Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Alles Glück der Erde ...
... liegt auf dem Rücken der Pferde, wie beim Blutritt in Weingarten – Weltweit gibt es große Reiterprozessionen und Feste
- Rund 25.000 Besucher, bis zu 2000 Reiter: Der 900 Jahre alte Blutritt in Weingarten ist bekannterweise der größte seiner Art, zumindest in Europa. Da scheinen sich die Tiefen des Internets einig zu sein. Sie offenbaren aber auch einige weitere Reiterprozessionen und Feste weltweit, bei denen Pferde die Hauptrolle spielen. Teilweise schauen Hunderttausende Menschen zu. Die „Schwäbische Zeitung“hat ein paar der Wichtigsten gesammelt, die allerdings nicht alle in einem religiösen Kontext stehen.
Immer an Pfingsten findet die „Romería del Rocío“statt, eine der größten Reiterprozessionen Spaniens. Die Pilger reisen seit 1653 in über 100 Bruderschaften zur Wallfahrt an, auf einem traditionell dafür festgelegten Weg – dem 60 Kilometer langen „Camino a El Rocío“. Sie reisen drei Tage lang von der Costa de la Luz zu Fuß, in Bussen, vor allem aber zu Pferd und in Pferdewagen in traditioneller Tracht nach Almonte, zur Kapelle der Jungfrau Rocío. Die Gläubigen versuchen die Statue oder ihr Gewand zu berühren, weil sie dadurch den Segen erhoffen. Die Tradition wird mit einem Volksfest verbunden, sodass die ganze Veranstaltung rund eine Million Menschen mobilisiert.
In Catoira (Spanien) feiern viele Menschen seit 1961 jährlich im August die „Romaría Wikinga“oder auch das Viking-Festival. Die Veranstaltung erinnert an die Zeit der Wikinger, als sie die galicische Küste plünderten. Während des Festivals werden mehrere
Drachenboote in den Fluss Ulla gebracht, und als Wikinger verkleidete Darsteller reiten auf den Booten flussaufwärts. Die Veranstaltung ist nicht nur eine Prozession, sondern auch ein Volksfest mit Musik, Tänzen und traditionellem Essen.
Die Stampede-Parade (seit 1912) ist Teil einer zehntägigen Landwirtschafts-Ausstellung in Calgary, Kanada. Sie gilt als größte Freiluft-Ausstellung der Welt und umfasst Rodeo-Wettbewerbe und andere Western-Traditionen. Dazu gehört als eine der Haupttraditionen die Stampede-Parade, bei der Reitergruppen durch die Straßen ziehen.
Es sind Hunderte von Pferden, auf denen auch mal Politiker, Sportler, Schauspieler und andere Würdenträger sitzen. Tierschützer kritisieren die Veranstaltung. Zwischen 1995 und 2005 starben nach Wikipedia-Angaben beispielsweise insgesamt 21 Pferde bei der Calgary-Stampede. Die meisten durch von Stress verursachten Verletzungen.
Ähnliches wie die Kanadier bieten die zehntägigen Cheyenne Frontier Days in den USA (Wyoming) seit 1897. Es geht ums Rodeo, ein Indian-Village, Livemusik und die Parade. Zu ihr gehören nicht nur Pferde und antike Kutschen, sondern auch Marschkapellen
und Oldtimer. Ansager entlang der Paradestrecke geben Kommentare zu jedem Wagen. Die Parade findet während der zehn Tage viermal statt.
Stress mit Tierschützern gibt es vor allem beim Palio di Siena, einem historischen Pferderennen, das zweimal im Jahr in der italienischen Stadt Siena stattfindet. Davor reiten die sogenannten Contranden – Nachbarschaftsgemeinschaften, die auch die Stadtteile Sienas repräsentieren – gleich einer Prozession in mittelalterlichen Kostümen mit ihren Wappen die Straße entlang. Es folgt das Rennen. Seit 1970 sind laut mehrerer Internetquellen rund 50 Pferde
durch Unfälle während des Rennens gestorben. Scharfe Kurven beim Parcours sorgen dafür, dass die Pferde ungebremst gegen Häuserwände laufen; an einigen Stellen werde deshalb das Mauerwerk gepolstert.
Das Shingen-ko-Matsuri findet jedes Jahr im April im japanischen Kofu als Andenken an Shingen Takeda statt. Er war ein Kriegsherr, der im 16. Jahrhundert lebte, als es die Samurai noch gab. Mehr als 1000 Teilnehmer verkleiden sich authentisch als Samurai-Krieger der damaligen Zeit und treffen sich zu einer Prozession zu Fuß und zu Pferd zum Schlachtfeld von Kawanakajima. Rund 100.000 Besucher sehen sich das Fest jährlich an, das etwas mehr als 40 Jahre alt ist. Zu den Höhepunkten gehört der Umzug von Shingen's Armeen, bei dem ebenfalls Reiter auf Pferden durch die Stadt ziehen. Es gibt zudem Zeremonien, Musikdarbietungen, Tanzvorführungen und traditionelle Marktstände.
Das Naadam, Nationalfest der Mongolei, ist immer im Juli und hat seinen Ursprung im Mittelalter. Unter anderem gehört ein Pferderennen dazu. Teilweise reiten mehrere Hundert Menschen gleichzeitig über die Steppe. Die meisten Zuschauer sind dabei ebenfalls hoch zu Ross. Die Mongolen ringen außerdem miteinander und wetteifern im Bogenschießen. Nach dem anstrengenden Teil warten Kulturveranstaltungen sowie ein Volksfest mit Jahrmarkt-Charakter.
Bekanntlich ist der Weingartener Blutritt nicht der einzige im Kreis Ravensburg. Auch die
Bad Wurzacher haben seit bald 100 Jahren „ihren“Blutfreitag, am zweiten Freitag im Juli. Er gilt als der jüngere (und kleinere) Bruder des Weingartener HeiligBlut-Festes. In Bad Wurzach gibt es keinen Heilig-Blut-Reiter, sondern einen Heilig-Blut-Wagen: Die Reliquie wird in einer Kutsche bei der Prozession mitgeführt. Schon am Sonntag vor dem Wurzacher Heilig-Blut-Fest wird die Reliquie in einer abendlichen Lichterprozession durch die erleuchteten Straßen von der Kapelle der Salvatorianer auf dem Gottesberg in die Stadt übertragen. Am Freitag darauf beginnt das religiöse Brauchtumsfest bereits um 7 Uhr mit dem Blutritt von der Stadtkirche Sankt Verena aus. Anschließend führt die Prozession über die Fluren mit vier Altären zum Gottesberg. Um 10.30 Uhr wird dort das feierliche Pontifikalamt mit einem Festprediger gehalten. Den Abschluss des Festtages bildet um 14.30 Uhr eine sogenannte Bergpredigt auf dem Gottesberg.
Gerne auch im Schneegestöber: Jedes Jahr zum Stephanstag, dem 26. Dezember, ziehen Reiter aus der Region in den Argenbühler Ortsteil Eisenharz. Dennoch kommen, hauptsächlich aus dem Landkreis Ravensburg, Abordnungen von Blut- oder Stephansreitergruppen. Vom Dorfplatz in Eisenharz traben die Pferde ab 13 Uhr, begleitet von zwei Musikkapellen, zum Dorf hinaus und umrunden die Stephanskapelle. Die Prozession wird angeführt vom Bürgermeister und dem Vorstand der Stephansreitergruppe.