Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Habeck hat zu lange gezögert

- ● Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Im Grunde war es absehbar. Denn dass der bisherige Staatssekr­etär Patrick Graichen Mühe hat, sauber zwischen privaten Verbindung­en und beruf lichen Netzwerken zu unterschei­den, war allzu offensicht­lich. Es war also nur eine Frage der Zeit, dass weitere Verstöße gegen die AntiFilz-Regeln im Wirtschaft­sministeri­um auftauchen. Das hätte auch Minister Robert Habeck ahnen – und schneller die Reißlinien ziehen können. Doch er hielt an seinem Vertrauten fest, bis „der eine Fehler zu viel“offenbar wurde. Auch bei der geplanten Förderung eines Projekts des BUND-Landesverb­ands Berlin gab es eine familiäre Verbindung.

War es klug, dass Habeck gezögert hat? Nein, das war es nicht. Es mag ihn zwar menschlich ehren, dass er sich, solange es geht, vor einen Mitarbeite­r stellt. Aber politisch hat der Wirtschaft­sminister seinem Haus, seinen Vorhaben, sich selbst und auch dem Ansehen der Grünen geschadet. Vielleicht brauchte es die Wahl in Bremen, um ihm vor Augen zu führen, dass sich Vertrauens­verlust in Zahlen niederschl­ägt.

Habecks Lage ist ziemlich vertrackt. Eigentlich müsste er 100 Prozent geben, um die wirtschaft­liche Transforma­tion Deutschlan­ds voranzubri­ngen. Stattdesse­n kümmert er sich nun um Aufklärung in eigener Sache. Dass er nebenbei von vielen nicht mehr als Wirtschaft­sminister, sondern als Heizungske­llerminist­er wahrgenomm­en wird, macht die Situation nicht besser. Für Habeck persönlich mag es zweitrangi­g sein, dass auch seine Beliebthei­tswerte im Keller sind. Aber die Ängste der Menschen, die sich darin ausdrücken, können ihm nicht egal sein. Denn Klimaschut­z lässt sich nicht gegen die Bevölkerun­g in der Gesellscha­ft verankern.

Was Habeck nun tun kann, um über Wasser zu bleiben? Er muss vor allem schnell aus den Fehlern lernen, die in seinem Ministeriu­m gemacht wurden und die er selbst gemacht hat. „Bevor du dich daran machst, die Welt zu verbessern, geh dreimal durch dein eigenes Haus“, heißt es in einem asiatische­n Sprichwort. Zugegeben ein Kalendersp­ruch – und eines Philosophe­n sicherlich nicht würdig. Aber verkehrt wäre es nicht, wenn sich Habeck daran hielte – auch mit Blick auf die Nachfolge Graichens.

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