auch einige weitere Reiterproz­essionen und Feste weltweit, bei denen Pferde die Hauptrolle spielen. Teilweise schauen Hunderttau­sende Menschen zu. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat ein paar der Wichtigste­n gesammelt, die allerdings nicht alle in einem religiösen Kontext stehen.

Immer an Pfingsten findet die „Romería del Rocío“statt, eine der größten Reiterproz­essionen Spaniens. Die Pilger reisen seit 1653 in über 100 Bruderscha­ften zur Wallfahrt an, auf einem traditione­ll dafür festgelegt­en Weg – dem 60 Kilometer langen „Camino a El Rocío“. Sie reisen drei Tage lang von der Costa de la Luz zu Fuß, in Bussen, vor allem aber zu Pferd und in Pferdewage­n in traditione­ller Tracht nach Almonte, zur Kapelle der Jungfrau Rocío. Die Gläubigen versuchen die Statue oder ihr Gewand zu berühren, weil sie dadurch den Segen erhoffen. Die Tradition wird mit einem Volksfest verbunden, sodass die ganze Veranstalt­ung rund eine Million Menschen mobilisier­t.

In Catoira (Spanien) feiern viele Menschen seit 1961 jährlich im August die „Romaría Wikinga“oder auch das Viking-Festival. Die Veranstalt­ung erinnert an die Zeit der Wikinger, als sie die galicische Küste plünderten. Während des Festivals werden mehrere

Drachenboo­te in den Fluss Ulla gebracht, und als Wikinger verkleidet­e Darsteller reiten auf den Booten flussaufwä­rts. Die Veranstalt­ung ist nicht nur eine Prozession, sondern auch ein Volksfest mit Musik, Tänzen und traditione­llem Essen.

Die Stampede-Parade (seit 1912) ist Teil einer zehntägige­n Landwirtsc­hafts-Ausstellun­g in Calgary, Kanada. Sie gilt als größte Freiluft-Ausstellun­g der Welt und umfasst Rodeo-Wettbewerb­e und andere Western-Traditione­n. Dazu gehört als eine der Haupttradi­tionen die Stampede-Parade, bei der Reitergrup­pen durch die Straßen ziehen.

Es sind Hunderte von Pferden, auf denen auch mal Politiker, Sportler, Schauspiel­er und andere Würdenträg­er sitzen. Tierschütz­er kritisiere­n die Veranstalt­ung. Zwischen 1995 und 2005 starben nach Wikipedia-Angaben beispielsw­eise insgesamt 21 Pferde bei der Calgary-Stampede. Die meisten durch von Stress verursacht­en Verletzung­en.

Ähnliches wie die Kanadier bieten die zehntägige­n Cheyenne Frontier Days in den USA (Wyoming) seit 1897. Es geht ums Rodeo, ein Indian-Village, Livemusik und die Parade. Zu ihr gehören nicht nur Pferde und antike Kutschen, sondern auch Marschkape­llen

und Oldtimer. Ansager entlang der Paradestre­cke geben Kommentare zu jedem Wagen. Die Parade findet während der zehn Tage viermal statt.

Stress mit Tierschütz­ern gibt es vor allem beim Palio di Siena, einem historisch­en Pferderenn­en, das zweimal im Jahr in der italienisc­hen Stadt Siena stattfinde­t. Davor reiten die sogenannte­n Contranden – Nachbarsch­aftsgemein­schaften, die auch die Stadtteile Sienas repräsenti­eren – gleich einer Prozession in mittelalte­rlichen Kostümen mit ihren Wappen die Straße entlang. Es folgt das Rennen. Seit 1970 sind laut mehrerer Internetqu­ellen rund 50 Pferde

durch Unfälle während des Rennens gestorben. Scharfe Kurven beim Parcours sorgen dafür, dass die Pferde ungebremst gegen Häuserwänd­e laufen; an einigen Stellen werde deshalb das Mauerwerk gepolstert.

Das Shingen-ko-Matsuri findet jedes Jahr im April im japanische­n Kofu als Andenken an Shingen Takeda statt. Er war ein Kriegsherr, der im 16. Jahrhunder­t lebte, als es die Samurai noch gab. Mehr als 1000 Teilnehmer verkleiden sich authentisc­h als Samurai-Krieger der damaligen Zeit und treffen sich zu einer Prozession zu Fuß und zu Pferd zum Schlachtfe­ld von Kawanakaji­ma. Rund 100.000 Besucher sehen sich das Fest jährlich an, das etwas mehr als 40 Jahre alt ist. Zu den Höhepunkte­n gehört der Umzug von Shingen's Armeen, bei dem ebenfalls Reiter auf Pferden durch die Stadt ziehen. Es gibt zudem Zeremonien, Musikdarbi­etungen, Tanzvorfüh­rungen und traditione­lle Marktständ­e.

Das Naadam, Nationalfe­st der Mongolei, ist immer im Juli und hat seinen Ursprung im Mittelalte­r. Unter anderem gehört ein Pferderenn­en dazu. Teilweise reiten mehrere Hundert Menschen gleichzeit­ig über die Steppe. Die meisten Zuschauer sind dabei ebenfalls hoch zu Ross. Die Mongolen ringen außerdem miteinande­r und wetteifern im Bogenschie­ßen. Nach dem anstrengen­den Teil warten Kulturvera­nstaltunge­n sowie ein Volksfest mit Jahrmarkt-Charakter.

Bekanntlic­h ist der Weingarten­er Blutritt nicht der einzige im Kreis Ravensburg. Auch die

Bad Wurzacher haben seit bald 100 Jahren „ihren“Blutfreita­g, am zweiten Freitag im Juli. Er gilt als der jüngere (und kleinere) Bruder des Weingarten­er HeiligBlut-Festes. In Bad Wurzach gibt es keinen Heilig-Blut-Reiter, sondern einen Heilig-Blut-Wagen: Die Reliquie wird in einer Kutsche bei der Prozession mitgeführt. Schon am Sonntag vor dem Wurzacher Heilig-Blut-Fest wird die Reliquie in einer abendliche­n Lichterpro­zession durch die erleuchtet­en Straßen von der Kapelle der Salvatoria­ner auf dem Gottesberg in die Stadt übertragen. Am Freitag darauf beginnt das religiöse Brauchtums­fest bereits um 7 Uhr mit dem Blutritt von der Stadtkirch­e Sankt Verena aus. Anschließe­nd führt die Prozession über die Fluren mit vier Altären zum Gottesberg. Um 10.30 Uhr wird dort das feierliche Pontifikal­amt mit einem Festpredig­er gehalten. Den Abschluss des Festtages bildet um 14.30 Uhr eine sogenannte Bergpredig­t auf dem Gottesberg.

Gerne auch im Schneegest­öber: Jedes Jahr zum Stephansta­g, dem 26. Dezember, ziehen Reiter aus der Region in den Argenbühle­r Ortsteil Eisenharz. Dennoch kommen, hauptsächl­ich aus dem Landkreis Ravensburg, Abordnunge­n von Blut- oder Stephansre­itergruppe­n. Vom Dorfplatz in Eisenharz traben die Pferde ab 13 Uhr, begleitet von zwei Musikkapel­len, zum Dorf hinaus und umrunden die Stephanska­pelle. Die Prozession wird angeführt vom Bürgermeis­ter und dem Vorstand der Stephansre­itergruppe.

 ?? FOTOS: WIKIMEDIA COMMONS/RASEMANN/LANG ?? Die Pferde sind bei der „Romería del Rocío“in Spanien (oben l.) nicht wegzudenke­n. Genauso wie beim Pferderenn­en im italienisc­hen Siena (Mitte l.), bei der Stampede-Parade in Kanada (l. unten), beim Shingen-ko-Matsuri in Japan (Mitte o.), dem Bad Wurzacher Blutritt (Mitte unten) und der Reiterproz­ession in Eisenharz (r.)
FOTOS: WIKIMEDIA COMMONS/RASEMANN/LANG Die Pferde sind bei der „Romería del Rocío“in Spanien (oben l.) nicht wegzudenke­n. Genauso wie beim Pferderenn­en im italienisc­hen Siena (Mitte l.), bei der Stampede-Parade in Kanada (l. unten), beim Shingen-ko-Matsuri in Japan (Mitte o.), dem Bad Wurzacher Blutritt (Mitte unten) und der Reiterproz­ession in Eisenharz (r.)

Newspapers in German

Newspapers from Germany